138 CD / The Welte Mignon Mystery: Vladimir Horowitz
The Welte Mignon Mystery Vol. XI
Vladimir Horowitz
today playing all his 1926 interpretations.
Works by Bach/Busoni, Bizet, Chopin, Horowitz, Liszt and Rachmaninov
EAN/barcode: 4009850013808
Beschreibung
“ (…) dies sind die frühesten Tondokumente, die von Horowitz existieren. Horowitz′ Klavierkunst ist hier von größter Frische: hoch virtuos und zugleich ungemein poetisch, echter Horowitz halt!“ (Pizzicato)
5 Bewertungen für 138 CD / The Welte Mignon Mystery: Vladimir Horowitz
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Pianiste –
DIE LEKTIONEN DER VERGANGENHEIT
Die Magie der Welte-Mignon
Debussy, Ravel, Mahler, Einecke, Grieg, Granados… spielen ihre Werke.
Würden Sie gerne Ravel, Debussy, Strauss, Saint-Saëns, Reger hören, wie sie auf einem modernen Klavier ihre eigenen Werke spielen? Und was halten Sie von einer „perfekten“ Wiedergabe der Interpretationen der ersten Horowitz, Fischer, Lhévinne und anderer wie Schnabel? Das deutsche Label Tacet bietet eine Anthologie der Rollen, die mit dem Welte-Mignon-Verfahren aufgenommen wurden. Das System ist einfach, aber der Wiedergabeprozess ist besonders komplex! Tatsächlich wurden die von den Komponisten selbst gespielten Stücke mit dem 1904 von der Firma Welte & Söhne in Freiburg erfundenen Gerät digitalisiert. Die damaligen Lochrollen haben den Anschlag, das Pedalspiel und die feinsten Nuancen aufgezeichnet. Heute muss man diese Aufnahmen einfach auf ein Konzertklavier übertragen.
Es ist daher ein echter Schock, die „Children’s Corner“ und einige Préludes von Debussy zu hören, aber auch die „Sonatine“, die „Valses nobles et sentimentales“ von Ravel unter den Fingern der Komponisten selbst zu erleben. Welche Lektionen ziehen wir daraus? Zunächst einmal die erstaunliche Freiheit dieser beiden Genies in Bezug auf ihre Partituren! Es ist auch wahr, dass das Spiel von Ravel nicht immer perfekt in der Ausführung ist… Aber wenn man den rein technischen Aspekt überwindet, wird die extreme Feinheit und die Personalisierung der Anschläge deutlich. Die Dynamik ist meist zart, die Finger scheinen das Klavier nur zu streifen. Ohne jede Brutalität. Die Klarheit und Sanftheit sind verblüffend. Andere Beispiele sind ebenso beeindruckend, wie die beiden Bände, die sich mit Werken von Brahms befassen, die von Nikisch, Lhévinne, Samaroff, Ney oder auch die Etüden von Chopin, gespielt von Pachmann und Paderewski, interpretiert wurden…
Die Virtuosität der Pianisten ist erstaunlich, aber noch mehr überrascht die Leidenschaft, das Engagement, manchmal sogar die Zierlichkeiten und die unpassenden Verzierungen, die manche Pianisten wie Ticks hervorrufen. Aus all diesen Meisterlektionen bleibt uns eine Erkenntnis: Die stärksten Persönlichkeiten entfalten sich nur nach einem tiefen und viszeralen Verständnis der Werke. Schnabel in den Walzern von Josef Strauss und Josef Lanner (wer würde das heute noch spielen?), Horowitz 1926 in einigen Préludes von Rachmaninov – sie sprechen uns an. Woher rührt der Charme und die unwiderstehliche Ausstrahlung ihrer Lesarten? Ein Rätsel.
Jedes Jahr veröffentlicht Tacet drei oder vier neue CDs aus den Welte-Mignon-Archiven. Unbedingt sammeln.
S. F.
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Französischer Originaltext:
LES LEÇONS DU PASSÉ
La magie des Welte-Mignon
Debussy, Ravel, Mahler, Einecke, Grieg, Granados… jouent leurs œuvres.
Vous aimeriez entendre Ravel, Debussy, Strauss, Saint-Saëns, Reger jouant sur un piano d’aujourd’hui leurs propres Oeuvres? Et que diriez-vous aussi d’une restitution « parfaite » des interprétations des premiers Horowitz, Fischer, Lhévinne et autres Schnabel? Le label allemand Tacet propose une anthologie des rouleaux gravés par le procédé Welte-Mignon. Le système est simple, mais le procédé de restitution particulièrement complexe! En effet, les pièces jouées par les compositeurs eux-mêmes ont été numérisées à partir de l’appareil inventé en 1904 par la firme Welte & Fils de Fribourg. Les rouleaux perforés de l’époque ont capté le toucher, le jeu des pédales et les nuances les plus fines. Il suffit aujour¬d’hui de transférer ces témoignages sur un piano de concert.
C’est donc un véritable choc que d’entendre dans un confort d’écoute optimal les Children’s Corner et quelques Préludes par Debussy, mais aussi la Sonatine, les Valses nobles et sentimentales de Ravel sous les doigts des compositeurs. Quelles leçons en retirons-nous? D’abord, l’étonnante liberté de ces deux génies vis-à-vis de leurs partitions! Il est vrai aussi que le jeu de Ravel n’est pas d’une justesse infaillible… Mais si l’on dépasse l’aspect purement technique, on s’aperçoit de l’extrême finesse et de la personnalisation des touchers. Les dynamiques sont généralement faibles, les doigts semblent effleurer le clavier. Sans aucune brutalité. La clarté et la douceur sont stupéfiantes. D’autres exemples sont frappants comme ces deux volumes consacrés à des œuvres de Brahms interprétées par Nikisch, Lhévinne, Samaroff, Ney ou bien les Études de Chopin par Pachmann et Paderewski…
La virtuosité des pianistes est stupéfiante, mais on est plus surpris encore par la fougue, l’engagement, parfois même les coquetteries, les ornementations intempestives que certains provoquent comme des tics. De toutes ces leçons de maîtres, on retient que les personnalités les plus fortes ne s’épanouissent qu’après une compréhension viscérale et profonde des œuvres. Schnabel dans les Valses de Josef Strauss et de Josef Lanner (qui oserait jouer cela aujourd’hui ?), Horowitz en 1926 dans quelques Préludes de Rachmaninov nous interpellent. D’où proviennent le charisme et le charme insensés de leurs lectures? Mystère.
Chaque année, Tacet publie trois ou quatre nouveaux CD des archives Welte-Mignon. À thésauriser.
S. F.
Klassik heute –
Man darf es getrost wiederholen: Zu loben ist die Tacet-Initiative, die alten Rollen-Aufnahmen namhafter Interpreten auf einem hochwertigen, „modernen“ Konzertflügel gleichsam auf Ohrenhöhe zeitgenössischen Klangniveaus zu heben. Unter diesen luxuriösen akustischen Umständen gewinnen die alten, in Produktion und Übertragung nicht unproblematischen Einspielungen eine sympathische Dimension von Gegenwärtigkeit. Zumal sich das Spiel des jungen Vladimir Horowitz im Jahr 1926 im Bereich der rein manuellen Brillanz, der technischen Zuverlässigkeit weit über dem damaligen Normalmass bewegte. Die Klavier-Heroen und -Lyriker der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatten ihre Vorzüge, ihr ganz spezielles Charisma, aber wer wollte von ihnen verlangen, etwa Busonis Figaro-Fantasie aus dem Nachlass Franz Liszts so athletisch, so ungerührt von manuellen Schikanen, aber auch im rechten Moment so einschmeichelnd in den Tontrichter transferieren zu können. Horowitz in dieser Phase der opern-klavieristischen Exaltation, aber auch in den wagemutigen Gedankenspielen seiner Carmen-Fantasie musste der Musikwelt den Atem verschlagen, denn es handelte sich um eine neue Dimension des Umgangs mit dem Instrument.
Aber auch Horowitz bewegte sich in den Embryo-Tagen der Klangaufzeichnung mit seinen Darbietungen in Übereinstimmung mit den ästhetischen Gewohnheiten seiner Mitstreiter um die Gunst des Publikums. Ein markantes Beispiel ist das g-Moll-Prélude op. 23,5 von Rachmaninoff. Anhand dieses berühmten, markant rhythmisierten, im Mittelteil schier verschwenderisch empfindsamen Stückes lässt sich Interpretationsgeschichte nachvollziehen. Horowitz nimmt das Stück – im Vergleich zu Sviatoslav Richter – sozusagen im Galopp, erweist sich als Meister, als Zauberer des vibrierenden Augenblicks, während sein russischer Kollege sich gut 30 Jahre später als Architekt, als Baumeister eines vom Komponisten vorgegebenen Verhaltensplans betätigte. Horowitz erhöht das Tempo, wenn repetierte Akkorde und herabstürzende Oktaven verlangt sind. Richter bindet diese Passagen in ein übergeordnetes dramaturgisches Konzept – und er steuert damit (schon weit über den sentimental-liedhaften Mittelteil hinauszielend) unfehlbar auf die Reprise hin. Und auch hier ein grundlegender Unterschied bei der Formulierung thematischen Zitierens. Horowitz findet sich recht hurtig ins Originaltempo zurück, Richter hingegen schleicht sich förmlich mit Behutsamkeit in das Tempo des initialen Gedankens – und er steigert bis zum Ende die Spannung, bevor er dem Prélude im letzten, wie aufsprühenden Schlenker mit äußerster Bedachtsamkeit ein wirkliches Ende beschert. Horowitz scheint in dieser dekorativen Endphase mit seinen Gedanken schon beim nächsten Stück zu sein – so nebensächlich schüttelt er diese Phrase aus dem Ärmel.
Kaum eine andere Kleinigkeit wie Rachmaninoffs Prélude op. 23,5 gibt indirekt Auskunft, wie sich gestalterisches Benehmen in den letzten Jahrzehnten von Künstler zu Künstler gewandelt hat. Die furchtbarste, pianistisch völlig verwahrloseste Version ist mir mit dem an sich verehrten Julian von Karólyi in Erinnerung, aber auch bei Versionen mit Ogdon, Lhévinne, selbst mit Rachmaninoff selber vermisse ich die bei Richter so bewundernswerte Perspektivgebung vom ersten bis zur letzten Note.
Insgesamt betrachtet und gehört sind diese hier im wahrsten Sinne wieder belebten Horowitz-Aufnahmen ein Labsal, eine abenteuerliche Reise mit einem eigenwilligen Lektor und Führer durch die Partituren: „Russisch“ gedeutete Chopin-Mazurken, verwegen, gleichwohl leichtfingrig kredenzte Chopin-Etüden, zudem ein wenig Eigenes aus der Werkstatt des genialen Barpianisten (Moment exotique), eine etwas sorglos, ja hingefetzte Valse oubliée von Liszt und zwei Busoni-Bearbeitungen Bachscher Orgelwerke. Im Hinblick auf Präludium und Fuge D-Dur BWV 532 erlaube ich mir darauf hinzuweisen, um wie viel konstruktiver, verantwortungsvoller György Cziffra dieses Werk in seiner BBC-Aufnahme zu gestalten wusste!
Der Tacet-Redaktion möchte ich eine minimale Korrektur nicht ersparen: Liszts Liebesbotschaft ist eine Schubert-Bearbeitung. Da sollte in der Titelei der Urheber schon genannt werden – und auch die BWV-Nummern sind ja inzwischen mehr als bekannt…
Peter Cossé
Stuttgarter Zeitung –
Wer diese im Winter 1926 auf einem Welte- Mignon-Flügel eingespielten ersten Aufnahmen des jungen Horowitz hört, versteht, dass der 23-Jährige mit seinem kometengleichen Erscheinen die Klavierwelt diesseits und jenseits des Atlantiks in Erstaunen versetzte. Die technische Perfektion ist stupend. In Liszt/Busonis haarsträubend schwieriger Fantasie über Mozarts Oper „Figaro“, aber auch in der eigenen Fantasie über Melodien aus Bizets „Carmen“ stellt Horowitz unter Beweis, dass ihm nichts zu schwer war. Glänzender noch als diese Bravourstücke ist der sirenengleiche Zauber, den er in Liszts erster Valse oubliée oder in Chopins mit höchster Brillanz elegant über die schwarzen Tasten des Klaviers dahinhuschender Étude op. 10, Nr. 5 entfesselt. Dabei fasziniert Horowitz nicht nur durch halsbrecherische Tempi und eine an Hexerei grenzende Technik, sondern mehr noch durch die farbige Nuancierung des Tons und eine musikalische Gestaltungskraft, wie sie wenige seinesgleichen in diesem Alter besessen haben.
Zwei höchst kantabel gespielte Bach-Bearbeitungen Busonis lassen mit ihren exzessiven Rubati ahnen, dass Horowitz Jahrzehnte später der „letzte Romantiker“ am Klavier sein wird. Poesie des Ausdrucks und manuelle Verzauberung verbinden sich in drei Rachmaninow-Préludes, Naivität und Abgründigkeit in drei agogisch ganz frei deklamierten Mazurken Chopins – Stücke, die Horowitz auch später gespielt hat und deren Aufnahmen zum Vergleich herausfordern. Zur Faszination der Anthologie trägt bei, dass wir keine kratzigen Schellacküberspielungen hören, sondern dank der neuen Überspielungstechnik des Stuttgarter Labels Tacet Aufnahmen, die unmittelbar aus dem Tonstudio von heute zu kommen scheinen.
Uwe Schweikert
Pforzheimer Zeitung –
(…) Ergänzend dazu ist bei TACET eine klanglich hervorragende Überspielung von Rollenaufnahmen von Horowitz erschienen, die ihn mit Werken von Rachmaninoff, Liszt und Chopin in dern 1920er-Jahren als himmelstürmenden Virtuosen zeigen.
tw
Pizzicato –
Von Vladimir Horowitz gibt es jede Menge historischer Aufnahmen, und die klingen dann eben auch ′historisch′. Nun hat Horowitz aber auch seinen Teil zu dem etwa 4500 Titel umfassenden Katalog beigetragen, der von 1904 bis 1932 von Welte auf Klavierrollen festgehalten wurde. TACET bringt also jetzt eine alte Einspielung in neuem Sound heraus und man soll′s dem Label danken, denn dies sind die frühesten Tondokumente, die von Horowitz existieren. Horowitz′ Klavierkunst ist hier von größter Frische: hoch virtuos und zugleich ungemein poetisch, echter Horowitz halt!