135 CD / Welte Mignon Mystery: Felix Mottl
Beschreibung
Dies ist keine historische Aufnahme. Aber die Musik, die man hört, ist die historisch originale (in allen Feinheiten) genaue Interpretation von damals. Und das Mysterium: Der Interpret von damals war bei der neuen Aufnahme präsent, ohne selbst anwesend zu sein. Es spielt ein moderner Steinway-Flügel. Noch nie klang Musik aus den Welte-Mignon-Speichern so richtig und gut. Dank der vielgelobten TACET-Aufnahmetechnik. Und weil zuvor die Welte-Mignon-Speicher und die Reproduktionsmechanik (erstmals vom besten Fachkönner) neu justiert wurden. Und damit aufnahmereif für die Ansprüche von TACET. (Welte-Mignon ist eine Erfindung von 1904). Das Welte-Mignon-Mysterium kann nun unverfälscht zu uns sprechen.
7 Bewertungen für 135 CD / Welte Mignon Mystery: Felix Mottl
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Pianiste –
DIE LEKTIONEN DER VERGANGENHEIT
Die Magie der Welte-Mignon
Debussy, Ravel, Mahler, Einecke, Grieg, Granados… spielen ihre Werke.
Würden Sie gerne Ravel, Debussy, Strauss, Saint-Saëns, Reger hören, wie sie auf einem modernen Klavier ihre eigenen Werke spielen? Und was halten Sie von einer „perfekten“ Wiedergabe der Interpretationen der ersten Horowitz, Fischer, Lhévinne und anderer wie Schnabel? Das deutsche Label Tacet bietet eine Anthologie der Rollen, die mit dem Welte-Mignon-Verfahren aufgenommen wurden. Das System ist einfach, aber der Wiedergabeprozess ist besonders komplex! Tatsächlich wurden die von den Komponisten selbst gespielten Stücke mit dem 1904 von der Firma Welte & Söhne in Freiburg erfundenen Gerät digitalisiert. Die damaligen Lochrollen haben den Anschlag, das Pedalspiel und die feinsten Nuancen aufgezeichnet. Heute muss man diese Aufnahmen einfach auf ein Konzertklavier übertragen.
Es ist daher ein echter Schock, die „Children’s Corner“ und einige Préludes von Debussy zu hören, aber auch die „Sonatine“, die „Valses nobles et sentimentales“ von Ravel unter den Fingern der Komponisten selbst zu erleben. Welche Lektionen ziehen wir daraus? Zunächst einmal die erstaunliche Freiheit dieser beiden Genies in Bezug auf ihre Partituren! Es ist auch wahr, dass das Spiel von Ravel nicht immer perfekt in der Ausführung ist… Aber wenn man den rein technischen Aspekt überwindet, wird die extreme Feinheit und die Personalisierung der Anschläge deutlich. Die Dynamik ist meist zart, die Finger scheinen das Klavier nur zu streifen. Ohne jede Brutalität. Die Klarheit und Sanftheit sind verblüffend. Andere Beispiele sind ebenso beeindruckend, wie die beiden Bände, die sich mit Werken von Brahms befassen, die von Nikisch, Lhévinne, Samaroff, Ney oder auch die Etüden von Chopin, gespielt von Pachmann und Paderewski, interpretiert wurden…
Die Virtuosität der Pianisten ist erstaunlich, aber noch mehr überrascht die Leidenschaft, das Engagement, manchmal sogar die Zierlichkeiten und die unpassenden Verzierungen, die manche Pianisten wie Ticks hervorrufen. Aus all diesen Meisterlektionen bleibt uns eine Erkenntnis: Die stärksten Persönlichkeiten entfalten sich nur nach einem tiefen und viszeralen Verständnis der Werke. Schnabel in den Walzern von Josef Strauss und Josef Lanner (wer würde das heute noch spielen?), Horowitz 1926 in einigen Préludes von Rachmaninov – sie sprechen uns an. Woher rührt der Charme und die unwiderstehliche Ausstrahlung ihrer Lesarten? Ein Rätsel.
Jedes Jahr veröffentlicht Tacet drei oder vier neue CDs aus den Welte-Mignon-Archiven. Unbedingt sammeln.
S. F.
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Französischer Originaltext:
LES LEÇONS DU PASSÉ
La magie des Welte-Mignon
Debussy, Ravel, Mahler, Einecke, Grieg, Granados… jouent leurs œuvres.
Vous aimeriez entendre Ravel, Debussy, Strauss, Saint-Saëns, Reger jouant sur un piano d’aujourd’hui leurs propres Oeuvres? Et que diriez-vous aussi d’une restitution « parfaite » des interprétations des premiers Horowitz, Fischer, Lhévinne et autres Schnabel? Le label allemand Tacet propose une anthologie des rouleaux gravés par le procédé Welte-Mignon. Le système est simple, mais le procédé de restitution particulièrement complexe! En effet, les pièces jouées par les compositeurs eux-mêmes ont été numérisées à partir de l’appareil inventé en 1904 par la firme Welte & Fils de Fribourg. Les rouleaux perforés de l’époque ont capté le toucher, le jeu des pédales et les nuances les plus fines. Il suffit aujour¬d’hui de transférer ces témoignages sur un piano de concert.
C’est donc un véritable choc que d’entendre dans un confort d’écoute optimal les Children’s Corner et quelques Préludes par Debussy, mais aussi la Sonatine, les Valses nobles et sentimentales de Ravel sous les doigts des compositeurs. Quelles leçons en retirons-nous? D’abord, l’étonnante liberté de ces deux génies vis-à-vis de leurs partitions! Il est vrai aussi que le jeu de Ravel n’est pas d’une justesse infaillible… Mais si l’on dépasse l’aspect purement technique, on s’aperçoit de l’extrême finesse et de la personnalisation des touchers. Les dynamiques sont généralement faibles, les doigts semblent effleurer le clavier. Sans aucune brutalité. La clarté et la douceur sont stupéfiantes. D’autres exemples sont frappants comme ces deux volumes consacrés à des œuvres de Brahms interprétées par Nikisch, Lhévinne, Samaroff, Ney ou bien les Études de Chopin par Pachmann et Paderewski…
La virtuosité des pianistes est stupéfiante, mais on est plus surpris encore par la fougue, l’engagement, parfois même les coquetteries, les ornementations intempestives que certains provoquent comme des tics. De toutes ces leçons de maîtres, on retient que les personnalités les plus fortes ne s’épanouissent qu’après une compréhension viscérale et profonde des œuvres. Schnabel dans les Valses de Josef Strauss et de Josef Lanner (qui oserait jouer cela aujourd’hui ?), Horowitz en 1926 dans quelques Préludes de Rachmaninov nous interpellent. D’où proviennent le charisme et le charme insensés de leurs lectures? Mystère.
Chaque année, Tacet publie trois ou quatre nouveaux CD des archives Welte-Mignon. À thésauriser.
S. F.
Badische Zeitung –
(…)Aufführungen unter Felix Mottl sind zu nachwehenden Legenden geworden. Wir hätten heute eine noch sehr viel geringere Klangvorstellung von seiner Musiziergesinnung, wenn der gut Klavier spielende Dirigent nicht vor 100 Jahren im „Ton-Aufnahme-Studio“ der Firma Welte-Mignon in Freiburg seine faszinierenden Interpretationen einem speziellen Walzen-Instrument „anvertraut“ hätte. Das Stuttgarter Tacet-Label präsentiert diese sensationellen Wagner Aufnahmen von Lohengrin, Tristan oder Parsifal auf einer CD im lupenreinen Klangbild eines modernen Steinway und mit informativem Beitext über das Problem der technischen Reproduzierbarkeit von Kunstwerken. So konnte Frithjof Haas seinen Vortrag mit authentischem Klang würzen und demonstrieren, wie der „erste moderne Orchesterleiter“ mit seinem großen sinfonischen Instrument Musik von Wagner aufgeführt haben könnte. (…)
Thomas Lubkowski
AZ –
So klang Wagner 1907 unter Mottl
Nun kann man erahnen, wie Wagner um die Jahrhundertwende im Prinzregententheater klang. 1907 setzte sich der Münchner Hofkapellmeister Felix Mottl an ein Welte-Mignon-Klavier, das die individuellen Feinheiten seines Spiels auf Lochstreifen festhielt. Die Ausschnitte aus „Parsifal“, „Tristan“ und „Lohengrin“ lassen sich auf einem modernen Steinway abspielen. Es ist verblüffend, wie diese Aufnahmen zeitgenössischen Beschreibungen von Mottls Dirigieren entsprechen. Seine Langsamkeit war umstritten, gerühmt wurde er von Richard Strauss für die „maßvoll schöne Modifizierung seines Tempos“. Dieses Dauer-Rubato, verbunden mit gebrochenen Klavier-Akkorden, verwandelt das „Tristan“-Duett fast in ein Nocturne von Chopin. Erstaunlich ist die romantische Eleganz dieser Auffassung, die mit dem angeblichen Wagner-Pathos alter Zeiten nichts zu tun hat.
RBR
Pizzicato –
Authentisches von gestern
Irgendwie ist es schon unheimlich: Da erklingen auf einem Steinway von heute die Interpretationen des legendären (Dirigenten) Felix Mottl (1845-1911), die dieser 1907 im Welte-Mignon Verfahren, also auf Rollen eingespielt hat. Das Welte-Mignon Verfahren ist aber eine höchst komplexe Aufnahme- und Wiedergabeprozedur, die hier in wenigen Worten nicht erklärt werden kann. Der interessierte Hörer wird im Booklet eine präzise Erläuterung dazu finden.
Als historisches Dokument ohne historischen Klang besitzt diese CD natürlich einen unschätzbaren Wert, zumal der Bruckner-Schüler Mottl ja ein großer und von Cosima hochgeschätzter Wagner-Dirigent war. Wenn er auch kein genialer Pianist war, so erleben wir doch hier die Vorspiele zu Lohengrin, Tristan und Parsifal, sowie für Klavier umgeschriebene Opernauszüge aus allererster Hand.
Was überrascht, sind die sehr langsamen, aber voll ausgefüllten Tempi, die Zeugen einer vergangenen Ära sind, als Wagner noch anders verstanden wurde und man ihn nicht entrümpeln und entschlacken musste. Wer unbefangen an diese Doppel-CD herangeht, wird an einer faszinierenden und klanglich hervorragenden Reise in die Vergangenheit teilnehmen. Hörenswert!
Steff
Crescendo –
Die Welte-Mignon-Rollen von Félix Mottl, veröffentlicht von TACET
Nach einem Album mit Granados (besprochen in crescendo Nr. 75) setzt das Label TACET seine Reihe zu den Welte-Mignon-Rollen fort – diesmal mit dem vollständigen Nachlass des großen Dirigenten und Pianisten Felix Mottl aus dem Jahr 1907. Es ist faszinierend, den Mann zu hören, der zu den prägendsten Wagner-Interpreten zählte und sich Tristan so sehr zu eigen machte wie einst Hermann Levi Parsifal – oder später Karl Muck und Hans Knappertsbusch.
Trotz der bekannten technischen Grenzen des Systems spürt man hier zugleich große Emotion und jene „Ticks“, die bereits in zeitgenössischen Berichten beschrieben wurden: extreme Langsamkeit, fast bis zur Auflösung der musikalischen Linie, ein Gefühl von Ewigkeit, allgegenwärtige Majestät. Als Säule der Bayreuther Festspiele verkörpert Mottl den Geist der „Heiligen Stätte“: Egal welches Werk er dirigiert – er tut es mit der andächtigen Hingabe der Pilger auf dem Grünen Hügel, die dem „heiligen Gegenstand“ mit absoluter Devotion dienen.
Diese Haltung findet sich auch anderswo: Die Schellackaufnahmen von Karl Muck (und in geringerem Maße von Knappertsbusch) vermitteln denselben besonderen Geist. Ist ein solcher Ansatz heute noch vertretbar? Vielleicht nicht – zumal die aktuelle Tendenz darin besteht, Wagners Werk (gefährlich vermengend mit Politik) abzuwerten. Doch scheint er mir unverzichtbar, um die Umstände der Entstehung, Uraufführung und frühen Aufführungen dieser von Schicksalsschlägen geprägten Meisterwerke zu begreifen.
Auf diesen sehr kurzen Tonträgern (hätte man sie nicht mit Zeugnissen anderer Künstler ergänzen können?) finden sich Wagners berühmteste Passagen: die Vorspiele zu Lohengrin, Parsifal und Tristan, der Brautchor und Elsas Traum aus Lohengrin, die Karfreitagszauber- und Verwandlungsmusik aus Parsifal sowie das Quintett der Meistersinger. Allein ihre Existenz macht diese „Bänder“ zu kostbaren Dokumenten einer Kunst, von der nur noch wenige Fragmente bleiben.
Bernard Postiau
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französischer Originaltext:
Les Rouleaux Welte-Mignon de Félix Mottl publiés par TACET
„Poursuivant sa série consacrée aux rouleaux Welte-Mignon, après un album Granados dont nous avons rendu compte dans crescendo n° 75, le label TACET nous offre cette fois l′intégralité du legs réalisé en 1907 par le grand chef d′orchestre et pianiste Felix Mottl. Il est bien sûr passionnant de pouvoir entendre celui qui fut l′un des chefs fétiches de Wagner, s′étant pour ainsi dire approprié Tristan, à l′instar de Hermann Levi qui, lui, se fera le champion de Parsifal, comme le seront Karl Muck et Hans Knappertsbusch après lui.“
Malgré les limitations du système dont nous avons déjà parlé, on sent ici tout à la fois une grande émotion et des „tics“, déjà relevés dans la littérature de l′époque: lenteur extréme, à la limite de la désintégration de la ligne musicale, impression d′éternité, majesté omniprésente, Pilier du festival de Bayreuth, Mottl participe à l′esprit du Saint Etablissement: quelle que soit l′œuvre qu′il aborde, il le fait avec la vénération coutumière des fervents venus en pélerinage sur la colline verte, servant l′objet sacré avec une totale dévotion.
Cette approche peut être entendue ailleurs: les enregistrements sur circ de Karl Muck et, dans une moindre mesure, de Hans Knappertsbusch, restituent également cet esprit si particulier. Une telle démarche est-elle encore défendable aujourd′hui? Peut-être pas, d′autant que la mode du temps est à la dépréciation -mêlant dangereusement art et politique- de l′œuvre wagnérienne. Mais elle me semble indispensable pour mieux comprendre les circonstances de la composition, de la création et des premières représentations de ces chefs-d′œuvre aux mille vicissitudes.
On trouvera dans ces très courts disques (n′aurait-on pas pu les compléter avec les témoignages d′autres artistes?) les pages les plus célèbres de Wagner: Préludes de Lohengrin, Parsifal et Tristan, Chœur des fiançailles et rève d′Elsa de Lohengrin, Enchantement du Vendredi Saint et musique de transformation de Parsifal, quintette des Meistersinger. Le seul fait que ces „bandes“ existent les rend précieuses sur un art dont il ne nous reste que quelques rares bribes.“
Bernard Postiau
klassik.com –
–> Original-Rezension
(…) diese musikalische Zeitreise in Sachen Wagner ist eine sehr spannende Angelegenheit.
WDR 3, Mosaik am Samstag –
Mottl, 1856 nahe Wien geboren, war einer der eifrigsten Vorbereiter der ersten Bayreuther Festspiele, bei denen er erstmals 1886 als Dirigent mitwirkte. Nach mehrjähriger Leitung des Philharmonischen Vereins Karlsruhe wurde Mottl 1903 Generalmusikdirektor in München, wo er am 2. Juli 1911 starb.
Wir dürfen seinen Wagner-Interpretationen durchaus den Rang hoher Authentizität beimessen. Cosima Wagner hatte Mottl, nach Richards Tod, 1886 für ihre eigene Neuinszenierung des „Tristan“ als Dirigent nach Bayreuth verpflichtet. In der Folgezeit blieb er ihr musikalischer Berater und leitete bis 1906 sämtliche „Tristan“-Aufführungen, dazu Produktionen des „Tannhäuser“, „Lohengrin“ und des „Fliegenden Holländers“. Die langsamen Tempi, wie sie die Schallplattengeschichte vor allem mit dem Namen Hans Knappertsbusch verbindet, gehen bereits auf die Klangvorstellungen Cosima Wagners zurück. Doch diese legte nicht nur Wert auf gedehnte Tempi, sondern auch auf große Textverständlichkeit. Die Artikulation Mottls scheint sich daran genau halten zu wollen.
Christoph Vratz