228 CD / The Koroliov Series Vol. XX. Late Piano Works by Ludwig van Beethoven
Beschreibung
Obwohl Beethovens Opuszahlen bis op. 135 reichen, erschien nach op. 111 keine Klaviersonate mehr. Stattdessen ein Variationenzyklus von fast einer Stunde Dauer über ein einfaches Thema von Anton Diabelli, der den Hörer in so entfernte Stimmungen mitnimmt, dass ihm schon nach der ersten Variation egal ist, was da als Thema dient, es ist ja doch alles unverkennbar Beethoven. Außerdem zwei Zyklen mit „einfachen“ Klavierstücken unter der Überschrift „Bagatellen“. Also kleine, unwichtige Sachen, Nichtigkeiten, bei denen man unwillkürlich an viel spätere romantische Komponisten denkt. Und schließlich vergab der sonst so selbstkritische Beethoven seine vorletzte Opuszahl op. 134 für einen „einfachen“ Klavierauszug der Großen Fuge op. 133! Wie passt das alles zusammen?
Offensichtlich wurde ihm der Rahmen der klassischen Formvorgaben zu eng. Diente diese vorgebliche Einfachheit einem Ziel? Der allerletzte Satz des allerletzten Opus, wiederum ein Streichquartett op. 135, ist auf den Text „Muss es sein? – Es muss sein!“ komponiert. Verfolgte Beethoven mit seinen letzten Opera gar einen übergeordneten Bauplan? Oder hat sich alles einfach nur so ergeben? Finden Sie es heraus! Dafür wurden diese letzten Werke für Klavier auf einer Doppel-CD zusammengefasst.
Hören Sie sich nur die ersten paar Sekunden der Großen Fuge von Ljupka Hadzigeorgiewa und Evgeni Koroliov an. Erliegen Sie der Faszination der beiden Musiker, die selbstlos und sicher durch diesen noch heute rätselhaften Bruch in der Musikgeschichte führen.
7 Bewertungen für 228 CD / The Koroliov Series Vol. XX. Late Piano Works by Ludwig van Beethoven
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Fanfare –
–> Original-Kritik
Ein großer Teil meiner Schreibarbeit in diesen Seiten legt eine gewisse Ungeduld gegenüber neuen Aufnahmen des Standardrepertoires nahe. Oft schreibe ich, dass es in einer Sammlung, die legendäre Aufnahmen dieser Werke enthält, keinen Platz für eine mittelmäßige Aufnahme der kanonischen Werke gibt. Der „überfüllte Bibliothek“ -Test scheint jede neue Aufnahme eines alten „Kriegspferds“ auszuschließen; schließlich, wer unter den heutigen Beethoven-Interpreten kann einer Schnabel oder Richter das Wasser reichen? Trotzdem glaube ich nicht, dass das letzte Wort in der Beethoven-Interpretation gesprochen wurde. Tatsächlich glaube ich bei Musik so reichhaltig wie Beethovens oder eines wirklich großen Komponisten nicht, dass es ein endgültiges Wort geben kann, und meine Sammlung kann Platz für viele weitere Aufnahmen solcher Werke machen – vorausgesetzt, der Interpret erfasst die Tiefe der Musik und bringt eine einzigartige, reife künstlerische Persönlichkeit ein. Wenn ein Künstler dies tut, wie es Evgeni Koroliov in diesem 20. Band seiner Aufnahmen für Tacet tut, sind Vergleiche mit historischen Pianisten sinnlos. Koroliovs Beethoven klingt nicht wie Brendels oder Schnabels; es klingt nach Koroliov – und in diesem Fall bedeutet diese tautologische Aussage tatsächlich etwas.
Es gibt nichts Grob abweichendes zwischen Koroliovs Interpretationen und denen, die Eingang in den Kanon gefunden haben; der Unterschied liegt in den Feinheiten, nicht darin, etwas Enthüllendes über Beethovens Musik entdeckt zu haben, mit einer faszinierenden Ausnahme. Die meisten Pianisten interpretieren die 16tel-Passagen, die die Zweite der op. 126 Bagatellen beginnen, als eine bachianische Toccata. Koroliovs Anschlag ist schwerer und sein Tempo schneller als bei den meisten hier, und er erschafft einen Strudel beethovenscher Wut, ähnlich einigen der kakofonischen Passagen in der Neunten Symphonie. Die Standardinterpretation hat mich immer als abschließende Aussage erfreut, als ob Beethoven am Ende seiner Karriere darüber nachdenken würde, wie seine Musik von der vorangegangenen Ära abgeleitet war. Koroliovs Interpretation scheint nach vorne zu schauen, voranzuschreiten durch Extreme des Klangs, die Beethoven kaum begonnen hatte zu erforschen.
Das Markenzeichen von Koroliovs Spiel ist sein subtiles, konversationelles Element. Seine Phrasen atmen mit kaum wahrnehmbarer Freiheit. Er verweilt selten opernhaft auf einer hohen Note oder beschleunigt durch klimaktische Passagen, aber genaues Zuhören zeigt, dass sein Tempo in einem Zustand konstanter, aber kaum wahrnehmbarer Fluktuation ist, die die Illusion absoluter Gleichmäßigkeit schafft, während er die Steifheit des buchstäblich gleichmäßigen Spielens vermeidet. Und Koroliovs gelegentliche leichte Zögern oder impulsive Geschwindigkeitsschübe sind elegante, erfrischende Feinheiten. Betrachten Sie zum Beispiel die Vielfalt der Betonung, die er der Triolenfiguration in der Zweiten der op. 119 Bagatellen verleiht. Richters Behandlung dieser Bagatelle ist durchweg elegant; Brendels ist atemlos und gehetzt. Aber Koroliov schafft eine Konversation zwischen Diskant- und Bassfiguration: Einige Passagen sind fast schüchtern, einige ausgelassen, und jede reagiert auf die andere. Oder betrachten Sie Koroliovs hartnäckiges Ritardando zu Beginn der 11. Diabelli-Variation, während die Musik sich darauf vorbereitet, auf der Dominante zu pausieren. Richter spielt die Passage fast ohne Inflektion; Koroliov betont die Pause, und Beethovens plötzliche Fortsetzung der harmonischen Bewegung nimmt den Aspekt einer entscheidenden Antwort auf eine angedeutete Frage an. Auf diese Weise agiert Koroliov sowohl expressiv als Interpret des Inhalts in Beethovens Musik als auch analytisch als Führer durch die Struktur von Beethovens Musik. Diese Doppelrolle wird in seiner akribischen Behandlung der imitativen Eintritte in der Vierten Diabelli-Variation deutlich: Die Linien sind durchgehend klar, aber Koroliov kündigt nicht pedantisch jeden Eintritt an; stattdessen streichelt er ihn, wenn jede neue Stimme zur Wärme der Variation beiträgt.
Meine Gesamtreaktion auf Koroliovs Spiel ist äußerst enthusiastisch. Und das trotz gelegentlicher Schwächen in seiner Ausführung. Bei lauteren Lautstärken können seine melodischen Betonungen im Ton rau sein. Sein Rubato, das ich insgesamt für eine seiner größten Stärken halte, ist nicht immer erfolgreich; die Fünfte der op. 126 Bagatellen ist sowohl im Tempo als auch in der dynamischen Schattierung uneben. Und sein Zusammenspiel mit der vierhändigen Partnerin Ljupka Hadžigeorgieva ist Glückssache: Einige der imposanten Akkorde zu Beginn der Großen Fuge sind einfach nicht zusammen, obwohl die deutlich kniffligeren Unisonos gegen Ende des Stücks makellos koordiniert sind. In ihrer Interpretation erfassen sie die reflektierende Tiefe der großzügigeren Abschnitte des Stücks, aber seine energischeren Aussagen erscheinen mir als zu perkussiv.
Die Tontechnik ist durchweg hervorragend, mit der Einschränkung, dass der Aufnahmeort in den Liner Notes nicht identifiziert ist und sich in der Nähe einer belebten Straße und eines Spielplatzes oder einer Schule befunden haben muss. Eine beträchtliche Anzahl von Autoreifen hat es in die Aufnahme geschafft, darunter einer, der deutlich genug ist, um wie ein Pedalton in der abschließenden op. 119 Bagatelle zu klingen. Und die Geräusche spielender Kinder sind in den Pausen vor dem Ende von Tracks in mehreren Fällen vorhanden. Alles in allem empfehle ich diese Aufnahme nachdrücklich. Koroliov hat eine wirklich individuelle und vollkommen seriöse Interpretation dieser wichtigen Werke geliefert.
Myron Silberstein
Artamag –
–> Originalrezension
Die Platte des Tages
(…) Dieses ganz fabelhafte Album beginnt mit der Großen Fuge, wie Beethoven sie für sein Instrument transkribierte, einem unauslöschlichen Werk, in dem Koroliov Ljupka Hadzi-Georgieva findet: eine Lesung mit dantesken Klippen.
Erhabene Tonaufnahme, wie immer bei Tacet, einem der wenigen Phonographieverleger, der weiß, wie man Klavier aufnimmt.
Jean-Charles Hoffélé, Artamag
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Le Disque du jour
(…) Cet album assez fabuleux s’ouvre par la Grande Fugue comme Beethoven l’a transcrite pour son instrument, œuvre inextinguible où Koroliov retrouve Ljupka Hadzi-Georgieva : lecture aux escarpements dantesques.
Prise de son sublime, comme toujours chez Tacet, l’un des rares éditeurs phonographiques qui sache enregistrer le piano.
Jean-Charles Hoffelé
Image Hifi –
(…) Die Große Fuge op. 133 umgibt der Nimbus eines genialen, unzugänglichen Spätwerks für Streichquartette. Beethoven selbst hat davon eine Fassung für Klavier zu vier Händen erstellt. Das Duo Koroliov plädiert in einer pianistisch imponierenden Aufnahme für dieses Opus 134. Was bleibt von der Großen Fuge, wenn sie nicht mehr von vier Streichern, sondern von zwei Pianisten auf einem Konzertflügel gespielt wird? Weniger Farbe, weniger Individualität in den Stimmen – wie die Tusche-Zeichnung eines Gemäldes, pure Struktur. Das macht es für uns Hörer nicht einfacher. Im weiteren Programm der Doppel-CD spielt Evgeni Koroliov die Bagatellen op. 119 und op. 126 sowie die Diabelli-Variationen op. 120 (Beethovens letztes großes Klavierwerk). Koroliov-Fans wissen: Aufregend spielt dieser Meister kaum. In selbstvergessener Konzentration präsentiert er auch hier die Essenz der Musik auf die ihm eigene Art – nur dem Notentext und der Schönheit verpflichtet. Manchmal, etwa beim Andante cantabile von op. 119, lugt dabei eine sachte-sehnsüchtige Stimmung hervor, die Beethoven in die Nähe von Schubert rückt. Eine beglückende Koroliov-Aufnahme in exzellentem Klang. (…)
Heinz Gelking, image hifi
Piano News –
Was hat dieser grandiose russische Pianist nicht schon alles für TACET eingespielt – Bach, Schubert, Mozart – etliche der Standardliteratur hat er in seinen Interpretationen mit neuem Leben versehen. Nun spielt er die letzten Klavierwerke aus der Feder Beethovens, die „Große Fuge“ op. 134 im Arrangement für vier Hände (mit seiner Ehefrau Ljupka Hadzigeorgieva), die Bagatellen op. 119 und op. 126 sowie die „Diabelli-Variationen“.
Die Diabelli-Variationen zeigen nun die gesamte Sicht eines Koroliov auf ein Werk: Mit Vehemenz einerseits stellt er Thema und Variationen dar, aber auch mit einer enormen Strenge, wenn es um die Rhythmisierung und die Akzente geht. Da wird nichts seicht oder oberflächlich behandelt. Koroliov geht den Variationen und ihrer eigenen Energie und Behandlung des Themas auf den Grund, weiß jeder Nuance ihr Recht zu vermitteln. Es wäre bei dieser musikalischen Ausdeutung vermessen davon zu sprechen, dass Koroliov die Musik für sich selbst sprechen lässt, aber genau diesen Eindruck erhält man, da er sich pianistisch nicht wichtiger nimmt als den Notentext. Auf diese Weise entsteht genau das, wonach ja eigentlich jeder Musiker auf der Suche ist: ein größtmöglicher Wahrheitsgehalt in der Deutung des Werks. Und genau diesen Eindruck hat man – bei insgesamt recht gesund verhaltenen Tempi – als Hörer dieser Einspielungen. Der Russe vermag dabei die strukturelle Durchwirkung dieser Musik, das immerwährend Moderne auf so natürliche Weise zu formen, dass man manches Mal staunend zuhört – und sich fragt, warum andere, die doch auch dem Notentext folgen, nicht in der Lage sind, diese von beständigen Wechseln durchzogene Dramtik, diese Intensität zu erschaffen, die Beethoven in Noten hinterlassen hat.
Die beiden Bagatellen-Zyklen sind dagegen weitaus persönlicher gestaltet: Koroliov geht hier noch stärker aus sich heraus, gestaltet direkter und persönlicher, lässt es sprudeln und prickeln, weiß die schöne und dennoch komplexe Einfachheit so erklingen zu lassen, dass man als Hörer schwelgt, lächelnd, aber auch immer aufmerksam für die Kleinigkeiten, die der Pianist hören lässt, lauscht.
Diese CDs haben jetzt schon Kult- und Refernzstatus und beweisen einmal mehr den Stellenwert von Evgeni Koroliov.
Piano News
Diapason Magazine –
Für seinen zwanzigsten Band bei Tacet konzentriert sich Evgeni Koroliov auf Beethovens späte Werke – zwei Jahre nach einem Album, das die letzten drei Sonaten vereint. Ihre Diabelli sind die schönsten, die wir kennen. Der von Koroliov eingeschlagene Weg ist der eines Ästheten, der nicht versucht, die Konflikte des Schreibens zu verherrlichen, sondern dessen ständige Erneuerung genießt. Diese Ruhe kann in diesem Werk sicherlich verwirrend sein. Koroliov nimmt sich Zeit für poetische Hingabe, wo andere die Karte der heroischen Arroganz, der spielerischen Ungeduld oder des Übermaßes spielen.
Seine Künstlersignatur? Eine subtile Beibehaltung der Phrasierung, eine leichte Trägheit, die er hinter sich herzieht. Auch wenn der Ausdrucksumfang eingeschränkt erscheint, merken wir schnell, dass es diese Konstanz des Tons ist, die verführt. Der Pianist spricht ein gelassenes Gebet, wobei jede Variation eindringlicher wird. Seine Diabellis wagen jedoch den Modernismus (Variation XVII) und gehen sogar so weit, Wasserwelten zu zeichnen (XXI). Als Meister funkelnder Virtuosität (XXVII) maskiert Koroliov nichts mit Vortäuschung: Risiken werden dort eingegangen, wo sie sein müssen (X, XVI). Die Hand, die die verschiedenen Stimmen der Fughetta (XXIV) nachzeichnet, versteht es, zärtlich und liebevoll zu sein, als würde sie uns in den reinsten Zustand der Gnade versetzen (XXXI). Teilweise Lektüre? Und als solches angenommen. Diese Diabelli wirken wie eine frische Dusche.
Wir können in den Ergänzungen eine Grande Fuge (vierhändig) übersteigen, deren prägnanter Rhythmus eine gewisse Härte erzwingt. Bevor es auf der Stelle durch die beiden Werke der Bagatellen von entwaffnender Schönheit verflüssigt wird. Die Erstellung des harmonischen Diagramms und die digitale Ausführung sind hervorragend.
Wie immer in dieser „Koroliov-Reihe“ strahlen die hohen Töne des Klaviers ein unfühlbares, magisches und kostbares Licht aus. Klanglich ist dieser Beethoven ebenso verführerisch wie Kempff, mit der gleichen Perfektion in der Modellierung und einer Klangkurve, die so viele moderne Lesarten vernachlässigen oder ignorieren.
Julien Hanck, Diapason Magazine
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Pour son vingtième volume chez Tacet, Evgeni Koroliov s’attache aux opus tardifs de Beethoven – deux ans après un album regroupant les trois dernières sonates. Ses Diabelli sont les plus constamment belles que nous connaissons. Le chemin emprunté par Koroliov est celui d’un esthète, qui ne cherche pas à exalter les conflits de l’écriture mais jouit de son renouvellement perpétuel. Une telle quiétude peut certes dérouter dans cette oeuvre. Koroliov prend le temps de l’abandon poétique là ou d’autres jouent la carte de l’arrogance héroïque, de l’impatience ludique ou de la démesure.
Sa signature d’artiste ? Une subtile rétention de phrasé, légère inertie qu’il traîne derrière lui. Si l’ambitus expressif peut paraître restreint, on s’aperçoit vite que c’est cette constance de ton qui séduit. Le pianiste adresse là une prière sereine, à chaque variation plus pénétrante. Ses Diabelli osent pourtant le modernisme (Variation XVII) allant jusqu’à dessiner des mondes aquatiques (XXI). Maître d’une pétillante virtuosité (XXVII), Koroliov ne masque rien par des faux-semblants : les risques sont pris là où ils doivent l’être (X, XVI). La main qui trace les différentes voix de la Fughetta (XXIV) sait être tendre et aimante, comme nous projeter dans le plus pur état de grâce (XXXI). Lecture partiale ? Et assumée comme telle. Ces Diabelli font l’effet d’une douche fraîche.
On peut enjamber, dans les compléments, une Grande Fugue (à quatre mains) dont la rythmique incisive contraint à une certaine dureté. Avant d’être liquéfié sur place par les deux opus de Bagatelles, d’une désarmante beauté. La réalisation du schéma harmonique, l’exécution digitale y sont superlatives.
Comme toujours dans cette « série Koroliov », les aigus du piano rayonnent d’une impalpable lumière, magique et précieuse. En sonorité, ce Beethoven-là est aussi séduisant que du Kempff, avec la même perfection du modelé, et partout un galbe sonore que tant de lectures modernes négligent ou ignorent.
Julien Hanck, Diapason Magazine
Audio –
Auf Vol. XX seiner Edition präsentiert der in Hamburg lebende russische Pianist Evgeni Koroliov die letzten Kompositionen Ludwig van Beethovens für Klavier. Diese gehören zum Höchsten und Schwersten, was ein Pianist bewältigen kann. Wieder einmal besticht Koroliov durch seine künstlerische Integrität, die die kleinformatigen Bagatellen op. 119 und op. 126 ebenso durchdringt wie das Opus Magnum, die Diabelli-Variationen op. 120 und die „Große Fuge“ op. 134, von Beethoven für vier Hände bearbeitet und vom Ehepaar Koroliov ausgeführt. Ein Extra-Lob für das schöne Klangbild: Ganz genau so sollte ein Klavier aus den Lautsprechern klingen.
Andreas Luczewicz, Audio
Klassik heute –
–> zur Originalkritik
Evgeni Koroliov ist sicher einer der ernsthaftesten, selbst in hochexpressiven Momenten unerschütterlich diszipliniertesten Interpreten nicht nur der pianistischen Gegenwart, sondern auch der gesamten Szene seit es Möglichkeiten der Aufzeichnung gibt. Insofern war ich sehr neugierig, wie dieses Vorbild an Genauigkeit und musikmoralischer Unbedenklichkeit mit den Beethovens Bagatellen verfahren wird. Zumal mit den oft kapriziösen, springlebendigen 11 Bagatellen op. 119, die von den Interpreten nicht nur unserer Tage viel seltener beachtet werden als die späten op. 126. Koroliov nun meißelt die forscheren „Kleinigkeiten“ nach besten Regeln etwa eines „Risoluto“, er zeigt sich aber auch übermütig, das heißt unter diesen Umständen: er scheint sich durchaus einer humoristischen Spielart, einer gleichsam klavierkabarettistischen Note zu öffnen und sie mit seinen ganz eigenen Mitteln unwiderlegbarer Diktion zu forcieren (oder auch zurückzunehmen). Unter diesen Umständen sind diese Miniaturen als bedeutende Musik zu erleben, zugleich aber auch als experimenteller Beifang im kompositorischen Schleppnetz des Komponisten.
Obwohl die sechs Bagatellen op. 126 später als die Diabelli-Variationen op. 120 entstanden sind, könnte man den Verdacht hegen, bei diesen „Bunten Blätter“ handelte es sich um eine schöpferische Klaviergymnastik im Vorfeld der monumentalen Diabelli-Überhöhung. Die Platzierung der Bagatellen am Ende der ersten CD und damit im Vorfeld der zweiten CD mit dem Diabelli-Zyklus legt diese etwas irreführende Fährte, vor allem dann, wenn man sich als Hörer an die von Tacet vorgegebene Werkfolge hält.
Mit den Diabelli-Variationen erweist sich Evgeni Koroliov als ein Meister der Sichtung, der Staffelung, der Bündelung und Durchleuchtung einzelner und eng zusammenhängender Abwandelungssmodelle. Das Thema nimmt er ernst, spielt es ohne übertriebene Akzente, ohne ironische Zwischentöne, schon gar nicht so überbetont sentimental wie Sokolov. Koroliov handelt grundsätzlich streng, aber auf eine ganz eigene Weise elastisch, mit großer Bereitschaft, die melodisch innehaltenden, ja stockenden Variationen in aller spannungsvollen Ruhe auszukosten, wobei es ihm gelingt, stets das Vorhergehende mit der Illusion des Kommenden zu verbinden.
Die erste CD wird eingeleitet mit der Klavierduofassung der Großen Fuge op. 134. Meiner Meinung nach ist es die plastischste, sozusagen „verständlichste“ aller mir zu Verfügung stehenden Darstellungen. Ein schönes Lehrstück also, wie man das Akademische einer Fugengedanklichkeit in die Nähe geistvoller Unterhaltung zu rücken vermag. Evgeni Koroliov präsentiert hier erneut seine aus Mazedonien stammende Frau Ljupka Hadzigeorgieva. Es entspricht einem Trend der letzten Jahre, ja Jahrzehnte, denn nicht wenige namhafte Pianisten treten mit ihren Ehefrauen auf, zumindest legen sie den Veranstaltern nahe, in ihren Solokonzerten wenigstens einen familiären Abschnitt zu akzeptieren. Ich denke an Dezsö Ránki und Edit Klukon, Robert Levin und Ya-Fei Chuang, Herbert Schuch und Gülru Ensari – um nur drei solcher Formationen zu nennen.
Peter Cossé