156 SACD / Guillaume Bouzignac: Motets
Guillaume Bouzignac
Motets · Motetten
Sächsisches Vocalensemble, Matthias Jung
TACET Real Surround Sound & Stereo
EAN/barcode: 4009850015642
Beschreibung
„Schauer der Wonne und Erregung…“ (Sächsische Zeitung)
„(…) Die Musik ist – mit einem Wort – traumhaft. Die Melodien, die das übliche kirchliche Zeitmaß vermeiden und anscheinend ineinander aufgehen, klingen wie eine himmlische Volksweise und sind klangvoll und hochdramatisch. [Bouzignacs] Umgang mit dem Chor – von langen antiphonalen Abschnitten über unvergleichlich austarierten homophonen Teilen bis zu herrlichen Solo-Stellen – ist aufregend und höchst wirkungsvoll…“ (Audiophile Audition)
13 Bewertungen für 156 SACD / Guillaume Bouzignac: Motets
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Audio Activity –
–> Original-Rezension
Ich beginne mit einem WOW! Was für ein Chor!
Guillaume Bouzignac lebte in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Frankreich und war Kapellmeister in vielen französischen Kathedralen. Er gehört nicht zu den Lieblingsautoren der Plattenlabels, weshalb diese Aufnahme mit so vielen schönen Aufnahmen wirklich willkommen ist. Das Kontrapunktspiel ist von guter Qualität, ebenso wie die Originalität des Komponisten und seine Meisterschaft. Seine Kompositionen sind durchdrungen von jenem Virtuosentum, das für die Zeit Ludwigs XIV. typisch war. Selbst das geistliche Material wird spektakulär inszeniert.
Um das musikalische Klima der Zeit zu verstehen, genügt es, an die beiden berühmtesten Te Deum-Vertonungen zu denken – die von Charpentier und die von Lully. Pracht und Schönheit standen damals im Zentrum alles in Frankreich.
Der Chor vermittelt hier den Geist jedes Stücks auf beste Weise: Das Motett Ego Gaudebo Domino ist fröhlich und heiter – es erinnert an die Fontänen von Versailles oder das Jubilate Deo, das die CD beschließt. Wenn hohe Töne gehalten werden müssen, wie etwa im Vulnerasti Cor Meum, ist der Chor perfekt und gibt nicht nach.
Ich erwähnte bereits die Te Deum-Vertonungen von Charpentier und Lully – auch auf dieser CD gibt es ein Te Deum-Motett, doch die Komposition ist hier liturgischer als das, was die beiden Hofmusiker bieten. Sie eignet sich gut für den Gesang in der Kirche ohne musikalische Begleitung, und tatsächlich werden alle Stücke a cappella gesungen.
Dieses Repertoire ist zugänglich und kann auch von denen genossen werden, die nicht an diese Art von Musik gewöhnt sind.
Der Chor ist exzellent. Alle Sänger sind sehr begabt, und die Soprane verfügen über eine hohe Stimme, die stets perfekt intoniert und von wunderschönem Klang ist.
Der Dirigent ist Matthias Jung. Er versteht es, den Chor zu motivieren, und diese Freude überträgt sich auf den Zuhörer. Die Solostimmen sind besonders schön.
Die Aufnahme ist großartig: Sie vermittelt einen wunderbaren Kathedraleneffekt, der angenehm und wichtig ist. Der Klang ist präzise, die Klangbühne weitläufig, und der Zuhörer fühlt sich direkt vor dem Chor – ohne Barrieren.
Domenico Pizzamiglio
Jean-Marc’s Multi-Channel Recordings Reviews –
–> Original-Rezension
Ich wiederhole gerne, dass ich der Meinung bin, dass Mehrkanal-Musik heutzutage definitiv unterrepräsentiert ist – und ich versuche, dies auf meine bescheidene Art auszugleichen.
Ich beginne also mit dieser Choraufnahme: Die gesamte Musik ist a cappella (das bedeutet: nur Stimmen, ohne instrumentale Begleitung). Die Klangaufnahme ist herrlich – und genau das darf man von einer TACET-Mehrkanalaufnahme auch erwarten. Man hat das starke Gefühl, in einer Kirche zu sein (keine Kathedrale, aber in einem großen Raum). Die Aufnahme entstand in der Michaeliskirche in Bautzen, die 1429 erbaut wurde. Dieser Raumeindruck ist auch zwischen den Sängern selbst lebendig: Ein Solist kann beispielsweise relativ nah vorne stehen, während andere Stimmen weiter hinten und in größerer Entfernung (etwa 30 Fuß dahinter) zu hören sind.
Der virtuose Tonmeister Andreas Spreer hat die (sehr interessante) Angewohnheit, bei seinen Aufnahmen eine ungewöhnliche Klangverteilung anzuwenden, um die musikalische Botschaft zu verstärken. Im Beiheft finden sich Zeichnungen, die die Anordnung der Stimmen erklären – und diese ist bei fast jedem der 22 Stücke auf dieser SACD unterschiedlich. So antworten etwa in einem Stück zwei Chorhälften einander abwechselnd von links und rechts, um einen antiphonalen Effekt zu erzeugen, der vermutlich (und hoffentlich) vom Komponisten beabsichtigt war. In anderen Stücken werden ein oder mehrere Solisten besonders hervorgehoben.
In der Regel werden vier Kanäle genutzt (z. B. 4.0), mit Ausnahme der Stücke 1, 7, 9 und 15, die in 5.0 aufgenommen sind. Bei diesen steht der Solist im Mittelkanal – außer in Stück 9, wo es umgekehrt ist und der Solist weit hinten positioniert ist.
Bei solchen Aufnahmen ist es etwas sinnlos, über Dynamik oder Frequenzausgleich zu sprechen. Aber ich kann über die Schönheit des Klangs sprechen: Vom Anfang bis zum Ende dieser SACD klingt der Chor großartig, die Stimmen sind reichhaltig, und die verschiedenen musikalischen Linien sind deutlich zu hören. Wie bei anderen TACET-Aufnahmen bedeutet die räumliche Verteilung jedoch nicht, dass der Zusammenhalt des Ensembles verloren geht. Wenn sich die Sänger zu prächtigen Akkorden vereinen, liefen mir bei dieser großartigen und herrlichen Musik Schauer über den Rücken. Das technische Wunder dieser Aufnahme lässt uns die großartige Arbeit des Chors wirklich genießen.
Zum musikalischen Inhalt:
Der Text ist auf Lateinisch und wird auf Deutsch übersetzt (leider gibt es keine englische oder französische Übersetzung – in meinem Fall also auch nicht :-)). Das Beiheft enthält nützliche Informationen über Guillaume Bouzignac, der um 1587 geboren wurde und um 1643 starb. Fast 300 Jahre lang war er in Vergessenheit geraten, bis einige seiner Manuskripte in einer Bibliothek in Tours wiederentdeckt wurden. Er lebte sein ganzes Leben im Zentrum Frankreichs und stand nicht in direkter Verbindung zur Hofmusik in Paris. Gerade deshalb spiegelt sein Stil seine lokale Kultur und einen okzitanischen Einschlag wider (obwohl Frankreich zu dieser Zeit bereits stark zentralisiert war). Die hier präsentierten Motetten stammen aus verschiedenen Schaffensperioden Bouzignacs (von 1610 bis 1643).
Wie bereits erwähnt, macht das Beiheft auch durch seine zahlreichen Diagramme Spaß, die die Positionierung der verschiedenen Stimmen in jedem Stück erklären. Zudem sind alle Chormitglieder namentlich aufgeführt – inklusive der Solisten in den einzelnen Stücken (ich schätze es immer, wenn die Namen der Musiker und nicht nur die des Dirigenten genannt werden). Das Vokalensemble besteht aus 8 Sopranen, 7 Altstimmen, 7 Tenören und 8 Bässen. Diese Musik ist ein wunderbares Heilmittel nach einem stressigen Tag im Büro.
Bevor ich einige der 22 Stücke auf diesem Album näher beschreibe, möchte ich die technische Exzellenz des Chors betonen: Es herrscht eine fabulöse Präzision, insbesondere bei den langen Tönen, bei denen die Tonhöhe stabil und rein bleibt (kein Wackeln, keine übertriebenen Vibrati oder unscharfe Ansätze). Bei langen Akkorden entsteht sogar der Effekt, dass sich die Stimmen gegenseitig verstärken – manchmal klingt der Chor wie ein einziges großes Instrument (fast wie eine Orgel), das in einer wunderschönen alten Kirche widerhallt.
Jean-Marc Serre
Fanfare-Magazin –
Guillaume Bouzignac (ca. 1590–ca. 1643) wurde zu Beginn des letzten Jahrhunderts der Vergessenheit entrissen, als Henri Quittard in Paris ein Manuskript mit unveröffentlichten Werken von ihm entdeckte – ein weiteres in Tours, wo Bouzignac in seinen letzten Lebensjahren kurzzeitig lebte. Der aus dem Languedoc stammende Komponist, dessen genaue Lebensdaten unbekannt sind, könnte nach Italien gereist sein, wo er um die Jahrhundertwende mit den neuesten Entwicklungen der italienischen Musik in Berührung kam – ein Fakt, der seinen avantgardistischen Stil beeinflusste. Zwar komponierte er auch einige weltliche Lieder (von denen auf der unten genannten Audivis-CD nur drei Beispiele vertreten sind), doch die Kirchenmusik auf dieser Aufnahme ist typischer für sein Schaffen.
Seine Diskografie begann mit einer frühen Chorsammlung von Erato, die Jubilate Deo (hier zu hören) enthielt. Die wichtigsten Veröffentlichungen folgten auf Arion (1982 aufgenommen, CD 10:3), Audivis (1986 erschienen, 10:4) und Harmonia Mundi (1993 aufgenommen, 17:5). Alle drei Aufnahmen wurden von Olivier Schneebeli geleitet – wenn auch bei der letzten nur der Knabenchor von ihm stammte, der an William Christies Produktion mitwirkte. Alle drei Veröffentlichungen sind inzwischen aus dem französischen Diapason Catalogue Classique verschwunden; nur wenige Stücke sind auf zwei neueren CDs erhalten.
Die neue Aufnahme ist eine der wenigen, die außerhalb Frankreichs entstanden ist. Zu Jungs Vorgängern zählen Roger Norrington und Joel Cohen, während Gottfried Wolters bereits 1961 ein frühes Beispiel aus Deutschland beisteuerte – dasselbe Jubilate Deo. Im Gegensatz zu den drei Haupt-CDs kommt diese neue Aufnahme ohne Instrumente aus. Das Ergebnis wird durch die klaren Stimmen und die brillante Tontechnik – besonders im effektiven Mehrkanal-Surround-Sound – noch aufgewertet. Schneebeli vertrat die Ansicht, dass die Praxis des Basso continuo und die instrumentale Begleitung der Gesangslinien zu Bouzignacs Zeiten zwar verbreitet, aber nicht immer notiert wurden – was ihren Einsatz auf den drei genannten CDs erklärt. Jung hingegen hält sich an die vom Komponisten gewählte Besetzung und setzt kleine und große Chöre im Dialog oder Solostimmen und Chorstimmen auf ähnliche Weise ein. Dadurch entsteht eine Mischung aus Renaissance-Klang und vokalen Effekten des 17. Jahrhunderts.
Jung präsentiert mit Beati mortui nur ein bisher unaufgenommenes Motett unter den 22 Stücken. Alle anderen – einschließlich der bekanntesten Stücke – sind bereits in den drei großen Sammlungen enthalten. Doch die Aufführungen hier sind atemberaubend und lohnen den Vergleich mit den älteren Aufnahmen. Abgesehen von einem Bass-Solisten mit deutschem Akzent wird das Latein stets wunderschön artikuliert. Es handelt sich um ein gemischtes Erwachsenenensemble, doch die weiblichen Solistinnen verfügen über einen durchdringenden, „weißen“ Klang, der an Knabenstimmen erinnert – eine sehr ansprechende Qualität. Vulnerasti cor meum endet mit einem berührenden morendo-Effekt, doch es gibt noch viele weitere Glanzstücke unter diesen 22 Motetten.
Dies ist die erste Hybrid-CD, die ich gesehen habe: Neben der SACD-Version enthält sie eine Stereo-Version, die sowohl auf DVD- als auch auf CD-Playern abspielbar ist. (Wenn meine Erfahrung repräsentativ ist, deutet die Tatsache, dass die einzige von mir rezensierte DVD-Audio-Disc auch als SACD abspielbar war, nicht gerade auf eine rosige Zukunft des DVD-Audio-Formats hin.) Die räumliche Trennung ist beeindruckend und verstärkt den Effekt von Bouzignacs Dialogstil beträchtlich. Das Beiheft enthält Diagramme, die die räumliche Verteilung der Sänger für jedes Stück zeigen. Diese CD ist ein Musterbeispiel für echten Surround-Sound (wie Tacet es beschreibt), und das Label ist zu Recht stolz auf diese Leistung. Man sollte sie nicht verpassen!
J. F. Weber
L′Homme Nouveau –
Guillaume Bouzignac (um 1587 – nach 1643) wurde als musikalisches Rätsel bezeichnet. Keines seiner Werke wurde zu Lebzeiten gedruckt – seine Musik ist nur in zwei Handschriften überliefert, die erst 1904 entdeckt wurden. Doch vor allem sein ungewöhnlicher Stil hebt ihn zu Beginn des 17. Jahrhunderts von den großen barocken Strömungen seiner Zeit ab. Inspiriert von Spanien, entfaltet er eine kreative Kraft, die sich bewusst von den gängigen musikalischen Trends absetzt.
In den rund zwanzig hier aufgenommenen lateinischen Motetten verbindet Bouzignac Themen aus der Heiligen Schrift mit zeitgenössischen Ereignissen. Darunter befinden sich zwei wenig ökumenische Weihnachtsmotetten, die die Eroberung von La Rochelle im Jahr 1628 feiern. Als wahrer Regisseur betont er die dramatischen Effekte durch vielgestaltige Dialoge zwischen Chor und Solisten.
Das Vokalensemble aus Sachsen, geleitet von Matthias Jung, besticht durch eine atemberaubende Klangschönheit. Diese a-cappella-Aufnahme überzeugt durch ausgewogene Balance, präzise Intonation und tiefe Emotionalität. Besonders hervorzuheben ist die klare Artikulation des Lateinischen. Nicht zuletzt beeindruckt die technisch gelungene, hochwertige Klangaufnahme dieser SACD – ob in Stereo oder im Mehrkanalformat.
Benoît Sénéchal
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französischer Originaltext:
On a qualifié Guillaume Bouzignac (v. 1587 – après 1643) d′énigme musicale. Rien de sa musique n′a été imprimé. Elle est conservée dans deux manuscrits découverts seulement en 1904. Mais c′est surtout son style atypique qui le classe à part en ce début du XVIIe siècle. Inspiré par l′Espagne, il impose une force créatrice qui reste à l′écart des grands courants musicaux baroques de l′époque. Dans la vingtaine de motets en latin enregistrés ici, Bouzignac mélange des sujets tirés des Saintes Écritures et de l′actualité de son temps. Parmi eux, deux motets de Noël fort peu œcuméniques, célébrant la prise de la Rochelle en 1628. Vrai metteur en scène, il souligne les effets dramatiques par l′arrangement de dialogues multiformes entre chœurs et solistes. L′ensemble vocal de Saxe, dirigé par Matthias Jung, est d′une beauté de timbre époustouflante. Une prouesse a cappella remarquable d′équilibre, de justesse et d′émotion. La clarté de l′articulation du latin est aussi à saluer. Soulignons enfin la prouesse technique voulue et réalisée dans la prise de son de grande qualité de ce SACD (stéréo ou multicanal).
Benoît Sénéchal
Klassik heute –
Höchstnote 10 für künstlerische Qualität, Klangqualität und Gesamteindruck
Über den Schütz-Zeitgenossen Guillaume Bouzignac (1587–ca. 1643) wissen wir nicht besonders viel. Bis auf die Eck- und wenige Binnendaten hüllt sich sein Leben in Schweigen. Soviel ist bekannt: Geboren wurde er im Languedoc, jener geschichtsträchtigen Region im Süden Frankreichs. Seine Ausbildung erhielt er an der Kathedrale von Narbonne, später war er in wechselnden Positionen als Sänger und maître de musique an vielen Kathedralen des südlichen Königreichs tätig, u.a. in Angôuleme, Grenoble, Bourges und zuletzt in Clermont-Ferrand. Bouzignac mied den Kontakt zum französischen Hof und blieb zeitlebens in den Traditionen seiner okzitanischen Heimat verwurzelt. Seine von den Zeitgenossen hoch geschätzte Musik geriet rasch nach seinem Ableben in Vergessenheit und nur dem Fund des französischen Musikforschers Henri Quittard in der Stadtbibliothek von Tours zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist es zu verdanken, dass seine Werke heute wieder erklingen. Bouzignacs Musik ist von bemerkenswerter Eigenständigkeit und Individualität, eine Musik zwischen Renaissance und Barock, die zwar noch ohne den „neuen“ Generalbass auskommt, aber gleichzeitig in ihrer Affektgeladenheit und dramatischen Eindringlichkeit weit über die übliche Kirchenmusik seiner französischen Zeitgenossen hinausweist.
Das Sächsische Vokalensemble unter Matthias Jung hat nun eine Auswahl von Bouzignacs Motetten mustergültig vorgelegt. Die Stücke folgen keinem einheitlichen formalen Prinzip, auch die Auswahl der Texte ist vielfältig und deutet überwiegend auf einen außerliturgischen Gebrauch. Wir finden Ausschnitte aus der Weihnachtshistorie oder dem Schöpfungsbericht ebenso wie Hohelied-Motetten, Texte zur Passion und Lobgesängen wie Te Deum und Jubilate Deo. Das Changieren zwischen kunstvoller Polyphonie der Spätrenaissance, dialogischem Wechsel zwischen Soli und Chor sowie kraftvollen, homophonen Blöcken von rhythmischer Vitalität als Vorbote einer neuen Musikepoche zeichnet Bouzignacs Motetten deutlich als Musik des Übergangs aus, der es trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – (wie ein Jahrhundert später etwa einem Carl Philipp Emanuel Bach) nicht an persönlicher Kraft mangelt.
Über die Interpretation und Aufnahme kann man nur staunen: Die CD bietet selbst in der bloßen Stereoversion ein fantastisches Klangerlebnis. Leider stand dem Rezensenten keine Surround-Anlage zum Abhören dieser SACD zur Verfügung. Der Produzent Andreas Spreer hat größte Sorgfalt darauf verwendet, die Musik im Real-Surround-Verfahren räumlich zur Geltung kommen zu lassen und hat für fast alle Nummern der CD gesonderte Aufstellungen gewählt, die im Booklet eigens spezifiziert sind. Das Sächsische Vocalensemble ist mittlerweile ein Ensemble von Weltrang. Fast vier Jahrhunderte nach ihrer Entstehung erstrahlen Bouzignacs Motetten wieder in vollem Glanz: in makelloser Diktion, lupenrein intoniert und von betörendem, homogenem Wohlklang.
Heinz Braun
sa-cd.net –
–> Original-Rezension
Als ich zum ersten Mal von Tacets „Real Surround“-Technik las – bei der einzelne Chorstimmen auf separate Lautsprecher verteilt werden –, war selbst ich (als sehr aufgeschlossener Denker in Sachen Mehrkanal-Nutzung) skeptisch.
Doch das Ergebnis ist hier schlichtweg atemberaubend.
Die „Real Surround“-Anordnung der Gesangskräfte variiert von Stück zu Stück, und dank des deutlichen Nachhalls (und vielleicht auch der Abmischung) entsteht stets ein harmonischer Ensemble-Klang.
Die Musik Bouzignacs und die Aufführung auf dieser SACD sind eine Offenbarung.
Wayne Erfling
sa-cd.net –
–> Original-Rezension
Wie wohl bei den meisten Hörern war mir der Name Guillaume Bouzignac bisher unbekannt. Hier sind einige seiner Motetten zu hören (es gibt mindestens fünf weitere, die nicht aufgenommen wurden – die Begleittexte sind hier nicht ganz klar). Daneben existieren auch Chansons und Messen, die ebenfalls eine Aufnahme verdient hätten, wenn diese Musik repräsentativ für sein Schaffen ist.
Normalerweise bin ich skeptisch, wenn ein Komponist nach so langer Abwesenheit von der Bühne wiederentdeckt wird: Wenn die Musik wirklich gut wäre, müsste sie doch längst zum Standardrepertoire gehören? Nun, es gibt Ausnahmen von jeder Regel – und diese Musik ist eine davon. Sie ist wunderschön und faszinierend und schafft es, im Gegensatz zu vielen Werken seiner Zeitgenossen, echte emotionale Tiefen zu erkunden.
Ungewöhnlich für diese Epoche wird die Musik vom Sächsischen Vokalensemble unter Matthias Jung mit einem großen Besetzung strahlend interpretiert. Das ist nicht der Ansatz, den Ensembles wie The Sixteen oder The Tallis Scholars so erfolgreich verfolgen. Dadurch entsteht eine größere Klangfülle und ein weiterer dynamischer Spielraum, als man es sonst aus dieser Zeit gewohnt ist. Ein möglicher Nachteil ist, dass die klangliche Reinheit von nur ein oder zwei Sängern pro Stimme hier etwas verloren geht – auch wenn die Gesangqualität hoch ist, erreicht das Ensemble (noch) nicht ganz das Niveau des Monteverdi Choirs.
Die Programmgestaltung ist sehr clever: Fröhliche Motetten wechseln sich mit nachdenklichen, düsteren Stücken ab, was dem Album ein wunderbar ausgewogenes Gefühl verleiht. Die Solisten sind allesamt Mitglieder des Sächsischen Vokalensembles und durchweg von hoher Qualität. Besonders gelungen ist die abwechslungsreiche Gestaltung der Klangtexturen von Stück zu Stück – ein Merkmal, das die „TACET Real Surround Sound“-Mehrkanal-Schicht voll ausnutzt. Ganze 18 verschiedene Klanganordnungen kommen zum Einsatz! Solche Experimente mögen nicht jeder lieben, doch in diesem Fall machen sie die Texturen für mich besonders klar und lassen die Musik viel besser zur Geltung kommen als in „einfachem“ Stereo. Einfach wundervoll!
Mein einziger Kritikpunkt: Es gibt keine englischen oder französischen Übersetzungen der Motettentexte – nicht einmal auf der TACET-Website.
Ich wünsche mir dringend mehr von diesem Komponisten, diesem Ensemble und von TACET – eine ausdrückliche und uneingeschränkte Empfehlung!
John Broggio
sa-cd.net –
–> Original-Rezension
Guillaume Bouzignac (um 1587 – nach 1643) bleibt bis heute ein mysteriöser Komponist – in Lexika oder Enzyklopädien sucht man ihn vergeblich. Die musikwissenschaftliche Forschung über sein Leben und Wirken ist von Unsicherheiten geprägt, und die Beschäftigung mit diesem Komponisten, dessen Werk zu Lebzeiten Anerkennung fand, gleicht der Auseinandersetzung mit einem echten Rätsel. Besonders im Bereich des Motetts, des Chansons und der Messe entwickelte Bouzignac einen eigenwilligen, unverwechselbaren Stil. In den rund zwanzig hier aufgenommenen lateinischen Motetten verzichtet der französische Komponist auf den Generalbass und setzt stattdessen auf einen fragmentarischen „Dramatismus“.
Bouzignac, der aus dem Languedoc stammte, begann seine Laufbahn an der Chorschule der Kathedrale. Wie Gregor Hermann betont, bot das musikalische Kulturzentrum der Stadt dort etwa einem Dutzend Jungen mit schönen Stimmen Unterricht in Lesen, Schreiben, Latein sowie im gregorianischen Choral und im mehrstimmigen Repertoire der Vokalpolyphonie.
Das Sächsische Vokalensemble, 1996 gegründet und unter der Leitung von Matthias Jung, besticht durch eine atemberaubende Klangschönheit. Die Anmut, die es in diesen Motetten entfaltet, und die vorbildliche Balance verstärken die suggestive Kraft des Gesangs. Auch die klare Artikulation ist lobenswert. Doch was diese Aufnahme unverzichtbar macht, ist die allgegenwärtige Emotionalität, die diese Chorstücke ausstrahlen – sie lässt nicht eine Sekunde nach und bereitet größtes Vergnügen.
Mit dieser SACD in hochwertiger Stereo- oder Mehrkanal-Aufnahme wird es Zeit, einen faszinierenden Komponisten zu entdecken, der noch lange in Erinnerung bleiben wird.
Jean-Jacques Millo
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französischer Originaltext:
Absent des dictionnaires et autres encyclopédies, Guillaume Bouzignac (vers 1587-et après 1643) demeure aujourd′hui encore mystérieux. Les recherches musicologiques sur sa vie et son activité restent nimbées d′approximation et c′est avec le sentiment d′être en face d′une véritable énigme que les musicologues se sont penchés sur un compositeur dont l′œuvre fut reconnue en son temps. C′est dans le domaine du motet, de la chanson et de la messe que Bouzignac s′affirma avec une originalité, un style à part. Dans la vingtaine de motets en latin enregistrée ici, le compositeur français délaisse la basse continue pour un „dramatisme“ fragmenté. Originaire du Languedoc, il débuta sa carrière à l′école de chœur de la cathédrale où, comme le souligne Gregor Hermann, „le centre culturel musical de la ville proposait à une douzaine de jeunes garçons possédant une jolie voix, des leçons de lecture et d′écriture, de latin et de chant pour le choral grégorien et le répertoire à plusieurs voix de la polyphonie vocale“. L′ensemble vocal de Saxe, fondé en 1996, placé sous la direction de Matthias Jung est d′une beauté de timbre époustouflante. La grâce qu′il dégage tout au long de ces motets, au cœur même d′un équilibre exemplaire, renforce la puissance évocatrice du chant. La clarté de l′articulation est également à saluer. Mais ce qui rend cet enregistrement incontournable, c′est l′émotion omniprésente que dégagent ces pièces chorales. Pas une seconde elle ne retombe, pour notre plus grand plaisir. Il est temps, à l′écoute de ce SACD à la prise de son de grande qualité, en stéréo ou en multicanal, de découvrir un compositeur attachant qui hantera longtemps les mémoires.
Jean-Jacques Millo
Audiophile Audition –
Unbekannt bis heute – doch das Warten hat sich gelohnt
Diese prächtig aufgenommene SACD präsentiert die Musik des französischen Komponisten Guillaume Bouzignac (ca. 1587 – nach 1643), der in den südlichen Provinzen Frankreichs geboren wurde und dem die berühmteren Städte wie Paris – Zentren der französischen Hofkultur – fernblieben. Dadurch geriet seine Musik in Vergessenheit, bis sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt wurde. Obwohl die Forschung nur Bruchstücke seines Lebens rekonstruieren konnte, zeigen sich sein Originalität und Talent deutlich.
Offenbar wurde sein Schaffen bereits zu Lebzeiten geschätzt. Seine exzellente Ausbildung in der Provinz führte ihn früh in eine „Singschule“, wo Jungen mit guten Stimmen in Latein, Lesen, Schreiben und den Fächern einer zeitgemäßen geisteswissenschaftlichen Bildung unterrichtet wurden. Sein Aufstieg als Sänger und Musikmeister brachte ihn an verschiedene Kathedralen und bedeutende Musikzentren des Landes. Doch wie „originell“ er von seinen Zeitgenossen wahrgenommen wurde, bleibt fraglich – und sein Leben am Rande des französischen Kulturzentrums mag zu seinem Vergessen beigetragen haben.
Die Musik selbst ist einfach wunderbar. Die Melodien, die sich vom üblichen Kirchenstil der Zeit abheben und von einem stark volkstümlich geprägten Idiom inspiriert scheinen, sind eingängig und hochdramatisch. Sein Umgang mit dem Chor – von großen antiphonalen Wechselgesängen über ungleich besetzte Ensembles bis hin zu herausragenden Solokombinationen – ist mitreißend und äußerst wirkungsvoll. Zwar klingt diese Musik nicht nach den revolutionären Strömungen, die bald Europa erobern würden, doch sie hat ihre eigenen Definitionen, Maßstäbe und eine außergewöhnlich ausdrucksstarke Sprache.
Tacet wirbt mit echtem 5.1-Sound, und tatsächlich fühlt man sich wie inmitten einer akustisch perfekten Kathedrale. Der Chor ist exzellent, mit großer Hingabe und Geist bei der Interpretation. Die Begleittexte sind sehr gut, auch wenn die Übersetzung der lateinischen Texte nur auf Deutsch vorliegt – ein halber Stern Abzug. Und wer keine SACD-Anlage besitzt: Kein Problem, die Aufnahme klingt auch über Kopfhörer großartig.
Steven Ritter
Platte 11 –
Wer war Guillaume Bouzignac? Geboren wurde er um 1587 im Languedoc, vermutlich ausgebildet an der Chorschule der Kathedrale von Narbonne, danach war er als Sänger und Komponist im gesamten Süden Frankreichs unterwegs, gestorben ist er nach 1643. Seine Werke sind ausschließlich handschriftlich überliefert und wurden erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch Manuskriptfunde wiederentdeckt. Bouzignacs Einzigartigkeit liegt darin, dass er der kunstvollen Mehrstimmigkeit der Chormusik in der späten Renaissance einen großen dramatischen Ausdruck erschlossen hat.
Dafür trennt er den Chor in Gruppen auf, die miteinander kommunizierten – nicht „kommunizieren“ im Sinne der Verflechtung und Verwebung von mehreren Stimmen wie es für polyphone Chormusik nun mal typisch ist, sondern ganz konkret, indem die Gruppen die wörtliche Rede biblischer Figuren vortragen. Auf diese Weise beschwört Bouzignac dramatische Szenen mit lebendigen Dialogen herauf. Aber er konnte auch anders: In Anbetracht der schlichten Schönheit eines Chorsatzes wie Beati mortui scheint die Welt für einen Moment still zu stehen, Tota pulchra est klingt schwerelos und überirdisch schön. Wer also war Guillaume Bouzignac? Das Sächsische Vocalensemble unter der Leitung von Matthias Jung lässt uns sicher sein: ein Genie, mindestens so bedeutend wie Carlo Gesualdo (1566-1613). Ich habe nur den Stereo-Ton der Mehrkanal-SACD gehört. Aber gerade bei dieser Musik liegt der Gedanke nahe, dass die Mehrkanal-Aufnahme Bouzignacs eigenen Klangvorstellungen womöglich näher kommt…
Heinz Gelking
Musik an sich –
–> Original-Rezension
Mit Engelzungen
(…) Das Sächsische Vokalensemble unter der Leitung von Matthias Jung musiziert 22 Motetten, darunter zahlreiche Neuheiten.
Dass sich das Ensemble für eine reine Vokalbesetzung entschieden hat, betont zunächst die retrospektiven Momente der Musik, lässt einen aber dafür Bouzignacs Konzeption in besonderer Reinheit erleben. Ein besonderer Clou der Produktion ist nämlich die von Stück zu Stück wechselnde Aufstellung der Stimmgruppen, wobei die ausgefeilte Klangregie erst im Surround-Sound ihre ganze Wirkung entfaltet. Man fühlt sich mittendrin im himmlischen Getümmel.
Doch auch stereo ist diese sinnliche Darbietung von höchster Qualität, zumal das Klangbild in Punkto Wärme und Körperlichkeit keine Wünsche offen lässt. Das Sächsische Vokalensemble, das über knabenhaft schlanke Soprane verfügt, singt mit Engelzungen, lupenrein und schwerelos. Wie schon bei Christie ist das für hohe Stimmen gesetzte Tota pulchra est von schwer erträglicher Schönheit. Vorteilhaft unterstreichen die im Vergleich mit der älteren Aufnahme etwas schnelleren Tempi in den Dialogmotetten die Dramatik der Musik. Gesungen wird übrigens in „normalen“, nicht in französisiertem Latein („sanctüs dominüs“). Vorzüglich ist auch der Begleittext von Gregor Hermann. (…)
Georg Henkel
Sächsische Zeitung Dresden –
Ein Sternenaufgang
Das Vocalensemble singt meisterliche Motetten von Bouzignac auf CD und beim Konzert in Dresden
„Matthias Jung und sein Sächsisches Vocalensemble setzen mit dieser Surround-CD nicht nur wegen des überragenden Klanges einen Meilenstein. Mehr als 13 Jahre nach Les Arts Florissants mit Schneebelis Pages de la Chapelle hat sich abermals ein Weltklasse-Ensemble tiefgründig mit dem wenig bekannten, rätselvollen Franzosen Guillaume Bouzignac befasst. Wohl um 1587 geboren, war er nachweislich 1604 Chorknabe in Narbonne und später „Maître de Musique“ an den Kathedralen von Grenoble, Rodez und Clermont-Ferrand. Da er weder für den König tätig war noch vom Druckmonopolisten Ballard verlegt wurde, sank er bald in Vergessenheit – bis 1905, als in Tours ein Skript mit Motetten entdeckt wurde. Vor 50 Jahren tauchten dann in Paris weitere Stücke von ihm auf. Doch nur zögerlich wagten sich die Fachleute an diesen suggestiven Einzelgänger.
In einzigartiger Weise hat Bouzignac Zitate aus den Evangelien herausgelöst und zu dramatischen Gesprächen montiert. In Motetten wie „Ave Maria“ und „Dum silentium“ lässt er den Erzengel die Fragen Marias oder der Hirten beantworten. Diese berührenden Dialoge erklingen als Wechselgesang von Solisten und Chor. Typisch für Bouzignac ist auch seine Neigung zur Ritornellform. Echohaft umschmiegen einander in „Tota pulchra es“ die sich variiert wiederholenden Zeilen für drei Soprane und ein Alt. Das ist von überirdischer Anmut, vor allem wenn es von so reinen Stimmen, so silbrig, luftig und klar dargeboten wird wie hier. Und das bedeutet es ja auch: „Vollkommen schön bist du“.
Schauer der Wonne“
Ein Erlebnis ist das bereits im Zweikanal-Stereo, das die vom audiophilen Label TACET produzierte SACD im gängigen CD-Spieler anbietet. Im Fünfkanalton über eine Surround-Anlage erzeugt diese Aufnahme aus der Bautzner Michaeliskirche von Beginn an Schauer der Wonne und Erregung – wir sitzen scheinbar zwischen den Engeln und unter ihnen!
Wenn am Sonntag in Dresdens Dreikönigkirche Solistin Dorothea Wagner und ihr 1996 gegründeter Chor das himmlische „Stella refulgit“ anstimmen und der „Stern erstrahlt“ und Sie meinen, das so noch nie erlebt zu haben – seien Sie versichert: Sie täuschen sich nicht! Denn diesen Stern Bouzignacs haben Matthias Jungs 30 Sänger ganz neu aufgehen lassen.
Jens-Uwe Sommerschuh
Sächsische Zeitung Dresden –
Es ist nicht einfach eine Entdeckung, sondern zudem ein ganz großes Fest für die Ohren: Das Sächsische Vocalensemble unter Leitung von Matthias Jung hat Motetten des wenig bekannten französischen Komponisten Guillaume Bouzignac (1587 – 1643) in der Bautzener Michaeliskirche aufgenommen. Am 1. Juli folgt das Konzert zur CD in der Dresdner Dreikönigskirche. Und diese CD hat wahrlich ein Festkonzert verdient. Brillant interpretiert, entfalten die Motetten einen Glanz, der berauscht und sofort süchtig macht.
Fazit: Einfach großartig.
(SZ/ada)