096 CD / Ilse Fromm-Michaels: Sämtliche Klavierwerke
Ilse Fromm-Michaels
Sämtliche Klavierwerke
Complete Piano Works
Babette Dorn, piano
EAN/barcode: 4009850009603
Beschreibung
Ilse Fromm-Michaels (1888 – 1986) war zu Anfang unseres Jahrhunderts eine gefeierte Pianistin und Komponistin. 1933 wurde über sie ein totales Berufsverbot verhängt, da sie sich weigerte, sich von ihrem jüdischen Mann zu trennen. Sie durfte nicht mehr öffentlich konzertieren, ihre Werke durften weder gedruckt noch gespielt werden. Diese Diskriminierung wirft ihre Schatten bis auf den heutigen Tag.
12 Bewertungen für 096 CD / Ilse Fromm-Michaels: Sämtliche Klavierwerke
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Fono Forum –
Eine Klassikerin der Moderne
… Es geht nicht um ein Plädoyer für komponierende Frauen, sondern einfach darum, eine herausragende Künstlerin zu würdigen, die – wie Grete von Zieritz – eine Klassikerin der Moderne ist und sich als Interpretin für ihre Zeitgenossen stark machte. – Frühe Klavierwerke wie „Vier Puppen“ oder die acht Skizzen berühren als Charakterstücke unmittelbar das 19. Jhdt, denken Schumann, aber auch Brahms weiter; in die Sonate von 1917 weht spürbar der 1. Weltkrieg hinein… Selbst wenn Ilse Fromm-Michaels, deren Satzkunst so souverän ist und deren Ernst immer wieder tief berührt, sich einem „Walzerreigen“ zuwandte, geriet der Tanz ihr im Sinne Schuberts zur gebrochenen Freude. – Babette Dorn führt punktgenau in diese herbe Welt des Abschieds… Sie macht die Dringlichkeit dieser Musik bohrend nachdrücklich deutlich. Vielleicht werden nun auch andere Pianisten hellhörig.
Emma –
Während der Nazi-Zeit hatte sie Berufsverbot, weil ihr Mann Jude war. Später geriet sie, wie so viele Komponistinnen, in Vergessenheit. Dass die Werke von Ilse Fromm-Michaelis (1888-1986) jetzt doch Publikum finden, ist Babette Dorn zu verdanken. Die mehrfach preisgekrönte Pianistin besuchte Fromm-Michaels Sohn, lies sich die Kompositionen aus dem Nachlass seiner Mutter geben und spielte nun erstmals die vergessenen Töne auf CD ein. Die Komponistin durchwandert mit ihrem Klavierwerk das ganze Spektrum abendländischer Musik. Die informative und lebendige Einführung im CD-Booklet stammt ebenfalls von Pianistin Babette Dorn. Eine Meisterinnen-Leistung!
Eva Rieger
klassik-cd.org –
Wer Debussy liebt, darf an dieser Einspielung nicht vorbeigehen. Und selbst die, die Debussy zumindest mögen, sollten sich einige Stunden Zeit nehmen, um sich in das Klavierwerk der Pianistin und Komponistin Ilse Fromm-Michaels einzuhören. Ihre Lebensgeschichte ist auch ein Teil deutscher Geschichte. 1888 geboren erlebt sie den Ersten Weltkrieg. Das Entsetzen ist in der Sonate von 1917, ihrem umfangreichsten Klavierwerk, deutlich zu spüren. Die Hitlerzeit bedeutete für Ilse Fromm-Michaels eine Zeit der inneren Emigration. Sie selbst durfte nicht auftreten, ihre Werke nicht gespielt werden. Erholt hat sich die Künstlerin von diesen Erlebnissen nicht mehr. Sie fand nach Ende des Krieges ihre Berufung als Professorin für Klavier an der Hamburger Musikhochschule. 1986 starb Ilse Fromm-Michaels. Diese CD ist ein hervorragendes Abbild ihres Schaffens.
Andre Busche
Crescendo –
Frau als Klavierlehrerin? Nett. Frau als Konzertpianistin? Auch nett. Frau als Komponistin? War da was? – Auch bei Ilse Fromm-Michaels (1888 – 1986) standen Konzertkarriere und pädagogisches Wirken im Vordergrund. Das Oeuvre der Komponistin ist schmal, zumal sie von den Nazis mit einem Berufsverbot belegt wurde und danach fast „verstummte“. Fromm-Michaels ist in der Spätromantik verwurzelt, doch zwischen den Skizzen der 20-Jährigen und dem späten Langsamen Walzer entfaltet sich, von Babette Dorn sensibel interpretiert, ein individueller musikalischer Weg. Tonalität und Ausdruck werden freier, ernster und härter. Dies zeigen schon die am Kriegsende entstandenen Werke, darunter die Sonate von 1917. Eindrucksvoll!
JH
Rondo. Das Klassik & Jazz Magazin –
Eine biedere ältere Dame mit einem ebenso biederen Doppelnamen blickt uns vom pics entgegen, und um erheiterte Herablassung („Dissertationsthemen in der feministischen Musikwissenschaft werden wohl rar?“) nicht erst aufkeimen zu lassen, sollte man gleich zur Klaviersonate op. 6 vorangehen. Es ist eine jener Kompositionen, bei denen wir uns fragen, warum um Himmels willen sie heute niemand kennt. Pfitzner und Reger waren die Vorbilder der 1888 im Hamburg geborenen Komponistin, doch geht diese fünfundzwanzigminütige, ungeheuer dichte und emotionsgeladene Musik weit über die „Regerismen“ hinaus, die in früheren, auch auf dieser CD zu hörenden Klavierwerken durchscheinen. Die 1917 komponierte Sonate klingt so düster, so mystisch, als habe die Komponistin damals Skrjabin (Zweite Sonate!) bereits entdeckt. Im Beiheft ist zu lesen, dass der Dirigent Artur Nikisch die junge Pianistin 1918 gleich als Solistin des dritten Rachmaninow-Konzertes engagierte, nachdem sie ihm diese Sonat vorgetragen habe. Die Anekdote lässt die pianistische Durchschlagskraft dieses Stückes ahnen. Die junge Pianistin Babette Dorn meistert den spätestromantisch komplizierten, teilweise hypertrophen Satz mit einer Souveränität und Klangfantasie, die das Niveau von Raritätenproduktionen deutlich übertreffen. Nach 1945 verstummte Ilse Fromm-Michaels, die erst 1996 mit achtundneunzig Jahren starb. Wen wir ihre Werke mit dieser CD wiederentdecken, bedarf sie des Etiketts der „komponierenden Frauen“ und „Vergessenen“ nicht, mit dem die Ausgrabung von Zweifelhaftem gerne legitimiert wird. Wir stehen vor reifen, ausgefeilten Schöpfungen.
Matthias Kornemann
Otto-Ackermann-Archiv aktuell –
Es gibt Schallplatten (und CDs), zu denen man eigentlich gar nicht viel sagen kann, weil sie – von welcher Seite aus betrachtet – rundum perfekt geraten sind. Zu dieser (seltenen) Spezies zählt das von Babette Dorn eingespielte klavieristische Gesamtwerk von Ilse Fromm-Michaels… es ist durchgängig auch ein ausgesprochen frauliches Spiel – mit ein wenig Einbildung ist vielleicht sogar ein Vergleich nicht ganz abwegig mit der Art, wie Clara Haskil Mozart und Schubert gespielt hat!
Gert Fischer
VivaVoce –
… Diese CD war wirklich fällig.
Klassik heute –
… Die wenigen Kompositionen, die nicht ihrer unbarmherzigen Selbstkritik zum Opfer fielen und nicht vernichtet sind, verblüffen durch markante Dichte und expressionistische Intensität…
Peter Schlüer
Piano News –
… Wie eine Erinnerung an das Verlorene kommt zum Schluss der späte langsame Walzer daher. Er hat etwas Versöhnliches… Eine beeindruckende Frau, die hier von einer ebenso beeindruckenden Frau interpretiert wird.
Helmut Peters
Ongaku no sekai (Japan) –
Fromm-Michaels: eine stille Widerständlerin
Eine CD von einer unbekannten Komponistin. ′Sämtliche Klavierwerke in einer einzigen CD? … Sehr kompakt! 1888-1986, ach, hat sie so lang gelebt … Aber wer ist sie eigentlich? Sicher habe ich einmal diesen Namen gehört …′ Das war der Anlass, die Aufnahme der Klavierwerke von Ilse Fromm-Michaels (TACET 96, Klavier: Babette Dorn) in die Hand zu nehmen. Die gebürtige Hamburgerin studierte Komposition und Klavier in Berlin. Einer von ihren Lehrern war Pfitzner, und unter ihren Mitschülern kann man den Namen Otto Klemperer finden, mit dem sie später mehrmals spielte. Danach hatte Fromm eine glänzende Karriere vor sich. Sie musizierte mit Nikisch, Furtwängler und Schuricht. Auch der Komponist Max Reger schätzte ihre Aufführung seiner „Bach-Variationen“. Während sie sehr aktiv die modernen Werke von Bartok, Strawinski und die der neuen Wiener Schulen spielte, komponierte sie auch weiter. Aber da fiel ein schweres Schicksal auf sie: da ihr Mann von jüdischer Abstammung war, wurde er von den Nazis aus seinem Amt entlassen. Fromm darf nicht mehr im Konzert auftreten. Wenn sie sich von ihrem Mann hätte scheiden lassen, hätte sie vielleicht ihre Tätigkeit fortsetzen können. Aber sie erträgt diesen schweren Zustand. Das Paar überlebte den Krieg, aber tragischerweise verstarb ihr Mann bald. Die Konzerttätigkeit, die sie nach dem Krieg wieder angefangen hatte, gab sie endlich auf. Danach konzentrierte sich Fromm auf die Lehrtätigkeit. Sie sagte einmal: „Nach jener Zeit hat man alle Basis verloren. Meine Freunde sind gestorben, ich habe keinen Kontakt mehr.“ Aber es dürfte noch weitere Gründe geben. Vielleicht schien ihr die Avantgarde-Musik fremd, unzugänglich. Beim Anblick auf Deutschland, wo man immer mehr nach der wirtschaftlichen Entwicklung strebte, mußte sie sich fragen: „Was waren zwei Weltkriege? Was für eine Bedeutung hat unser Leiden?“ Es scheint, dass das tiefe Einsamkeitsgefühl ihr Schweigen veranlasste. Auf dieser CD sind 7 Stücke. Die frühen Werke wie „Vier Puppen“ und „Acht Skizzen“ stehen unter dem Einfluß der Charakterstücke Schumanns. „Variationen über ein eigenes Thema“ sind eine gute Hommage an Schumann und ihren Landsmann, Brahms. Aber deren Harmonie bewegt sich in so moderner Weise, daß man sich an die Werke von Skriabin erinnert. Bei der „Sonate für Klavier“(1917) ist der Klang der Barkarole sehr auffällig. Der verzweifelte, schwere Rhythmus bringt das Gefühl der Ausgangslosigkeit zum Ausdruck. Der Hörer mag solch ein Bild haben: es steht eine undurchbrechbare kalte Mauer, den Weg sperrend. Kein Umweg. Man weiß wohl, dass man nie die Mauer übersteigen kann, trotzdem muss man sich ewig dieser Mauer entgegenstemmen… Beim Hören des „Langsamen Walzers“ muss der Hörer von der stillen, klaren Traurigkeit dieser Musik hingerissen werden. Alle Werke hier sind eher schwermütig als dramatisch, sie warten auf einen teilnahmsvollen Zuhörer. Aber wenn man einmal lernt, dieser stillen Stimme Gehör zu schenken, wird man davon tief erschüttert werden.
Yutaka Oyamada
Yorkshire Post –
Interpretation: ★★★★★
Aufnahme: ★★★★★
Die Ehe mit einem Juden brachte Ilse Fromm-Michaels künstlerische Verfolgung – die Nazis verboten Aufführungen ihrer Musik. Sie und ihr Mann überlebten den Krieg, doch ihr Schreibdrang war gebrochen. Diese wunderschön interpretierte und aufgenommenen Einspielung ihres gesamten Klavierwerks zeigt eine Komponistin von großer Eigenständigkeit. Der Charme ihrer Vier Puppenbilder steht neben der kraftvollen Strenge der Sonate von 1917, und ein echter Humor blitzt im Walzerreigen auf. Eine unbekannte Komponistin, die es unbedingt zu entdecken gilt.
Classics Today –
Referenzaufnahme: „This one“
Die Komponistin und Pianistin Ilse Fromm-Michaels war ihr langes Leben über überwiegend in Hamburg ansässig (geboren 1888, wurde sie 98 Jahre alt). Am berühmten Stern’schen Konservatorium, wo sie mit einem Mitschüler namens Otto Klemperer befreundet war, studierte Fromm-Michaels Klavier bei James Kwast und Komposition bei Hans Pfitzner. Max Reger schrieb ihr nach dem Anhören ihrer Interpretation seiner monumentalen Bach-Variationen ein Empfehlungsschreiben. Sie muss eine herausragende Pianistin gewesen sein, um sich an Fingerbrecher wie die Konzerte von Busoni und Reger oder Rachmaninows Drittes Klavierkonzert zu wagen. Nachdem Artur Nikisch sie in ihrer eigenen Klaviersonate – dem umfangreichsten Werk ihres klavieristischen Œuvres – gehört hatte, lud er sie ein, Rachmaninows Drittes unter seiner Leitung zu spielen.
Ihre Klaviermusik zeigt sich gleichermaßen geprägt von Rachmaninows wirbelndem Filigran wie von der knorrigen Chromatik ihres Mentors Pfitzner. Während der Walzerreigen op. 7 zu Brahms’ schwebender Wehmut zurückzublättern scheint, ist ihre Passacaglia von 1932 aus einem asketischen Grundriss geschmiedet, der mit Atonalität flirtet. Hinzu kommen eine faszinierende Variationsreihe über ein eigenes Thema sowie zwei frühe Bände mit Miniaturen. Fromm-Michaels’ letztes Klavierwerk war ein um 1950 entstandener, nostalgisch getönter Walzer, der sich gut in ein Kreisler-Heft oder eine Oper von Korngold einfügen würde.
Babette Dorns solides Klavierspiel und ihr exzellentes Musizieren machen überzeugend deutlich, warum Fromm-Michaels’ im Kern derivatives, letztlich aber lohnendes klavieristisches Schaffen eine Wiederentdeckung verdient. Sollte sich ein mutiges Label an ihre Sinfonia von 1938 oder die Musica larga für Klarinette und Streichquartett wagen – ich wäre dabei, zuzuhören.
Jed Distler