265 CD / Johann Sebastian Bach: Partitas Part 1 BWV 825, 826, 830
Beschreibung
Einen Zyklus von Klavierwerken Johann Sebastian Bachs hatte Evgeni Koroliov bisher noch nicht eingespielt, nämlich die Partiten. Hier kommt Teil 1 mit BWV 825, 826 und 830. Da Koroliov sich Zeit nimmt, passen sie nicht auf eine CD, doch das ist kein Schaden für die Hörer. Sie zahlen wie oft in solchen Fällen bei TACET nur 1 CD, bekommen aber 2.
Komponisten wie Ligeti oder Kurtág haben Koroliovs Bachinterpretationen gelobt, ebenso wie viele Rezensenten auf der ganzen Welt und zahllose Hörer. Gerade in einer Zeit, in der viele abgeschieden, von Kontakten getrennt leben müssen, ist diese Musik die reine Labsal. Kein Tastengeklingel, keine Dramatik, stattdessen Besinnung und Vertiefung in die Schönheiten der Details und des Ganzen. Man tritt in einen intimen Dialog mit Bach, von Koroliov vermittelt, und ist allein im Austausch mit diesen beiden vollständig ausgefüllt. Schöner kann die Zeit nicht vergehen.
6 Bewertungen für 265 CD / Johann Sebastian Bach: Partitas Part 1 BWV 825, 826, 830
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hören & fühlen –
–> zur Rezension auf „hören & fühlen
Diapason –
(…) Chez Evgeni Koroliov, la suite de danses baroque s’est éloignée de la salle de bal comme du salon pour s’en aller vers la chapelle. Savourée (ou méditée) à des tempos qu’on pourra dire de sénateur, chaque partita trouve ici un cheminement spirituel. Le refus des extrêmes, la pédale parcimonieuse voire absente, un contrôle aussi absolu de la polyphonie et de l’agogique pourraient signifier de la raideur ou de la froideur. Non pas. Tout au contraire, quoique guère accentuée, la vie métrique est bien là, et même à la française quand il le faut, et avec même des agréments ajoutés, jamais gratuits, toujours organiquement intégrés au discours et prenant leur juste part à une rhétorique dont le registre est sans conteste l’élégiaque. (…)
Paul de Louit
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(…) Bei Evgeni Koroliov hat sich die barocke Tanzsuite aus dem Ballsaal und dem Salon in die Kapelle verlagert. Jede Partita, die in einem Tempo genossen (oder meditiert) wird, das man als senatorisch bezeichnen könnte, findet hier einen spirituellen Weg. Die Ablehnung von Extremen, das sparsame oder gar fehlende Pedal, eine so absolute Kontrolle der Polyphonie und der Agogik könnten Steifheit oder Kälte bedeuten. Das ist nicht der Fall. Ganz im Gegenteil, obwohl kaum betont, ist das metrische Leben sehr wohl vorhanden, sogar auf französische Art, wenn es sein muss, und mit sogar hinzugefügten Annehmlichkeiten, die nie umsonst sind, immer organisch in den Diskurs integriert sind und ihren gerechten Anteil an einer Rhetorik haben, deren Register zweifellos das elegische ist… (…)
Paul de Louit
Audio –
(…) voll Poesie und Schönheit in immensem Detailreichtum ohne aufgesetzte Dramatik, ohne Rückungen, ohne Hetze. (…)
Lothar Brandt
concerti –
–> zur Originalkritik
Mit seiner Aufnahme von Bachs „Die Kunst der Fuge“ ist Evgeni Koroliov Anfang der neunziger Jahre bekannt geworden. Für György Ligeti war es die Platte, die er auf „eine einsame Insel“ mitnehmen und dort „bis zum letzten Atemzug“ immer wieder hören würde. Seitdem hat Koroliov zwischen seinen anderen Projekten immer wieder Bachs Klavierwerke zyklisch eingespielt. Mit den sechs Partiten, die zu den beliebtesten Klavierwerken Bachs zählen, hat er lange gewartet, legt aber nun mit den Partiten No. 1, 2 und 6 die erste Hälfte bei seiner bevorzugten Plattenfirma Tacet vor. Was soll man sagen: Die Art und Weise, mit der Koroliov diese Musik spielt, hat etwas Endgültiges, Unangreifbares. Hier stimmt einfach alles: der entspannte Duktus, der große Atem, die Balance der Stimmen, die in den Fluss der Musik eingebetteten Verzierungen. Wer einen quasi „vollendeten“ Bach sucht: Hier ist er.
Frank Armbruster
Pizzicato –
–> zur Original-Kritik
Koroliovs großartiger Bach
Mittlerweile ist die von Tacet initiierte Koroliov-Reihe bei Vol. 23 angelangt. Und es lohnt sich noch immer, sich mit diesem Pianisten zu beschäftigen und zu hören, was er zu sagen hat. Auf dieser ersten Veröffentlichung der Bachschen Partiten erlebt der Hörer in allen Hinsichten wundervolle Interpretationen der Partiten 1, 2 & 6. Es ist ein recht vollmundiger Bach, den uns Koroliov hier beschert und auf den ersten Blick sieht es so aus, als würde er voll in der Linie der russischen Schule stehen. Aber schnell stellt man fest, dass der Pianist zwar einen satten und klangintensiven Anschlag bevorzugt, der auch gut zu Beethoven gepasst hätte, sich aber immer wieder auf das präzise Ausleuchten der einzelnen Sätze konzentriert. So wirkt vieles elegant virtuos wie bei Chopin oder farblich nuanciert und impressionistisch wie bei Debussy. Der mittlerweile 71-jährige Pianist ist spieltechnisch hervorragend, er spielt konzentriert, präzise, dynamisch und so birgt dieser Bach ein ganzes Universum, in dem eben Komponisten wie Beethoven, Chopin oder Debussy zu Gast sind und zeigen, welchen großen Einfluss Bachs Musik doch auf alle ihm folgenden Komponisten hatte. Wohlgemerkt, Koroliovs Interpretationen sind keine Ansammlung von Versatzstücken, die puzzleartig zusammengesetzt sind, sondern besitzen ein eigenes, wohldurchdachtes und schlüssiges Konzept, das zudem noch die ganze Emotionalität und einmalige intimistische Momente dieser Partiten zulässt, ja regelrecht beschwört. In diesem Sinne freuen wir uns jetzt schon auf die nächste CD mit Koroliovs Bach-Partiten 3, 4 & 5.
Alain Steffen
Klassik heute –
–> zur Original-Kritik
Warum hüpft das Herz des Rezensenten vor Freude, wenn ihm eine CD des Pianisten Evgeni Koroliov angekündigt wird? Weil der 1949 in Moskau geborene, seit 1978 in Hamburg lebende Künstler mit unendlicher Sorgfalt und geradezu liebender Hingebung seine Programme vorbereitet, weil dieser Künstler nicht sich, sondern den jeweils gespielten Komponisten herausstellt, weil er quasi in den gespielten Komponisten zu verwandeln scheint. Die Ehrfurcht vor dem Werk wandelt sich um in eine Interpretation, die ins Innerste des Werkes zielt.
Musik für die einsame Insel
Booklet-Lyrik kann ja manchmal arg panegyrisch sein, aber dem ungarischen Komponisten György Ligeti stimmt der Rezensent vorbehaltlos zu: „Wenn ich nur ein Werk auf eine einsame Insel mitnehmen darf, wähle ich Koroliovs Bach, denn diese Platte würde ich, einsam verhungernd und verdurstend, bis zum letzten Atemzug immer wieder hören.“ So wird Ligeti im Booklet zitiert.
Man kann Bach trällern, man kann Bach stampfen, lyrisch opulent spielen oder vergeistigt strukturell, man kann Bach wie eine Nähmaschine nadeln oder wie in einem Sturmlauf durchrasen – oder wie Koroliov spielen. Er vereinigt Kontrapunktik mit Melodik, er verbindet stringente Klarheit mit farbsattem Klang, er schafft klanglich vollkommene Ausgewogenheit. Seine durchdachte Phrasierung, diese sorgfältig geplante Abfolge von Gewichtung und Abklang, die bisweilen an ein Orgelspiel denken lässt, ist eingebunden in die logische Prozessstruktur: klingende Logik, logischer Klang.
Überreich an Entdeckungen
An musikalischen Entdeckungen ist diese Doppel-CD mit drei Bach-Partiten überreich:
Koroliov setzt den Schluss an den Anfang, beginnt mit der Krönung: Die e-Moll-Partita Nr. 6 ist die aufwendigste und ambitionierteste der sechs Partiten. Die dreistimmige Fuge der Toccata bekommt bei Koroliov, auch durch den behutsamen Einsatz des Pedals, etwas Versonnenes, ja Träumerisches, die melismenreiche Allemande lässt bei Koroliovs Interpretation ahnen, warum Chopin lebenslang von Bach so begeistert war, die durch elegante Synkopik rhythmisch schwebende Corrente überzeugt mit zart hingetupfter, aber immer drängelnd sprudelnder Virtuosität. Die Sarabande nimmt Koroliov nicht so pathetisch wie Murray Perahia (2009) und nicht so energie-explosiv wie Igor Levit (2014), sondern versonnen fragend, wie in sich hineinhorchend, das ornamentale Melos irrlichtert bisweilen phantastisch: ein tiefes Klanggeheimnis.
Wunderschön zart singend
Und immer bleibt Koroliovs Ton vollleuchtend und doch herrlich klar. Auch die Sarabande in der Partita Nr. 1 B-Dur schreitet gedankenausschwingend, strukturiert durch bedachtsam-delikate, wie sanft gezupfte Basstöne. Koroliov kann aber auch virtuos prunken, funkeln und glitzern wie in der rauschenden Gigue, bleibt dabei aber immer leichtfingrig.
Den ersten Satz der Partita Nr. 2 c-Moll, die Sinfonia, beginnt Koroliov gravitätisch, kostet dann wunderschön zart singend das Ariose des folgenden Andante aus und lässt diesen Satz schließlich in die vitale, dabei aber immer spielerisch-grazil gespielte Fuge münden. Aufschlussreich ist ein Vergleich mit einer Aufnahme von Martha Argerich (1980): Die beginnt mit feurig-fiebrischer Wucht, durcheilt dann ziemlich rasch das Arioso und wird dann noch schneller und fast rasend in der Fuge: ein aufs Ende zielende, also final ausgerichtete Darstellung, während Koroliov die Gleichgewichtigkeit aller drei Teile betont und damit eine sorgfältig austarierte Gesamtarchitektur schafft. Die Sarabande ist eine zarte Innerlichkeits-Etüde, heiter gehüpft kommt das diese Partita abschließende Capriccio daher in einer „humoristischen Leggerezza“ (Werner Oehlmann): Lieben Sie Bach? Dann hören Sie Koroliov!
Hervorragend kann sich der singende Ton von Koroliov in der Jesus-Christus-Kirche in Berlin-Dahlem entfalten und genauso hervorragend ist der Ton des Steinways eingefangen. Insgesamt wahrlich eine Doppel-CD für die Insel!
Rainer W. Janka