113 CD / Summary Vol. I: Bartók Quartet

Summary Vol. I

Bartók Quartet

Peter I. Tchaikovsky
String Quartets
op. 11 and op. 30

EAN/barcode: 4009850011309

Diapason 5   

Beschreibung

Die neue Reihe „Summary“ versucht die Umkehr des Wunderkind-Prinzips. Anstatt die Musikwelt nach der Devise „schneller, höher, weiter“ jährlich mit jüngeren Künstlern zu beglücken, wird hier gefragt: Wie verändert sich bei zunehmendem Alter und zunehmender Reife des Künstlers die Sichtweise von Musikwerken? Treten dabei Kriterien zurück, die vorher vielleicht zu wichtig genommen wurden? Kommen neue hinzu?… Volume 1: Das 1957 gegründete Bartók Quartett!

6 Bewertungen für 113 CD / Summary Vol. I: Bartók Quartet

  1. Diapason

    Vor fünfzig Jahren wurde das Bartók-Quartett in der Klasse von Leo Werner an der Franz-Liszt-Akademie in Budapest gegründet; 1964 gewann es den internationalen Wettbewerb von Lüttich. Obwohl dieses bemerkenswerte Ensemble einige personelle Veränderungen erlebte, sind der Bratschist und der erste Geiger noch heute die ursprünglichen Mitglieder.

    Da sich das Quartett lange der modernen und zeitgenössischen Musik widmete, blieb sein Publikum begrenzt – abgesehen von einem kompletten Beethoven-Zyklus und einer sehr schönen Brahms-Anthologie (Hungaroton), beide von seltener Qualität, aber in Frankreich nahezu unbeachtet aufgrund mangelhafter Importe. Auch die vorliegende Aufnahme, 2002 in Deutschland veröffentlicht, hatte damals kein größeres Glück, da sie uns ebenfalls nicht erreichte.

    Der volle, fleischige Klang des Bartók-Quartetts entfaltet sich in weiten, niemals übertriebenen Tempi und vermittelt einen tief erfüllten musikalischen Diskurs. Virtuosität spielt kaum eine Rolle (dafür sind das Borodin-Quartett oder die jüngsten Aufnahmen des Brodsky-Quartetts bestens geeignet); diese Musiker vermitteln uns eine Kammermusiklektion von außergewöhnlicher Qualität – die reife Frucht eines neugierigen und anspruchsvollen Werdegangs. Das perfekte Gleichgewicht der Stimmen ebenso wie die individuellen instrumentalen Qualitäten zeichnen durch eine hervorragende Aufnahme ein ideales Klangbild.

    Philippe Simon

    _____________________________________

    französischer Originaltext:

    Il y a cinquante ans que fut fondé dans la classe de Leo Werner, à l′Académie Franz Liszt de Budapest, le Quatuor Bartok, lauréat en 1964 du concours international de Liège Si cette remarquable formation connut quelques remaniements, l′altiste et le premier violon sont aujourd′hui encore ceux d′origine. Parce que longtemps tournée vers la musique moderne et contemporaine, son public et son audience furent limités jusqu′à l′armée d′une intégrale Beethoven et d′une très belle anthologie Brahms (Hungaroton) d′un rare niveau mais passées toutes deux quasi inaperçues en France pour cause d′import déficient. Elle n′a pas eu beaucoup plus de chance avec le présent disque sorti en 2002 en Allemagne puisqu′il ne nous était pas davantage parvenu à l′époque. La sonorité pleine et charnue du Quatuor Bartok s′épanouit dans des tempos larges sans excès porteurs d′un discours profondément habité. Guère soucieux de virtuosité (pour cela les Borodine ou les récents Brodsky feront admirablement l′affaire), ces musiciens nous délivrent une leçon de musique de chambre d′une rare qualité, fruit mûr d′un parcours curieux et exigeant. Le parfait équilibre des voix autant que les qualités instrumentales individuelles dessinent au travers d′une superbe prise de son un cadre ideal.
    Philippe Simon

  2. Fanfare-Magazin

    Das Bartók-Quartett wurde 1957 gegründet und ursprünglich nach dem ersten Geiger Peter Komlós benannt. 1963 erhielt es den heutigen Namen Bartók. Soweit mir bekannt ist, blieb die Besetzung seitdem unverändert. Die vier Musiker – Peter Komlós, Géza Hargitai, Géza Németh und László Mezö – sind sicherlich vertraute Namen. Ihre Seniorität wird auf dem CD-Cover deutlich gezeigt. Diese Aufnahme stammt aus dem Jahr 2001.

    Diese Erfahrung zeigt sich auf der gesamten Aufnahme. Die unkomplizierte Natur von Tschaikowskys erstem Streichquartett wird hier gewinnend umgesetzt – mühelos und unprätentiös. Das Andante cantabile besitzt ein eigenes Leben – hier besonders bewegend, mit den eloquentesten Linien gestaltet.

    Wie sein Vorgänger ist das dritte Quartett größer angelegt und ebenfalls selten zu hören. Es ist ein ernsthaftes und umfangreiches Werk, dessen Anlehnung an klassische Modelle unverkennbar ist, das vielleicht eher Tiefe anstrebt, als sie tatsächlich erreicht. Diese Interpretation lässt keine Wünsche offen: Das Bartók-Quartett liefert einen sorgfältig durchdachten Vortrag, bei dem Ausdruck und instrumentales Gleichgewicht oberste Priorität haben. Eine CD, die man stets griffbereit haben sollte, um noch mehr in der Musik zu entdecken – insbesondere, da Tschaikowsky ein großer Favorit ist.

    Vergleiche man dazu das Borodin-Quartett auf Chandos CHAN 9871, zwei CDs mit undatiertem Material, für Tschaikowskys drei Quartette, Souvenir de Florence und einen Satz in B♭. Auch dies sind großartige Darbietungen. Im dritten Quartett finde ich bei dieser illustren Gruppe allerdings nichts anderes – außer vielleicht einen russischeren Ansatz, mehr Volatilität, mit dunklerer Erdverbundenheit. Das mag genügen, um das Gleichgewicht auf die Seite der Russen zu kippen. Dennoch gefällt mir das einfache Vertrauen des Bartók-Quartetts in die Musik.

    Ich werde weiter im Booklet lesen. Sammler ungewöhnlicher Anmerkungen werden es sicherlich interessant finden. Die englische Ausgabe umfasst viereinhalb Seiten – ich habe keinen einzigen Bezug zu Tschaikowsky oder seinen Quartetten gefunden. Für die Musik und die Fürsprache des Bartók-Quartetts wird Volume 2 sehnsüchtig erwartet.

    Colin Anderson

  3. Rondo. Das Klassik & Jazz Magazin

    Die frisch getaufte neue Tacet-Reihe „Summary“ versucht die Umkehr des Wunderkind-Prinzips′, erklärt der Tonmeister und Produzent Andreas Spreer das neue Unterfangen seiner Firma, die immer schon ihren Künstlern den größtmöglichen Raum ließ. Weniger freischwebend heißt das wohl: Gebt dem Alter eine Chance! Die Summe (= summary) seiner Erfahrungen soll zu Wort kommen, wo das kometenhafte Erglühen (und oft ebenso rasche Verglühen) für die schnelle Presse und den schnellen Dollar sorgt. Ins Weltanschauliche transponiert, hieße das: Vergänglichkeit gegen Jahresring.
    Folge 1 widmete man dem ungarischen Bartók-Quartett, von dem das Beiheft stolz berichtet, es sei schon 1957 gegründet worden. Tatsächlich verraten die älteren Herrn sich, indem sie etwa das berühmte Andante cantabile des ersten Quartetts op. 11 mit altmodischem Flair präsentieren (Lagen- gleich Fingerwechsel), aber zugleich auch angenehm unsentimental bleiben, die altmodischen Lagenwechsel eher abhaken, weil sie′s so gewohnt sind. Sehr angenehm!
    Wenn das Gefecht die Hitze höher schraubt, ist das nie so glatt exekutiert wie beispielsweise bei manchen US-amerikanischen Formationen, aber immer durchdacht und empfunden, meinetwegen auch: erfahren. Das den ersten Satz einleitende Andante sostenuto im dritten Quartett op. 30 kann man sich spieltechnisch perfekter, aber nicht ausdrucksvoller vorstellen. Und was wiegt mehr? Hier bietet sich auch eine Betrachtung an über die „Atemtechnik“ eines solchen Streichquartetts: Einerseits das mehr oder minder vernehmbare Schnaufen, Einsatz-Signal des Primgeigers oder des jeweiligen Melodieführers, andererseits der Atem des Ensembles innerhalb des Werkes – beides, und nicht trennbar voneinander, verrät die Qualität eines Streichquartetts, das Gewachsensein ihres Zusammenspiels, das Einschwingen vierer Individuen aufeinander. Hört man dieses Andante sostenuto, ahnt man, was mit ′Summary′ gemeint ist: Was hier ein ganz normales Gelingen bedeutet, wäre anderswo eine Sternstunde und nicht ohne weiteres wiederholbar. Es lebe die Erfahrung!
    Thomas Rübenacker

  4. Fono Forum

    Günter Wand hat es einst mit seiner Orchesterarbeit vorgeführt, Eric Ericson demonstriert es auf dem Gebiet der Chorleitung nicht minder eindrucksvoll, und nun zeigt es auch das Bartók-Quartett für den Bereich der Kammermusik: Das Gespür für die richtigen Temporelationen ist offensichtlich doch (auch) eine Frage des Alters.
    Die vier Mitglieder des ruhmreichen, 1957 gegründeten Ensembles lassen sich Zeit – viel Zeit sogar -, wenn es gilt, die zahlreich vorhandenen melodischen Reichtümer der Werke Tschaikowskys auszukosten. So wie etwa im „Andante cantabile“ seines ersten Quartetts, in dem jedes Phrasenende zärtlich ausgesungen, jeder Ton geradezu liebkost wird von den herrlich klingenden Instrumenten. Dabei erstirbt die Interpretation jedoch keineswegs in Schönheit oder zerfällt gar in ihre Einzelteile. Im Gegenteil: Durch feine Verzögerungen vor wichtigen Einschnitten wie dem Beginn des Seitenthemas (dessen Gestaltung als Musterbeispiel für ein organisches Rubato gelten kann) oder dem Repriseneintritt im Kopfsatz desselben Werkes tritt die formale Struktur noch sinnfälliger zu Tage. Gleichzeitig ist die reife, aber niemals routinierte Darstellung der vier Ungarn von einem warmen expressiven Leuchten durchglüht, das den hierzulande oft unterschätzten Kompositionen eine ungeahnte emotionale Tiefe verleiht.
    Der anrührend beseelte Musiziergestus dieser hinreißenden Aufnahme trägt (für mein Empfinden!) mühelos über die unüberhörbaren intonatorischen und rhythmischen Schwächen hinweg. Ein gelungenerer Start für die bewusst ein wenig rückblickende Reihe „Summary“ von Tacet wäre kaum denkbar.
    Marcus Stäbler

  5. image hifi

    Unter dem Titel „Summary“ eröffnet Tacet eine Reihe mit Aufnahmen älterer Künstler. Wurde aber auch Zeit, dass jemand das um sich greifende Motto „Jünger, schöner, besser zu fotografieren“ durchbricht! Das Bartók-Quartett wurde 1957 gegründet und spielt in der aktuellen Besetzung seit 1985 zusammen – Primarius und Bratschist bilden als Mitglieder der ersten Stunde das „historische Rückgrat“. Die mit fantastischen italienischen Instrumenten ausgerüsteten Ungarn haben Tschaikowskys op. 11 und op. 30 eingespielt – mit einem wunderbar homogenen, fast orchestral wirkenden Klang, dessen Sinnlichkeit sich moderne Ensembles auf der Suche nach einem ins Extreme gesteigerten Ausdruck oft versagen. Vielleicht bedeutet Alter für Interpreten ja auch, bestimmte Haltungen hinter sich lassen zu können, weil man nichts mehr beweisen muss: Hier hört man keinen gleißenden Perfektionismus. Sondern ein Musizieren mit einer humanen Anmutung, die sich daraus ergibt, dass jahrzehntelang aufeinander hörende Musiker die womöglich für den Tonträgermarkt endgültige Quersumme ihrer Tschaikowsky-interpretation ziehen. Zwei Neumann M 49 bürgen als Zeugen für erstklassige Klangqualität.
    hg

  6. Fono Forum

    Meine persönlichen Platten des Jahres 2002: „Die Tschaikowsky-Streichquartette op. 11 und 30 mit dem Bartók-Quartett, weil Andreas Spreer mit dieser ersten Folge seiner Reihe ′Summary′ so erfolgreich dem grassierenden Jugendkult trotzt.
    Jörg Hillebrand

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