074 LP / Die Röhre – The Tube
Beschreibung
Seit einem halben Jahrhundert verändert der Transistor unsere Welt. Kein Computer, kein Haushaltsgerät ist ohne ihn mehr denkbar. In Bezug auf die Audiotechnik wollten wir gerne wissen: Ging dabei etwas verloren? Wenn ja, was? Und: eine CD oder LP ohne Transistor – geht das überhaupt? Werfen wir einen Blick auf die Übertragungskette…
2 Bewertungen für 074 LP / Die Röhre – The Tube
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Connaisseur Mailorder Schallplattenversand –
Das Tacet-Label hat mit “Das Mikrophon 1 & 2” bereits zwei audiophile Klassiker produziert. Diese (…) LP dürfte wohl auch einer werden. Nicht nur wegen des wunderbar warmen, vollen Klangbilds einer tube only-Aufnahme, sondern auch aus musikalischen Gründen. Das 1945 von Karl Münchinger gegründete Stuttgarter Kammerorchester kann sich immer noch hören lassen, und seit das Fonè-Label die Vinylproduktion eingestellt hat, gibt es schließlich kaum noch überzeugende LPs mit Werken aus dem Barock-Repertoire. Hier ist eine, die so richtig Spaß macht. Anspieltip: Bibers “Battalia à 10”. So modern war das 17. Jahrhundert…!
–> Original-Kritik
Enjoy the music –
Man versteht schnell, wo die Leute von TACET herkommen. Neben dem Titel widmen sich drei der vier Seiten dieses Gatefold-Albums dem leuchtenden Glas: wunderschön detaillierte Fotos und ein ausführlicher Text erzählen die Geschichte der Suche und Restaurierung einer komplett röhrenbasierten Aufnahmekette und den akribischen Prozess der Herstellung dieser „transistorfreien“ LP. Informationen zur Musik und den Musikern finden sich auf den Rückseiten.
Normalerweise finde ich diesen „Audiophilie-über-alles“-Ansatz oft nervig, doch TACET kommt damit aus zwei Gründen durch: Der Klang ist tatsächlich absolut atemberaubend, und die gut ausgewählten Barockkompositionen erhalten lebendige, mitreißende Interpretationen. The Tube lässt sich keinesfalls in die Kategorie „toller Klang, schlechte Musik“ einordnen, die man bei Audiophil-Aufnahmen so oft antrifft.
Zum Klang: Selten habe ich auf einer Platte solche verführerische Wärme und reine klangliche Schönheit von Streichern gehört. Die Raumakustik ist mäßig hallig und ausreichend distanziert, um jeden aufdringlichen Charakter zu vermeiden. (Dieses ansonsten beeindruckend dokumentierte Album gibt leider nicht den Aufnahmeort an.) Solopassagen heben sich auf natürliche Weise aus dem Ensemble hervor – ganz im Stil des barocken concertante, ohne Spot-Mikrofone. Corellis Opus 6 Concerti Grossi sind ein Eckpfeiler des Barockrepertoires. Die vorliegende Interpretation von Nr. 7 kann zwar nicht ganz mit der präzisen und energiegeladenen Einspielung von Nicholas McGegan und der Philharmonia Baroque auf Harmonia Mundi mithalten, doch ihre üppige Schönheit ist einfach unwiderstehlich. Vivaldis Stück – mit weniger als vier Minuten – wirkt wie eine perfekte Kurzfassung eines dreisätzigen Violinkonzerts, mit allen typischen Gesten.
Besonders interessant sind die früheste und die späteste Komposition dieser Sammlung. Bibers Battalia von 1674 ist frühe Programmmusik, gespickt mit Spezialeffekten wie dem Anschlagen der Instrumentenkörper oder dem Durchziehen von Papier über die Saiten – ein wirklich gespenstischer Klang. Ein Heidenspaß! Wer das mag, sollte sich Bibers Violinsonaten in der Interpretation von Romanesca auf Harmonia Mundi anhören, in denen der Komponist die Musiker manchmal Vögel und Tiere imitieren lässt. Ein lustiger Typ, dieser Ignaz. Auch das programmatische Stück von Boccherini aus dem Jahr 1780 hat seinen Charme, auch wenn es nicht ganz so skurril wie das von Biber ist.
Viele Hörer kennen das Stuttgarter Kammerorchester von seinen zahlreichen Decca/London-Aufnahmen unter der Leitung von Karl Münchinger. Hier ist das Ensemble auf 17 Musiker reduziert, darunter der erste Geiger Benjamin Hudson, der im barocken Stil als Leader ohne Taktstock fungiert. (Das Album wirbt mit: „no conductor, no semiconductor.“ Großartig!) Das Ensemble spielt mit Präzision, Finesse und ansteckender Begeisterung. Ich muss lächeln, sobald diese Platte zu spielen beginnt – und ich wette, Ihnen würde es genauso gehen.
Die schwere 180-Gramm-Platte ist absolut geräuschfrei – wirklich beeindruckend. Es gibt auch eine CD-Version, was irgendwie dem Geist dieses Projekts widerspricht. Aber wenn Sie rein digital unterwegs sind, würde ich sagen: Greifen Sie zur CD. Angesichts der Sorgfalt, die in die Aufnahmekette gesteckt wurde, wird auch die CD weit über dem Durchschnitt liegen.
Wayne Donnelly