226 CD / Wolfgang Amadeus Mozart
Beschreibung
Diese CD von Evgeni Koroliov gibt eine neue und gleichzeitig alte Antwort auf die Frage, welchen Sinn es heute immer noch hat, Platten mit hundertfach aufgenommenem Repertoire herauszubringen. Mozart KV 330 usw., da rollt mancher einer wohl die Augen. Aber nur solange, bis die ersten Töne erklingen! So war diese Musik noch nie zu hören. Das Handy sinkt herab, die Maus bleibt stehen. Die Ohren wollen zuhören. Etwas von dem täglichen, quälenden Druck löst sich. Die Zeit verstreicht. – Man schaut ihr dabei zu und freut sich daran. Ist es nicht das, was Musik eigentlich immer tun soll?
Bei allem Vergnügen vergisst man sogar, dass das nicht irgendeinem Pianisten zu verdanken ist und wie raffiniert es geschieht. Evgeni Koroliov heischt nicht nach Anerkennung. Ganz unaufgeregt nimmt er uns bei der Hand und zeigt uns auch die verborgenen schönen Ecken in Mozarts Musik.
5 Bewertungen für 226 CD / Wolfgang Amadeus Mozart
Du mußt angemeldet sein, um eine Bewertung abgeben zu können.
Fanfare Magazin –
Im Jahr 1781, als der Diener des Erzbischofs von Salzburg Mozart mit einem „Tritt in den Hintern“ entließ, wie Mozart seinem Vater berühmt schrieb, fand er sich überglücklich in dem musikverrückten Wien wieder. Doch wie ein heutiger Vater, dessen Sohn einen festen Job bei einem Hedgefonds aufgibt, um sein eigenes Start-up zu gründen, machte sich Leopold Sorgen. Sichere musikalische Anstellungen wurden weniger zahlreich; das launische Wiener Publikum konnte mal warm, mal kalt sein; und öffentliche Abonnementskonzerte, damals der Standardmodus, waren Glückssache. Die genialen Klaviersonaten und Konzerte, die aus Mozarts Vorstellungskraft strömten, verraten heute nicht, ob sie in guten oder schlechten Zeiten entstanden sind. Die Sonaten haben jedoch gemeinsam, dass sie für private Aufführungen vor einem gebildeten Publikum gedacht waren. Es ist überraschend zu erfahren, dass auch zu Beethovens Zeit private Einstellungen dominierten. Er hörte nur eine seiner 32 Klaviersonaten öffentlich aufführen.
Die Sequenz der drei Sonaten, die als K 330–332 katalogisiert sind, wird von der mittleren, K 331, und ihrem Rondo alla turca-Finale überschattet, aber die erste in der Serie, Sonate Nr. 10, ist beliebt genug, um in einem Film namens Sparky’s Magic Piano vorgestellt zu werden. Es würde der Theorie der musikalischen Evolution helfen, wenn wir darauf hinweisen könnten, wie sehr Mozart nach seiner Ankunft in Wien herausgefordert wurde zu wachsen, wo versierte Pianisten zahlreich vertreten waren. Tatsächlich war die Datierung dieser Sonaten in Zweifel gezogen worden. Zuerst wurden sie Ende der 1770er Jahre in Paris zugeschrieben, und obwohl das festgelegte Datum jetzt 1783 ist, ist nicht sicher, ob Mozart sie in Wien oder bei einem Besuch in Salzburg schrieb, um seine Frau Constanze Leopold vorzustellen.
Für Zuhörer ist die Musikologie dieser Stücke weniger wichtig als der Aufführungsstil, und die wichtigste Trennlinie verläuft zwischen der historischen Aufführungspraxis und dem hartnäckig überlebenden traditionellen romantischen Stil. Mozarts Verleger bewarb diese Sonaten als geeignet für „clavecin ou piano“, was auf das Nebeneinander von Cembalo und Fortepiano hinweist. (Beethoven wäre der erste Komponist, bemerken seine Biografen, der sich ausschließlich auf das Klavier konzentrierte.) Ein Interpret mit historischer Neigung kann jeden Ausdruck vermeiden, der nicht von Mozart markiert ist, und sich auf das Fehlen von Diminuendo, Crescendo und Legato des Cembalos verlassen. Historisch gesehen setzte sich das Klavier aufgrund dieser Merkmale durch, was Raum für sehr ausdrucksstarken Mozart lässt, den er trotz allem erkannt haben könnte.
Der in Moskau geborene Pianist Evgeni Koroliov liefert kühles, autoritäres Spiel, das etwas überrascht, wenn man bedenkt, dass seine umfangreiche Diskografie – dies ist Band 18 in Tacets Koroliov Edition – so viel Bach enthält. Der jetzt 68-jährige Koroliov lebt seit 1978 als Lehrer in Hamburg und obwohl er kaum Crescendo oder Diminuendo verwendet, bevorzugt er auch kein leichtes Staccato. Wenn warme Klangwellen über einen hinwegrollen, kann man leicht die Augen schließen und sich vorstellen, man höre Claudio Arrau. Die einzige Konzession an den historischen Stil, die ich hören konnte, liegt in Koroliovs perfekt gleichmäßigem Anschlag, der dank seiner Musikalität nicht mechanisch wird.
Bei der Überprüfung von Koroliovs erster Mozart-Sonaten-Aufnahme aus dem Jahr 2007 auf Profil bemerkt Burton Rothleder die gleichen Eigenschaften: „Sein Ansatz zu Mozart liegt näher an dem von Daniel Barenboim als an dem von András Schiff oder Mitsuko Uchida, das heißt, es gibt eine deutliche Beethoven-Komponente in seinem Angriff“ (Fanfare 30:6). Das reicht aus, um Ihnen zu sagen, ob Ihnen dieses gelungene Recital gefallen wird oder ob Sie den Kopf schütteln. Die frühere Scheibe enthielt die Sonate Nr. 11, aber die beiden sie umgebenden sind ebenso schön, anmutig und melodisch. Komplexer und ehrgeiziger ist die Sonate Nr. 13, K 333, die uns das Programm informiert, ist ihrem Finale fast einem Konzert ähnlich, mit einer kurzen Kadenz. Tatsächlich konnte ich mit diesem Kommentar im Hinterkopf praktisch das Orchesterbegleitement zu einem hinreißenden Solopart hören, der in die Domäne des professionellen Pianisten außerhalb des Salons vordringt.
Nach dem Wunderjahr 1784 stieg Mozarts Klavierschreiben auf ein unübertroffenes Niveau, und Koroliov präsentiert uns zwei kontrastierende Rondos, die gleichermaßen meisterhaft sind – das fröhliche Rondo in D-Dur, K 485, das von Mozart eigentlich nicht als Rondo aufgeführt wird und eher mit einem Sonatensatz verwandt ist, sowie das erhabene Rondo in a-Moll, K 511, ein suchendes Andante, das das tut, was normalerweise der frühen Beethoven zugeschrieben wird: innerhalb des klassischen Modus zu bleiben, sich jedoch in kühnere Bereiche von Gefühl und Harmonie auszudehnen. Koroliovs Beethovenische Seite wird hier nicht übertrieben, in zwei Lesungen, die musikalisch recht befriedigend sind, wie alles andere im Programm. Ausgezeichneter Klang und lesbare Programmanmerkungen.
Huntley Dent, Fanfare
Pizzicato –
–> zum Originalartikel
Koroliov mit feinem differenziertem Mozart
Evgeni Koroliovs ältere Mozart-Aufnahmen haben wir in bester Erinnerung, und so sind diese neuen Interpretationen keine Überraschung. Die Leichtigkeit des Spiels, das Raffinement des Anschlags, die feinstgesteuerte Agogik, Präzision und Transparenz der Artikulation, die Klangschönheit, all das zeigt den Pianisten in diesem Programm von seiner besten Seite. So hören wir einen sehr differenzierten Mozart mit schöner Virtuosität in den Ecksätzen und viel Ausdruckskraft in den langsamem Sätzen, einen Mozart, der kontinuierlich zum Hörer spricht und ihm viel zu erzählen weiß.
Remy Franck, Pizzicato
Concerti –
–> zum Originalartikel
Mozarts Seelenlandschaft –
Evgeni Koroliov besticht als pianistischer Reiseführer ins Mozart-Glück
Evgeni Koroliov ist vielleicht der lauterste, ernsthafteste unter den bedeutenden Pianisten unserer Zeit. Äußerliches Virtuosentum ist dem Russen, der auch eine Professur an der Hamburger Musikhochschule innehatte, ein Graus – was seine große Kunst dagegen ausmacht, zeigt diese CD mit den drei Mozartsonaten KV 330, 332, 33 und den Rondos KV 485 und KV 511 aufs Schönste. Koroliovs berückende Oberstimmenkultur, die Balance des Klangs, sein Sinn für Form und Maß sind ihm dabei nur Mittel zum Zweck. Er fungiert hier, bildlich gesprochen, als kundiger Reiseführer in die mozartschen Seelenlandschaften, dem man sich als Hörer rückhaltlos anvertrauen kann. Heiterkeit und Tragik, Witz und Melancholie erscheinen dabei nicht nur als Facetten des mozartschen Genius, sondern als Ausdruck einer umfassenden Humanität. Ein seltenes, pures Mozart-Glück, nicht zuletzt auch dank der exzellenten Aufnahmetechnik.
Frank Armbruster für Concerti
Klassik heute –
–> zum Originalartikel
Mozarts musikalisches Denken ist geprägt durch das Theater. Sein versierter Umgang mit der Oper bereits in sehr jungen Jahren hat maßgeblichen Einfluss auch auf die Instrumentalkompositionen: Charakterisierung von Themen und eine wirklich besondere Qualität des „Timings“ sind trotz der ja einigermaßen strengen Formvorgaben etwa des Sonatensatzes immer auch theatralisch zu verstehen – anders als noch bei Haydn. Dies gilt ganz besonders für Mozarts ureigenstes Instrument, das Klavier. Sind die Klavierkonzerte ganz offensichtlich „Inszenierungen“ für ein größeres Publikum, so sind seine Sonaten zwar für einen intimeren Rahmen bestimmt, aber in ihrer Plastizität und Lebendigkeit doch nicht weniger bühnenmäßig. Die vorliegenden Sonaten der ersten Wiener Jahre (1781-83) entstanden unzweifelhaft für vor allem weibliche Klavierspielerinnen als Zielgruppe. Dies mag als Legitimation für eine ganz und gar durch Empfindsamkeit bis Koketterie geprägte Interpretation gelten, wie sie etwa Mitsuko Uchida vorgelegt hat (Philips), die daraus tatsächlich „Mädchenstücke“ macht, aber dies wird deren Bedeutung dann nur teilweise gerecht.
Evgeni Koroliov wählt einen anderen Ansatz: Bei ihm weist manches bereits auf Beethoven hin, ohne allerdings den für dessen Klaviersonaten typischen klanglichen Gestus schon vorwegzunehmen. Koroliovs Anschlag bleibt stets durchsichtig und hat die für Mozart nötige Leichtigkeit, dabei eine staunenswerte rhythmische Präzision (Triller!), ohne je im Staccato spitz zu klingen (wie Ingrid Haebler auf Denon). Dies wird aber nie computerhaft steril, obwohl ich gerade im Hinblick auf großräumige Tempokonstanz seit Swjatoslaw Richter nichts ähnlich Beeindruckendes mehr gehört habe. Nichts wirkt stereotyp – alles bleibt hochdifferenziert und Agogik findet in organischster Weise auf allerkleinstem Raum statt. In den an Kontemplation und Ausdruckstiefe bereits an Mozarts Spätwerk heranreichenden langsamen Sätzen (B-Dur Sonate) sowie den virtuoseren Passagen (3. Satz der F-Dur-Sonate) öffnet Koroliov dem Hörer aber schon mal die Ohren für das Zukünftige der Wiener Klassik. Hier darf auch packender Zugriff und Brillanz nicht fehlen – ein modernes Instrument bietet halt auch diese Möglichkeiten.
Neben den drei Sonaten enthält die Einspielung noch die beiden Rondos KV 485 u. KV 511, nicht zu unterschätzende Werke von 1786/87, die natürlich ebenso gut gelingen. Ich könnte hier noch über viele Details meine Begeisterung zum Ausdruck bringen – nur so viel: Die 75 Minuten dieser CD gehen viel zu schnell vorbei und gestalten sich so unterhaltsam und vielschichtig, dass ich mit Sicherheit nicht der Einzige sein werde, der die Aufnahme gleich mehrfach hintereinander anhören mag. Das ist Mozart in Vollendung und hebt sich deutlich vom musikalischen Einerlei ab, das gerade bei diesem Komponisten leider allzu oft dargeboten wird – daher die Höchstbewertung.
Auch aufnahmetechnisch kann die Aufnahme überzeugen: Die Jesus-Christus-Kirche in Berlin-Dahlem ist schon fast ein Garant für ein gelungenes Klangbild, allerdings erscheint der Steinway-Flügel – aus welchen Gründen auch immer – nicht mittig, sondern leicht nach links versetzt.
Ein paar wichtige Mozart-Klaviersonaten fehlen noch in Evgeni Koroliovs Diskographie – man darf also hoffen.
Martin Blaumeiser
Audio 10/2016 –
Nach seinen Einspielungen der Sonaten von Beethoven und Schubert hat der russische Pianist Evgeni Koroliov seinen TACET-Katalog jetzt mit Mozert erweitert. Seine Interpretationen der Sonaten und Rondos sind von Ernsthftigkeit, Durchdachtheit und Natürlichkeit geprägt. Nichts stört den Fluss der Themen oder die Beweglichkeit der Formen und Proportionen, und die Akustik der Jesus-Christus-Kirche in Berlin ermöglichte ein Klangbild, das sich durch Räumlichkeit und detaillierte Abbildung gleichermaßen auszeichnet. Diese Aufnahme ist ein wundervolles Argument dafür, Mozart auf einem modernen Konzertflügel zu spielen.
Andreas Luczewicz, Audio