263 CD / Scarlatti: Complete piano sonatas vol. 4
Beschreibung
Kennen Sie das Phänomen? Wer sich selbst Beschränkungen auferlegt und ein Ding oder einen Vorgang nur unter bestimmten strikten Eingrenzungen betrachtet oder ausführt, erweitert den Blickwinkel und stößt in eine neue Welt, scheinbar größer als die, von der sie doch nur ein Teil ist. Wie unter einer Lupe zeigen sich völlig neue Dinge, sonst verborgen unter der Grobheit der Oberfläche. Das gilt auch für die 555 Klaviersonaten von Domenico Scarlatti. Die meisten bestehen nur aus einem Satz mit einem Doppelstrich in der Mitte und zwei Wiederholungen. Überwiegend zweistimmig. Doch was für eine Vielfalt tut sich hier auf! In diesem selbstgeschaffenen System bewegt sich Scarlatti völlig spontan, souverän und unsystematisch. Dabei bricht er fast alle Regeln, wie 4- oder 8-taktiges Grundschema, Stil, Rhythmen, Klangfarben, verspielt wie ein Kind, das gar nicht weiß, ob es Grenzen gibt und wo diese sind. Allerdings muss man schon die Lupe zur Hand nehmen, um nicht an der Oberfläche zu bleiben. Genau das tut Christoph Ullrich. Er schaut jede Sonate mit all ihren Eigenheiten an und lebt die ganze Verspieltheit von Scarlatti mit Begeisterung nach. Die siebte Veröffentlichung der siebzehnteiligen Gesamtausgabe zeigt mit Folge 4 ein weiteres chaotisches Sonnensystem im Weltall Scarlatti. Faszinierend, schräg, schillernd und schön.
Weitere Informationen über das Scarlatti-Projekt.
Christoph Ullrich auf Youtube: Sonata in g moll K 8, Allegro und Sonata in C major, K 487, Allegro
3 Bewertungen für 263 CD / Scarlatti: Complete piano sonatas vol. 4
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Audio Nr. 5 2020 –
Christoph Ullrich setzt seine 2011 begonnene Einspielung aller 555 (Cembalo-) Sonaten des Wahlspaniers und Bach/Händel-Zeitgenossen Scarlatti (1685–1757) fort. Die Kirkpatrick-Nummern K 147–176 sind durchweg einsätzig, oft mit tänzerischem Charakter und immer interessant. Ullrichs enorm variables, gestisches, nie auf rhythmische Finesse reduziertes Spiel auf dem Steinway D274 gibt ihnen ihre eigene Stimmung von heiter bis melancholisch. Tonmeister Andreas Spreer nahm in der traditionsreichen Jesus-ChristusKirche in Berlin-Dahlem mit perfekter Balance aus direktem und indirektem Flügelklang auf.
Lothar Brandt
Pizzicato –
–> zur Originalkritik
Der deutsche Pianist Christoph Ullrich legt bei Tacet die vierte Folge seiner Gesamtaufnahme der Sonaten von Domenico Scarlatti vor. Erschienen sind bereits Vol. 1, 2, 3, 11, 14 und 15. Auf der neuen Doppel-CD, sind die Sonaten K. 147 bis 176 enthalten. Das Erfolgsrezept der vorangegangenen Aufnahmen greift auch in diesem Programm mit seinen 30 Sonaten. Ullrich spielt mit viel Fantasie, Inspiration, Spontaneität und tiefer Empfindung für Scarlattis Melancholie wie auch für seine Lebensfreude! Das reich nuancierte Spiel gibt jeder Sonate einen ganz eigenen Charakter.
Remy Franck
MDR Kultur Spezial –
(…)Seine eminente Pianistik horcht entsprechend nach innen, lotet die Welt zwischen den Noten aus, Nuancen und Details treten unter seinen beredten Händen exemplarisch hervor.
Seine Anschlags-Schattierungen, seine Fähigkeit zur Modellierung von Tönen, seine Mittel zugleich konturiert zu spielen und die Dinge in der Schwebe zu halten. All diese Kompetenz, einen Notentext differenziert aufzufalten, die zeigt sich in seinen Scarlatti-Exegesen. Und solche Beweglichkeit und pianistische Distinktion, die ist eben unbedingt von Nöten, wenn man jede dieser 555 Sonaten als eigenen, solitären Kosmos abzubilden intendiert. Ich bin schon gespannt auf die nächste Folge von Ullrichs Scarlatti-Lesarten.(…)
Martin Hoffmeister