268 SACD / Summary Vol. II: Miklós Perényi
Beschreibung
Musikalische Wunderkinder gibt es immer wieder. Schneller, kraftvoller, perfekter als jemals denkbar. Doch es gibt auch die „Wunderalten“. Sie legen nicht nur frei, was in den großen Werken steckt, gleichzeitig erzählen sie auch von sich und aus ihrem Leben, wo sie herkommen oder wo sie hingehen, anhand von Stücken, die sie oft seit der Jugend mit sich herum tragen. Von ihren Träumen, die auch die der Jugend sind.
„Was würden Sie denn am liebsten spielen?“ fragte ich den 74-jährigen Miklós Perényi, als wir gemeinsam über das Programm für diese Aufnahme nachdachten. Heraus kam ein ungewöhnliches Recital, die Folge 2 aus der TACET Reihe „Summary“.
5 Bewertungen für 268 SACD / Summary Vol. II: Miklós Perényi
Du mußt angemeldet sein, um eine Bewertung abgeben zu können.
Image Hifi –
Die Bedeutung von Miklós Perényi als Cellist kann man kaum überschätzen, doch der 1948 in Budapest geborene Meister ist bis heute eher ein Musiker für Musiker geblieben, als dass er der flott vermarktbare Typ fürs CD-Geschäft geworden wäre, wo schillerndere Protagonisten seiner Generation wie Mischa Maisky oder Heinrich Schiff jedenfalls mehr Erfolg hatten. Immerhin konnte Perényi bis zur Wende 1989 bei Hungaroton, dem damals staatlichen ungarischen Klassiklabel, ein breites Repertoire zwischen Barock und Gegenwart einspielen. Mir begegnete sein Name zum ersten Mal vor über zwanzig Jahren bei gebrauchtem Vinyl auf einem Flohmarkt. Das Trio op. 8 von Brahms, interpretiert von den Geschwistern Eszter (Violine) und Miklós Perényi mit Gyula Kiss am Klavier (LP, Hungaroton SLPX 11769 von 1976) sowie die Cello-Sonaten von Brahms mit Zoltán Kocsis (LP, Hungaroton SLPX 12123 von 1980) kaufte ich ohne große Erwartungen. Später, beim Hören, war ich baff ob der Schönheit dieser Aufnahmen. Schlichtheit und Eleganz verbanden sich mit Ausdruck. Da waren ein Ernst und eine Anmut drin, die man in den Starprodukten des Westens selten fand. So was vergisst man nicht. Pianisten wie Zoltán Kocsis oder András Schiff (mit dem er 2005 für ECM alle Werke für Cello & Klavier von Beethoven eingespielt hat) schätzten Perényi als Partner auf Augenhöhe – und er sie.
Andreas Spreer von Tacet hat den Cellisten nun gefragt, was er am liebsten einspielen wolle. Es entstand ein Programm mit Musik von Mendelssohn und Debussy sowie Martinů und Kodály bis Bartók, wobei das Cellokonzert von Schumann die zentrale Achse bildet. Summary heißt die Reihe, alte Musiker stehen im Mittelpunkt. Es gibt sie in jeder Generation: die Kontrastschärfer, Tempostraffer und Allesandersmacher – Musiker, die so lange an den Stellschrauben der Musik drehen, bis jeder kapiert hat, wie individuell bis genial ihre Interpretation ist. Das meidet Perényi, das mied er aber schon vor vierzig Jahren. Sein Spiel lotet weniger die Extreme als die Möglichkeit der Konzentration aus: Intensität ohne Brausen, Ausdruck aus kleinen Gesten, Vorrang für das Singen. Das Schumann-Konzert gelingt auf konventionelle Weise schön, geistreich, poetisch, auch weil Perényi sich die Makellosigkeit seines Cello-Spiels offenbar bis heute bewahren konnte. Es ist arm an Im besten Alter Jugendlicher Esprit oder Altersweisheit sind Klischees. Manchmal treffen sie, manchmal nicht. Darum soll hier von Lebensjahren, wenn überhaupt, eher nebenbei die Rede sein. Wie immer geht es in erster Linie um empfehlenswerte neue Aufnahmen. 4/2022 image-hifi.com 159 Nebengeräuschen und reich an Nuancen. Ich würde seine Aufnahme nicht höher bewerten als die von Anne Gastinel, Jan Vogeler oder Truls Mørk, den Favoriten aus meinem Interpretationsvergleich vor zehn Jahren (image hifi 5/2012), aber es ist auch in diesem Kontext ein Glück, Perényi und das Concerto Budapest zu hören. Man darf ihn bloß nicht als altersmilde missverstehen. Perényi kann nämlich auch anders. Das Arrangement der ersten Rhapsodie für Violine & Klavier von Bartók oder das ungarische Rondo von Kodály haben rhythmischen wie artikulatorischen Biss und kräftig aufgetragene Farben, die typische Eleganz seines Spiels scheint zwar immer durch, wird aber um eine totale Vertrautheit mit Musik des 20. Jahrhunderts und ihrem erweiterten Klangspektrum bereichert. Auch da hat er in Dénes Várjon wieder einen starken Pianisten mit eigenem Kopf an seiner Seite und es entsteht großartiges Duo-Spiel.
Heinz Gelking
hraudio.net –
Summary Vol. II ist der Titel dieser neuesten TACET-Veröffentlichung mit Interpreationen des bedeutenden ungarischen Cellisten Miklós Perényi. Bei sechs der sieben Werke auf dieser wunderschön aufgenommenen (und gespielten) SACD wird Perényi von dem Pianisten Dénes Várjon begleitet. Beim siebten Werk wird er von Concerto Budapest und seinem künstlerischen Leiter und Chefdirigenten András Keller bei einer Aufführung von Schumanns Cellokonzert begleitet. Die „Real Surround Sound“-Technik von TACET, die den gesamten akustischen Raum nutzt und den Zuhörer in den Mittelpunkt der Interpreten stellt, kommt hier nur beim Schumann-Konzert (aufgenommen im Italienischen Institut in Budapest) wirklich zur Anwendung. Bei den anderen Werken sind der Cellist und der Pianist vor dem Zuhörer positioniert, wie man es in einem Konzertsaal erwarten würde, und die hinteren Surround-Lautsprecher sorgen für ein warmes Ambiente, das von der Akustik des Budapester Musikzentrums herrührt. Das Programm beginnt mit einer höchst fesselnden Aufführung von Mendelssohns reizvollen „Variations concertantes“, die 1829 geschrieben wurden, als der Komponist gerade einmal zwanzig Jahre alt war. In diesem hinreißenden Thema und den acht Variationen kommen nicht nur der reiche Klang von Perényis Cello, sondern auch die Sensibilität und Beweglichkeit seines Partners Dénes Várjon zum Ausdruck. Es folgt ein „Lollipop“ in Form von Debussys „La plus que lente“, hier arrangiert für Cello und Klavier von Zoltán Kocsis, bevor das längste Werk der CD, Schumanns Cellokonzert in a-Moll op. 129, erklingt.
Derzeit sind auf dieser Website elf SACD-Einspielungen dieses Konzerts aufgeführt (darunter eine Version für Violine). Dabei handelt es sich größtenteils um neu gemasterte Aufnahmen von großen Cellisten der Vergangenheit – Rostropowitsch, Fournier, Starker und du Pré -, so dass diese neue Aufnahme zu begrüßen ist. Schumanns Orchestrierung wurde (unfairerweise) von der Kritik beanstandet und Dirigenten und sogar Komponisten haben an ihr herumgebastelt. Die Komposition für das Orchester in diesem Konzert ist voller phantasievoller Akzente, und dank der orchestralen Aufteilung des Budapester Konzerts auf dieser TACET-Veröffentlichung werden viele Details, besonders in den Holzbläsern, die in einer konventionellen Aufstellung oft verloren gehen, hier kristallklar herausgestellt. Der Solist steht vorne, rechts von der Mitte, mit den meisten Bläsern und Blechbläsern hinter ihm, während die Streicher und Hörner in einem Halbkreis um und hinter dem Zuhörer angeordnet sind. Perényis Interpretation dieses überwiegend lyrischen Werks ist warm und ausdrucksstark und weist ein angenehmes Tempo auf. Der Rest des Programms besteht aus drei charakteristischen Stücken osteuropäischer Komponisten, die Perényi und sein Partner mit beachtlicher Souveränität darbieten.
Martinus wehmütige „Variations sur un thème slovaque“ aus dem Jahr 1959 ist die letzte Komposition des Komponisten, während Kodálys reizvolles „Magyar Rondo“ aus dem Jahr 1917 auf Material aus der Begleitmusik zurückgreift, die er für Zsigmond Móricz‘ Stück Pacsirtaszó (Skylarking) geschrieben hatte. Abgerundet wird diese SACD mit gleich zwei Interpretationen von Bartóks 1. Rhapsodie, die 1928 für den Geiger Josef Szigeti geschrieben und später vom Komponisten für Cello und Klavier bearbeitet wurde. Beide verwenden eine von Bartóks alternativen Endungen für das Werk. Diese Einspielung war für Miklós Perényi eindeutig ein Liebesdienst, und ich empfehle sie vorbehaltlos.
© 2022 Graham Williams und HRAudio.net
Audio –
Auf eigenen Mehrkanal-Wegen
Ihre eigenen Surround-Visionen verwirklichen die deutschen Labels Tacet und MDG. Tacet-Chef Andreas Spreer hat seinen eigenen „Real Surround Sound“, der den Hörer bei entsprechendem Lautsprecher-Arrangement buchstäblich in die Mitte des Musikgeschehens versetzt. So in der großartigen Aufnahme des Cellokonzerts von Robert Schumann mit dem bei der Aufnahme 74-jährigen ungarischen Cellisten Miklós Perényi, die zusammen mit reizvollen Zugaben die zweite Folge der Tacet-Serie „Summary“ bildet. Übrigens auch in Stereo allein schon wegen der Arrangements von Béla Bartóks Rhapsodien für Violine und Klavier für Cello und Klavier ein Tipp.
Klassik heute –
Der große ungarische Cellist Miklós Perényi zählt mit seinen 74 Jahren mittlerweile sicherlich zu den Altmeistern seiner Zunft, und so hat ihn das Label Tacet für die zweite Folge des neuen Projekts „Summary“ ausgewählt, die das Alterswerk herausragender Musiker und Ensembles präsentiert. Das Resultat ist ein Programm, das ganz von Perényis persönlichen Vorlieben geprägt ist, eine bunte Palette, die von deutscher Romantik bis hin zu Perényis Landsmännern Bartók und Kodály reicht.
Schlanker, fein austarierter Ton und kluger Aufbau von Spannungsbögen
Einziges Werk mit Orchesterbegleitung und wohl auch Zentrum des Albums ist Robert Schumanns Cellokonzert a-moll op. 129. Perényis Interpretation dieses Klassikers des Cellorepertoires (der absurderweise bis zum heutigen Tag gelegentlich noch etwas skeptisch beäugt wird, wenn man etwa hie und da liest, das erste romantische Cellokonzert von Rang sei das – unbenommen großartige! – Dvořák-Konzert gewesen) zeigt exemplarisch die Qualitäten auf, die sein Spiel (nicht nur auf dieser CD) kennzeichnen. Sein Ton ist schlank, agil, dabei fein austariert und stets von einer gewissen Wärme geprägt, niemals forciert, in der Tendenz eher etwas zurückgenommen wirkend. Dabei disponiert Perényi die Intensität seines Spiels klug, indem er sich wesentlich an der Architektur der Musik orientiert. Im Zentrum steht also weniger der Moment, die Zuspitzung einzelner Phrasen (die er in der Regel eher ruhig-fließend gestaltet), sondern die großen Bögen und Linien der Musik, ihre Dramaturgie. Die von ihm gewählten Tempi sind flüssig, aber nicht hastig.
Poesie und Tiefsinn
Im Concerto Budapest unter der Leitung von András Keller steht Perényi ein kompetent begleitendes, die häufigen dialogischen Strukturen des Konzerts (zwischen Solist und Orchester) ansprechend gestaltendes Ensemble zur Seite. Insgesamt eine Interpretation, die die gesangliche Natur, die Poesie und den Tiefsinn von Schumanns Konzert vorzüglich nachvollzieht, ohne dabei jemals sentimental zu wirken. Wohlgemerkt: bei einem so vielschichtigen, von Generationen von Cellisten eingespielten Werk wie Schumanns Konzert ist es schlechterdings unmöglich, eine (einzige) definitive Lesart herauszufiltern, und sicher wird man andere Interpretationen finden, die z.B. einen stärkeren Fokus auf die unruhig drängenden, nervösen Seiten dieses Werks legen. Was Perényis Neuaufnahme aber sehr wohl bietet, ist eine ausgesprochen schlüssige, ihren eigenen Interpretationsansatz sehr überzeugend realisierende Darbietung des Konzerts.
Souveränes Musizieren mit kongenialem Partner
Bei den übrigen Werken auf der CD wird Perényi von seinem langjährigen Klavierpartner Dénes Várjon begleitet, mit dem Perényi vorzüglich harmoniert, ein aufeinander eingespieltes, ähnliche musikalische Schwerpunkte setzendes Duo. Als besonders gelungen darf man die Aufnahmen von Kodálys Ungarischem Rondo und von Bartóks Rhapsodie für Violoncello und Klavier Sz 88 (also der Bearbeitung der Rhapsodie für Violine Nr. 1; die CD bezieht beide Varianten ihres Schlusses mit ein) betrachten. In diesem Idiom ist Perényi völlig zu Hause, die ungarische Folklore trägt er mit großer Natürlichkeit (insbesondere im Rubato) vor, und gerade hier kann man vorzüglich nachvollziehen, wie er aus einer Position der Balance heraus, Extreme also vermeidend, Steigerungsbögen exzellent disponiert (man betrachte etwa die plötzliche Intensivierung des Ausdrucks im 2. Satz der Rhapsodie ab Ziffer 9). Ruhig, eher abgeklärt die Interpretation von Bohuslav Martinůs ganz späten Variationen über ein slowakisches Thema, ein sehr schönes Werk, das trotz des elegisch getönten Variationsthemas doch eher von spielerischer Serenität geprägt ist. Die ansprechende Bearbeitung von Debussys La plus que lente stammt vom leider schon von Jahren verstorbenen Zoltán Kocsis, und schließlich spannt Perényis luzide, souveräne Interpretation von Felix Mendelssohn Bartholdys Variations concertantes (mit denen die CD beginnt) wieder den Bogen zum Schumann-Konzert.
Das Beiheft ist solide, die Klangqualität ausgezeichnet. Bei den Zyklen von Mendelssohn und Martinů hätte die Möglichkeit bestanden, die Variationsstruktur durch eine entsprechende Unterteilung in Tracks nachzuvollziehen, andererseits ist dies bei einer Gesamtdauer von jeweils etwa neun Minuten sicherlich nicht zwingend erforderlich. So oder so eine vorzügliche cellistische „Summary“ (auf die natürlich nichtsdestoweniger hoffentlich noch mehr folgen wird).
Holger Sambale
Pizzicato –
Diese SACD im immer wieder hervorragenden Real Surround Klang von Tacet beginnt mit einer quicklebendigen, hoch inspirierten Aufführung der Variations Concertantes von Felix Mendelssohn. Dieser beseelte Interpretationsansatz kommt auch den anderen Cellostücken zugute.
In Schumanns Cellokonzert zeigt der heute 74-jährige Miklos Perenyi, dass dieses Werk nicht unbedingt vor Kraft strotzen muss, aber vielmehr von Kontrasten lebt, die er großzügig ausspielt und damit in den Ecksätzen den quasi improvisatorischen Charakter der Musik und ihren typisch romantischen fantasievoll unterstreicht. Den langsamen Satz spielt er mit einem schönen und lyrischen Celloklang. Auf dieses Musizieren des Solisten reagiert Dirigent Andras Keller sehr gut, so dass man von einer wirklich kohärenten Interpretation sprechen kann.
Remy Franck