227 CD / The Koroliov Series Vol. XIX. Maurice Ravel: Works for piano
Beschreibung
Evgeni Koroliov gehört nicht zu den Musikern, die sich mit Vorliebe um Werke kümmern, die bisher noch nicht aufgenommen wurden. Seine Spezialität besteht darin, in bekannten Werken Neues zu entdecken. Das gilt auch für diese Ansammlung von Stücken Maurice Ravels. Ohne jede Extravaganzen taucht er in die Noten ein. Nichts fügt er dem reinen Notentext hinzu. Dennoch bringt Koroliov es fertig, dass uns die Stücke immer wieder neu erscheinen. In Ma Mère l’Oye ergänzt Ljupka Hadžigeorgieva kongenial diesen Nachschöpfungsprozess.
6 Bewertungen für 227 CD / The Koroliov Series Vol. XIX. Maurice Ravel: Works for piano
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Fono Forum –
Hat eigentlich je ein Pianist ein Ravel-Recital mit dem letzten der „Miroirs“ begonnen? Oder aus dem „Gaspard“ nur den „Galgen“ ausgewählt und die Gipfel der Hochleistungspianistik vom „Scarbo“ bis zur „Alborada“ gleich ganz ausgelassen? Wer Klavier spielt wie Evgeni Koroliov wird kaum die Unterstellung zu fürchten haben, diese seien ihm zu schwer.
Seine eigentümliche Dramaturgie scheint strukturellen Bezügen nachzuspüren. Ich habe nie zuvor wahrgenommen, dass die „Oiseaux tristes“ und der hier unmittelbar folgende „Gibet“ nicht nur mit der exakt gleichen rhythmischen Keimzelle beginnen, sondern auf dem gleichen Des. Oder, verborgener, die „Sonatine“ mit dem identischen Motiv wie das „Vallée des cloches“.
Aber bei musikologischer Beziehungs-Alchemie bleibt Koroliov nicht stehen. Er will Wesentlicheres zeigen. Die Palette ist auf durchescheinendes grau-in-grau reduziert. Farbig-Stimmungshaftes ist sehr zurückgenommen. An diesen extrem präzise geknüpften Silberdrahtgespinsten mag kein Kolorit und keine programmatische Idee mehr haften, und so sind die außermusikalischen Bezüge ziemlich ferngerückt, sei es fernes Glockenbimmeln, seien es Vogelklagen.
Dieses Klangbild legt die clavecinistischen Wurzeln dieser Musik frei, die Couperin mehr verdankt, als man meistens hört, und spielt gelegentlich sehr raffiniert mit einer Übersetzung des Notentextes in die stilistische Sprache des Cembalos. Die kleinteiligen dynamischen Ereignisse verwandelt Evgeni Koroliov ins agogische, als stehe im das Potenzial des Flügels nur begrenzt zur Verfügung: Aus einem Decrescendo wird eine winzige Verlangsamung, Akzente oder Expresiv-Bezeichnungen verwandeln sich in subtile Desynchronisationen der Hände. Solche allgegenwärtigen, zarten Verschiebungen beseelen das Mechanische. So findet Koroliov zur magischen Kunst Ravels, der unbelebten Welt der Dinge Leben einzuhauchen.
Matthias Kornemann, Fono Forum
Piano News –
Evgeni Koroliovs Bach-Aufnahmen haben beinahe einen Kult-Status erreicht. Das mag an seiner enormen Konzentrationsfähigkeit liegen – das Werk, das er spielt, begreift er in seiner Ganzheit und nimmt es mit mönchischer Strenge ins Visier, mit höchster Genauigkeit gibt er das Notenbild wieder und besitzt gleichzeitig größtes musikalisches Gefühl und enormen Ausdruck. Das gilt hier ebenso für Ravels Klavierwerke: Koroliovs Spiel ist so präzise, macht Ravels harmonische und pianistische Fortschritte durche ein stets wechselndes und immer passendes Klangspektrum deutlich, führt die neue und nie gekannte Dichte der Satztechnik vor Augen, verwendet eine sparsame und unhörbare Pedalisierung. Sprung- und Repetitionstechniken (La vallée des Cloches), die Ravels Musik neu definierten, sind so mühelos in das Klanbild eingewochen, dass man bei Koroliov die perfekte technische Grundlage seines Spiels für selbstverständlich nimmt. Auch im Duo mit seiner Frau Ljubka Hadzigeorgieva erreicht der Klang (in Laideronette oder Le jardin féerique aus Ma mère l’oye) eine selten gehörte Farbigkeit und Bildgewalt. Die Werkwahl greift insbesondere auf diese sphärischen, schwebenden, märchenhaft-verspielten Werke – doche eben in dieser langsamen, weichen, leisen, kontemplativen Grundstimmung liegt eine Stärke des Pianisten. Impressionistisch – „beeindruckend“ im wörtlichen Sinn – ist diese Klangkultur. Für Ravel ist diese eine echte Referenzaufnahme.
Isabel Fedrizzi, Piano News
Diapason Magazine –
[Automatische Übersetzung – französischer Originaltext siehe unten]
Wie einst Richter spielt Koroliov bei Gaspard de la nuit nur Le Gibet. Hoffen wir, dass er im Gegensatz zu seinem illustren Vorgänger Scarbo nicht als eine Art Kopie der Mephisto-Walzer Nr. 1 von Liszt betrachtet. Er zerlegt auch die Miroirs, was Richter nicht getan hat – nur Oiseaux tristes und La Vallée des cloches entgehen der Plünderung. Die Anmerkung gibt keine Erklärung für diese persönliche Auswahl preis. Der Pianist wagt sich in die Langsamkeit: La Vallée des cloches gewinnt eine hartnäckige Tiefe, Le Gibet eine eisige Unbeweglichkeit. Man hört seltene Dinge in den absteigenden Akkorden dieser makabren Seite überhaupt. Es ist hervorragend gemacht, auch wenn man vielleicht expressivere Interpretationen bevorzugen kann (Ravel wechselt in der Partitur zwischen „expressif“ und „sans expression“), vielleicht sogar expressionistische – à la Pogorelich. Bei 1’57“ beginnen die Oiseaux tristes ein Motiv beharrlich, das Echo finden wird: Bei Koroliov ist alles überlegt, nichts wird dem Zufall überlassen. Diese Klavierbeherrschung kommt in den Valses nobles et sentimentales zum Ausdruck, einem Gebäude aus den raffiniertesten Edelsteinen, dessen kontinuierliche Bewegung es ihm ermöglicht, tausendfach zu glänzen. Sie erfordern zu bestimmten Zeiten etwas Mut, was die Aufführung delikat macht. Das fehlt ein wenig in der vorletzten Stück. Aber welche Intelligenz des Textes, besonders in der linken Hand (zwei Noten treten hübsch in der sechsten Walzer hervor, während exquisite Details die nächste durchziehen). Es gibt einige Nuancen (in der ersten), ein sehr leichtes Rubato, das mit genügend Kunst gemacht ist, damit die von Ravel vorgeschriebene Aufrichtigkeit dennoch stattfindet. In der letzten, die die vorherigen rekapituliert, möchten wir, dass Koroliov sich mehr Zeit nimmt, dass er die unerhörten Harmonien genießt, die Stimmen, die sich zu einem phantasmagorischen Ballett vermischen, dass er einfach träumt und uns mit sich mitnimmt.
Die Umsetzung von Ma Mère l’Oye, im vierhändigen Spiel mit Ljupka Hadzigeorgieva, ist ebenfalls bemerkenswert. Die Klangeffekte von Laideronnette sind willkommen, man könnte meinen, man hört Gamelans – sehr verführerischer Mittelteil. Das glücklicherweise ruhige Tempo ermöglicht eine köstlich sorgfältige Interpretation. Die Pavane pour une infante défunte gewinnt viel durch diese Goldschmiedearbeit.
Bertrand Boissard, Diapason Magazine
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Comme Richter naguère, Koroliov ne joue de Gaspard de la nuit que Le Gibet. Espérons que contrairement à son illustre aîné, il ne considère pas Scarbo comme une sorte de décalque de la Méphisto-Valse no 1 de Liszt. Il désosse également les Miroirs, ce que ne faisait pas Richter – seuls Oiseaux tristes et La Vallée des cloches échappent à la curée. La notice ne livre aucune explication sur cette sélection personnelle. Le pianiste ose la lenteur : La Vallée de cloches en retire une profondeur entêtante, Le Gibet une immobilité glacée. On entend des choses rares dans les accords descendants de cette page macabre entre toutes. C’est supérieurement réalisé, même si on peut préférer des lectures plus expressives (Ravel alterne dans la partition les mentions « expressif » et « sans expression »), voire expressionnistes – façon Pogorelich. A 1’ 57’’, les Oiseaux tristes entament un motif avec insistance, qui va entrer en écho avec ce qui suit : tout est réfléchi chez Koroliov, rien n’est laissé au hasard. Cette maîtrise du clavier éclate dans les Valses nobles et sentimentales, édifice constitué des gemmes les plus raffinées et dont le mouvement continu lui permet de briller de mille feux. Elles nécessitent à certains moments du panache, ce qui en rend l’exécution délicate. C’est ce qui manque un peu dans l’avant-dernière pièce. Mais quelle intelligence du texte, notamment à la main gauche (deux notes ressortent joliment dans la sixième valse, tandis que des détails exquis parsèment la suivante). On relève quelques inflexions (dans la première), un très léger rubato, fait avec suffisamment d’art, pour que la franchise prescrite par Ravel soit malgré tout au rendez-vous. Dans la dernière, récapitulative des précédentes, on aimerait que Koroliov prenne davantage son temps, qu’il savoure les harmonies inouïes, les voix qui se mêlent en un ballet fantomatique, qu’il rêve tout simplement, et nous transporte avec lui.
La réalisation de Ma Mère l’Oye, à quatre mains avec Ljupka Hadzigeorgieva, est elle aussi remarquable. Les effets sonores de Laideronnette sont bienvenus, on croirait entendre des gamelans – très séduisant passage central. Le tempo heureusement tranquille permet de se repaître d’une interprétation superbement méticuleuse. La Pavane pour une infante défunte gagne beaucoup à ce travail d’orfèvre.
Bertrand Boissard, Diapason Magazine
Audio –
„Große Musik muss stets aus dem Herzen kommen“ – diesem Leitsatz von Maurice Ravel wird der brillante russische Pianist Evgeni Koroliov mit seiner neuen CD (Folge 19 in seiner Serie für das Stuttgarter Label TACET) vollkommen gerecht. Er vereint Präzision und Emotion, spürt dem Gefühlsleben des Komponisten nach. Seine erstklassigen Darbietungen umfassen die Zyklen „Ma mère l’oye“ (ein Werk für vier Hände, das Koroliov mit seiner Ehefrau Ljupka eingespielt hat) und „Valses nobles et sentimentales“ sowie die Sonatine und vier sorgfältig ausgewählte Einzelsätze. Auch das feine audiophile Klangbild spiegelt Ravels Seelenwelt trefflich wieder. Ein wahrhaft famoses Album!
Andreas Lucewicz, Audio
Klassik heute –
–> zur Originalkritik
Evgeni Koroliov ist ein Meister des Klangs, ja ein Klangzauberer. Die CD mit Klavierstücken von Maurice Ravel lässt dies aufs Schönste hören. Magisch zieht seine feine Anschlagskunst den Hörer in den Bann. Die langsamen Sätze aus Miroirs und Gaspard de la nuit entfalten nicht nur verlockenden Schönklang, sondern bieten auch Höchstspannung, die aus Intensität und Genauigkeit erwächst. Beim Hören meint man zu sehen, wie Koroliov jeden Ton den ihm eigenen verlangten Klang gibt und alle Einzeltöne zu einem betörenden Spinnennetz knüpft, in dem man sich nur zu gern dem wohligen Schauder hingibt. Gleichzeitig ist alles so transparent wie ein Spinnennetz in der Herbstsonne, so hört man in Le Gibet jeden Akkord heraus und doch auch gleichermaßen alles im Gesamtklang.
Die frivol-müde und morbide Harmonik der Valses nobles & sentimentales adelt er mit Noblesse und Klangversunkenheit, ja –besessenheit und einer rhythmischen Gestaltung, die sowohl die elegische oder kapriziöse Überreife und die rhythmischen Verschleifungen als auch den trivialen Schwung des Walzers beherrscht. Koroliov nimmt alles, was er spielt, ernst und nicht als bloßes Mittel zur Virtuositätsdemonstration. Er zeigt, dass er nichts mehr zeigen muss. Bei ihm gibt es keine „renommierende Bengelei“, wie Heinrich Heine über reine Virtuosen spottete.
Klarheit und Klangfinesse zugleich strahlen auch aus jeder Note der Sonatine, deren Menuet scheint zu kreisen und schwerelos zu schweben, vibrierende Lebendigkeit durchzittert den Finalsatz. Und auch der so salongerechten Pavane verleiht Koroliov künstlerischen Ernst.
Zusammen mit seiner Frau Ljupka Hadžigeorgieva bildet Evgeni Koroliov das schon langjährig zusammenspielende Duo Koroliov. Sie klingen wie ein einziges Klavier in Ma mère l’oye, völlig im klanglichen und rhythmischen Einklang. Mit Schmunzeln hört man die Porzellanfigürchen tanzen, da liegt liebende Ironie mit im Spiel..
Rainer W. Janka, klassik-heute.de
Pizzicato –
–> zur Original-Kritik
Ravels ‘Ma mère l’oye’ beinhaltet den Satz ‘Le jardin féerique’. Evgeni Koroliov scheint diesen Märchengarten auf das ganze Programm dieser CD auszudehnen, mit der er eine Welt der Poesie, der Schönheit und des Raffinements in unsere Ohren zaubert. Gewiss, das zusammengestellte Programm fördert diesen Eindruck, aber viele andere Pianisten haben in den gespielten Werken nicht jenen Grad an verinnerlichter Reflektivität erzielt wie Koroliov, nicht jenen Abstand vom Sujet gewonnen, um die Musik nicht programmlich-narrativ, sondern impressionistisch werden zu lassen. Das gilt vor allem für die vom ‘Duo Koroliov’ (Ljupka Hadzigeorgieva ist die Frau des Pianisten) gespielte Suite ‘Ma mère l’oye’. Und um die Stimmungen und Empfindungen zu verdeutlichen, benutzen die Koroliovs nicht nur eine unvergleichlich feine Anschlagstechnik, sondern auch Farben, die quasi jeder Note einen eigenen Farbwert geben.
Das Raffinement kulminiert in der ‘Pavane pour une infante défunte’. Hier sind es nicht nur die Farben, sondern die feinstregulierten dynamischen Nuancen, die in einer vollendeten Mischung aus dunklen und lichten Gedanken faszinieren.
Diese Ravel-Platte verdient einen Ehrenplatz in jeder Sammlung. Sie ist pure Magie und ein Seelenbalsam in unserer krisengeschüttelten Zeit: die reine Schönheit, es gibt sie noch!
Remy Franck, Pizzicato