253 SACD / Dmitri Shostakovich: Symphony no. 9 op. 70, Symphony no. 5 op. 47
Beschreibung
Assoziationen beim Anhören der 9. Sinfonie: Ein lebensfroher, beinah übermütiger Kopfsatz. Ein verträumter, nachdenklicher zweiter, gefolgt von einem spritzigen Presto. Und dann dieser kurze vierte, ohnmächtige Klage eines einsamen, aber lebendigen Fagotts gegen starres Blech in unisono. Ein kleines, gepeinigtes Individuum steht der brutalen Staatsmacht gegenüber. Immerhin, es klagt. Der Diktator wiederholt seine Forderung. Aber es lässt sich nicht ganz unterkriegen. Es beginnt den letzten Satz mit einem zunächst verhaltenen, ein wenig schelmischen Tanz, der immer unbeschwerter wird. Irgendwann geben Pauke und Hörner, zunächst ganz leise, das Signal zum Aufbruch. Das ist die Ansage an den Diktator: Pass auf, Stalin, jetzt kommt’s, jetzt zeig ich’s dir, mit einem Stift und einem Blatt Papier! Der furiose Anstieg gipfelt in einem grotesken Triumphmarsch, der wie befreites Lachen klingt. Der Ohnmächtige lacht den Übermächtigen aus. Und pfeift auf ihn, buchstäblich. Zurückblickend stellt sich die Frage: Wer liegt schwer wie kaltes Blech in ewigem schwarzem Loch und wer bleibt lachend in der Geschichte übrig? Der Musik nach zu urteilen hatte Schostakowitsch mit der 9. Sinfonie die schlimmste Zeit hinter sich, ganz anders als noch in der 5., aber das ist eine andere Geschichte, übrigens auch in diesem Kino.
Bilde ich mir das alles nur ein? Oder kommt es davon, dass das Concerto Budapest und András Keller so unmittelbar zupackend erzählen? Fast scheint es, als spielten hier Leute, die noch von den Nachwehen dieser Zeiten geprägt sind.
3 Bewertungen für 253 SACD / Dmitri Shostakovich: Symphony no. 9 op. 70, Symphony no. 5 op. 47
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Audio –
Das hatten sich Sowjet-Diktator Stalin und seine Kultur-Kamarilla ein bisschen anders vorgestellt: Der von ihnen getriezte Dmitri Schostakowitsch lieferte ihnen 1945 als seine „Neunte“ keine dröhnende Sieger-Sinfonie, sondern ein knappes, vielbödiges Instrumentalwerk in Haydn’schen Dimensionen von nur rund 25 Minuten. Neun Jahre zuvor hatte er buchstäblich unter Lebensgefahr seine Vierte verheimlicht und 1937 seine übertrieben systembejahende Fünfte herausgebracht. András Keller hat sämtliche Details wissend herausgearbeitet – das ist in bester Tacet-Technik mit „Real Surround Sound“ (2. Violinen von links hinten) ein bemerkenswertes Klangabenteuer.
Lothar Brandt
Pizzicato –
–> zur Original-Kritik
Concerto Budapest und Andras Keller nehmen Shostakovich beim Notenmaterial und steigen mit federleichtem Spiel in die neoklassische Musik der Neunten Symphonie ein. Dieses schwungvoll unbeschwerte Spiel findet sich auch im Presto und im Allegretto, während die langsamen Sätze sehr nachdenklich und stimmungsvoll angegangen werden.
In der Fünften, die ja nicht neoklassisch ist, sind wir mehr orchestrale Kraft und Fülle gewohnt als diese Aufnahme hat. Dennoch legt Keller genügend Ausdruckskraft in die Musik, um sie in keinem Moment langweilig werden zu lassen.
Ein weiterer Vorzug der Tacet-SACD ist der Real Surround Klang, der das schlanke Spiel des Orchesters äußerst transparent und räumlich werden lässt.
Remy Franck
Classical CD Choice –
–> Original-Rezension
Ein erfolgreicher Monat für Schostakowitsch in immersivem Surround Sound. Neben der oben erwähnten LSO-Live-Scheibe gibt es hier eine weitere Ausgabe, diesmal mit der Neunten in einer lebhaften Lesart, die der von Kreizberg dirigierten Pentatone-Aufnahme gegenübergestellt werden kann, auch wenn die rüpelhafte Posaunenpassage hier zivilisierter ist als auf der erfreulich ungehobelten früheren Scheibe. Die fünfte Sinfonie erinnert in Kellers Lesart in ihrer Dringlichkeit oft an die klassische CBS-Aufnahme von Leonard Brownstein, sogar bis hin zum sehr zügigen Ansatz des Finales mit seinem ironischen Triumphalismus (obwohl Keller, anders als Bernstein, die letzten katastrophalen Takte in der üblichen gleichmäßigen Weise charakterisiert, anstatt das Tempo wie in der Bernstein-Aufnahme zu erhöhen). Die übliche Tacet-Aufnahme versetzt den Hörer in die Mitte der Aufführung.
Barry Forshaw