093 CD / Johann Sebastian Bach: Das wohltemperierte Klavier I

The Koroliov Series Vol. V

Johann Sebastian Bach

The Well-Tempered Clavier I
BWV 846-869
Evgeni Koroliov, piano

EAN/barcode: 4009850009306

Beschreibung

„(…) Evgeni Koroliov kann mithalten mit den genialischen Vexierspielen eines Glenn Gould oder den Entdeckungen der „Originalklang“-Praxis – weil er Eigenes zu sagen hat, auch wenn er kaum abzuweichen scheint von den bekannten Pfaden. Was nicht heißen soll, dass nichts mehr zu lernen wäre aus seinen Bach-Deutungen. (…) Koroliov findet für jedes Stück eine ihm eigene Farbe, aufgefächert zwischen archaisch robustem Zupacken (…) und pianistisch ausgefeiltem Klangspiel (…). Am nachhaltigsten aber fesselt er da, wo er am Tiefsten gräbt: Das ruhige, selbstvergessene Loten nach dem Grund etwa der der großen Moll-Fugen fördert nichts weniger zu Tage, als das eigentlich Entscheidende dieser Musik.“ (Süddeutsche Zeitung)

17 Bewertungen für 093 CD / Johann Sebastian Bach: Das wohltemperierte Klavier I

  1. hifi & records

    (…) Evgeny Koroliov (…) lässt diese große Musik einfach wirken und stellt sich ihr nicht in den Weg. Schon beim zweiten Präludium vergisst man den Musiker und taucht hinab in die wunderbaren Verästelungen der Kunst. Diese asketische Lesart lenkt derart konzentriert auf die Musik, dass das Hören zu einer meditativen Übung wird. Dies ist ausdrücklich positiv gemeint, da dieses Werk zu schade für ein beiläufiges Konsumieren ist und eine unbedingte Fokussierung des Hörers verdient. Eingriffe in den Notentext sind für Koroliov undenkbar und die Argumente manch anderer Pianisten, man müsse in dichten Fugen hin und wieder Stimmen nach oben oktavieren, um sie besser hörbar zu machen, entkräftet er mit seiner perfekten, nie zum Selbstzweck werdenden Technik. Bei ihm hört man immer alles, und so müssen besagte Solisten wohl einfach noch etwas mehr üben. (…)
    Stefan Gawlick

  2. Die Zeit

    Als bedeutenden Bach-Interpreten hätte man ihn schon vor 10 Jahren würdigen können. 1990 veröffentlichte ein kleines Stuttgarter Label Bachs Kunst der Fuge in der Einspielung eines so gut wie unbekannten russischen Pianisten. Für György Ligeti war das die CD für die einsame Insel. Der Komponist äußerte sich überzeugt davon, er würde Koroliovs Bach, käme es wirklich darauf an, „verlassen, verhungernd und verdurstend bis zum letzten Atemzug hören.“ Ein großes Wort. Ansonsten aber lässt sich nicht unbedingt sagen, dass die in der Tat faszinierende, im vergangenen Jahr glücklicherweise wieder veröffentlichte Aufnahme eine halbwegs adäquate Resonanz erfahren hätte.
    Heute ist Evgeni Koroliov fünfzig Jahre alt und nach wie vor eine weitgehend unbekannte Größe. Das Bach-Jahr sollte das ändern – Jubiläen können schließlich auch ihr Gutes haben… Bach und Koroliov – das ist eine fast lebenslange Beziehung. Siebzehnjährig spielt er in seiner Heimatstadt Moskau das Wohltemperierte Klavier, möglicherweise auch unter dem Einfluss der in der Sowjetunion wie ein lebender Mythos verehrten Pianistin und großen Bach-Interpretin Maria Judina. Sie gab dem jungen Pianisten gelegentlich kostenlosen Unterricht, genauso wie ihr Kollege Heinrich Neuhaus, die zweite russische Pianistenlegende nach dem Krieg. Von daher verkörpert Koroliov auch eine große Tradition, die er nicht in Moskau oder Sankt-Petersburg, sondern als Professor der Hamburger Musikhochschule weitergibt. Verkehrte Welt… Koroliov ist ein Meister der Klangfarben, vermag die kammermusikalische Transzendenz einer Triosonate ebenso zu imaginieren wie das Aufbrausen einer voll registrierten Orgel. Seine Deutung der Kunst der Fuge klingt wie eine lustvolle Widerlegung der These vom spekulativen Spätwerk Bachs. Sie changiert zwischen kontemplativer Innenschau und prallem Leben, jenseitiger Versenkung und ausgestellter Virtuosität. Noch im rigidesten Kontrapunkt bleibt Bach für Koroliov ein großer Melodiker. Und in einigen der langsamen Moll-Präludien und -Fugen des Wohltemperierten Klaviers streift er sogar einen ins Romantische weisenden Tonfall, sucht tastend nach jenem Klang der Entgrenzung, der ahnen lässt, dass Bach hier unterschwellig auch von letzten Dingen reden wollte. – So wird Koroliov zum Analytiker und Mystiker in einer Person. Mit einem runden Klavierklang stellt er die phänomenale Durchhörbarkeit des Kontrapunkts her, die auch Friedrich Gulda 1972 in seiner bahnbrechenden Einspielung des Wohltemperierten Klaviers mit gläsernem, fast cembaloartig wirkendem Klang erreichte. Doch zugleich erinnert Koroliov wie in einem entfernten Nachhall an die Poesie, die ein Edwin Fischer in seiner Bach-Deutung der dreißiger Jahre entwickelte. — Bach auf dem Klavier – eine lange Geschichte. Fischer, Gould, Gulda sind darin nur einige Größen. Aber offen ist sie nach wie vor. Koroliovs Bach macht das nach Jahren wieder deutlich. Und György Ligeti wird vielleicht mit der einen CD auf der einsamen Insel doch nicht auskommen.
    Oswald Beaujean

  3. image hifi

    In jedem Moment seiner Einspielung des Wohltemperierten Klaviers vermittelt sich der Eindruck: Hier hat sich jemand in dreißig Jahren Interpretationserfahrung ein Wissen um das Werk erarbeitet. Vielleicht sagt es eben doch etwas aus, wenn ein Pianist mit Siebzehn das Wohltemperierte Klavier zum ersten Mal öffentlich spielt und seitdem nicht mehr davon lassen konnte. Erfahrung und Wissen sind das eine. Umsetzung in Klang das andere. Koroliovs zwei Hände fügen drei-, vier-, fünfstimmige Fugen aus perfekt durchgestalteten Einzelstimmen zu einem Ganzen zusammen, ohne dass man Nähte sieht, nur ein perfektes Gewand aus Einzelteilen in verschiedenen, wunderbar zusammenklingenden, innig leuchtenden Farben – Klavierspiel im goldenen Schnitt einer Dreieinigkeit aus Textgenauigkeit, Individualität und Seele. Wenn es überhaupt Bezugsgrößen für die auf TACET 93 gebotene Vollkommenheit gibt, dann findet man sie bei Claudio Arrali in seinen besten Aufnahmen und bei anderem Repertoire. Der setzte sein überragendes Können auch in Klavierspiel ein, das nicht „schneller“, sondern im Detail wie im Ganzen bezwingender durchgeformt war…
    …Es handelt sich nämlich um eine der klangtechnisch besten Klavieraufnahmen aller Zeiten und Tonträgerformate – aber interessiert Sie das wirklich?
    Heinz Gelking

  4. Klassik heute

    …Ernst, Sorgfalt und Tiefe von Evgeni Koroliovs Deutungen versprechen dieser Neuaufnahme trotz reicher Konkurrenz eine gute Zukunft.
    Peter Schlüer

  5. Stuttgarter Zeitung

    Mystisch ist es, dieses Klavier (…) Voraussehbar ist dabei kaum etwas: Hier spielt kein Technokrat, sondern ein Mystiker. Freilich einer, der so bestechend klar artikulieren kann wie Glenn Gould und dabei über Klangfarben verfügt wie Alfred Brendel. Fürwahr: Ein wahrer Kosmos tut sich hier auf.“
    fab

  6. Fono Forum

    DAS KOROLIOV-JAHR …

  7. Werner M. Grimmel

    … An analytischer Klarheit, Transparenz des Klangs bei fugierten Sätzen, kantabler Linienführung, rhythmischem Drive und praller Vitalität übertrifft diese Veröffentlichung sogar Friedrich Guldas wegweisende Aufnahme von 1972. Koroliov verfügt nicht nur über eine eminente Anschlagskultur, sondern auch über einen interpretatorischen Horizont, der sein makelloses Bach-Spiel stets ebenso vergeistigt wie sinnlich klingen lässt.. Die … aufnahmetechnisch vorbildliche Produktion mit einem originell-poetischen Booklet-Text von Christoph Ullrich weist den mittlerweile fünfzigjährigen Pianisten einmal mehr als einen der bedeutendsten Bach-Interpreten unserer Zeit aus.
    Werner M. Grimmel

  8. NWZ

    Für die einsame Insel
    …Schließlich, absolut top, der Pianist Evgeni Koroliov, der auch in der großen Hänssler-Edition mehrfach meisterhaft vertreten ist, mit dem Wohltemperierten Klavier I und der Kunst der Fuge (je 2 CDs bei TACET). Der Komponist György Ligeti würde diese Aufnahmen mit auf die vielzitierte Insel nehmen ′und einsam verhungernd und verdurstend bis zum letzten Atemzug immer wieder hören…′
    Hanns-Horst Bauer

  9. WDR

    … Das Wohltemperierte Klavier ist mehr als ein in sich ruhendes, um sich selbst kreisendes Schulwerk. Es wird bei Koroliov zum Kaleidoskop der Musikgeschichte und ihrer Interpretationsmöglichkeiten…
    Michael Krügerke

  10. Bayerischer Rundfunk

    …Seit der faszinierenden, wenn auch in ihrem romantisierenden Zugriff so heute nicht mehr möglichen Einspielung Edwin Fischers aus den 30er Jahren ist eine Reihe guter, zum Teil phänomenaler Gesamtaufnahmen auf dem Klavier entstanden, mit Glenn Gould oder Friedrich Gulda seien nur zwei davon erwähnt. Koroliov setzt diese große Interpretationstradition bruchlos fort, mit einem durchaus eigenständigen Ansatz, der zum einen auf glasklare Linien und Strukturen aus ist, Bach gleichsam unter das Vergrößerungsglas des Analytikers legt, der zum anderen und gleichzeitig aber einer durchaus romantisch angehauchten Haltung Raum gibt – für mich eine ideale Mischung von Herz und Kopf… Es ist an der Zeit, dass Koroliov endlich als einer der großen Bach-Interpreten, überhaupt als einer der wichtigen Pianisten unserer Zeit angemessen gewürdigt wird, sein Name ist sehr zu Unrecht viel zu wenig bekannt… Die phantastische Aufnahme ist bei TACET erschienen.
    Oswald Beaujean

  11. Stuttgarter Zeitung

    Ein Fixstern leuchtet selbst
    Unberührt von den Aufgeregtheiten des Tages zieht Evgeni Koroliov seine Bahn. Für die Medien ist er kein Star am Pianistenhimmel, denen aber, die ihn gehört haben und seine Aufnahmen schätzen, erscheint er in seiner stillen Größe als Fixstern, als ein sehr weit entfernter, selbst leuchtender Himmelskörper also, der da oben festgezurrt zu sein scheint, in Wirklichkeit aber seinen Ort, wenn auch langsam, ändert.
    Koroliov ist kein Blender und spielt nicht in der Liga der Selbstdarsteller, zur Vermarktung taugt so einer schlecht. Als einer, der wenig Aufhebens von sich und seinem Können macht, hatte er das Glück, dem richtigen Produzenten und Toningenieur zu begegnen. Nicht einer der Großmogule des Betriebs wollte ihn zu sich ins Boot holen – es war ein Glücksfall, Andreas Spreer, Gründer des Tacet-Labels in Stuttgart und ein Tüftler am Mikrofon, zu treffen. Spreer setzt auf die Ästhetik des unverfälschten Klangs. Nichts wird geschönt oder sonstwie manipuliert. Exzellent, mit keiner anderen Aufnahme zu vergleichen sind nach wie vor die Prokofjew-Einspielungen („Flüchtige Visionen“ Op. 22, „Sarkasmen“ Op. 17 und die Sonate Nr. 5 Op. 38, Tacet 32), vor allem die Schubert-CD mit einer ganz aus der Todesnähe der Musik heraus gestalteten großen B-Dur-Sonate und den Moments Musicaux (D 780, Tacet 46), Tschaikowskys nicht jedermann zugänglichen, kaum je einge- spielten „Jahreszeiten“-Zyklus (Tacet 25).
    Und Bach natürlich. Bach ist die Zentralsonne im Leben des in Hamburg lebenden Pianisten und Klavierprofessors Evgeni Koroliov (53). „Die Kunst.der Fuge“ (Tacet 13), eine der im besten Sinne fragwürdigsten Gegebenheiten der Musikgeschichte. Nun hat er, nach Jahren des Zauderns und Zagens, mit dem zweiten Band die Aufnahme aller 48 Präludien und Fugen des „Wohltemperierten Klaviers“ abgeschlossen (Tacet 93 und 104). Als Mitschnitte von Konzerten der Internationalen Bachakademie Stuttgart liegen bei Haussier Classics die „Goldberg-Variationen“ sowie zwei weitere Bach-CDs vor.
    Sein Bachspiel hält die Balance zwischen Intellekt und Emotion; es lehnt sich an die Melodie an und setzt druckvolle akkördische Akzente. Ein feuriger Geist begibt sich auf Innenschau. Koroliov schleift Kanten nicht ab und agiert hellwach. Damit entfernt er sich ebenso von dem hier feinfühlig romantisierenden Svjatoslav Richter wie von der Exegese des unorthodoxen Gould. (…)
    Jürgen Holwein

  12. International Record Review

    Koroljow beweist – wie andere herausragende Bach-Pianisten der Vergangenheit und Gegenwart – zweifelsfrei, dass diese Musik nicht nur auf dem Konzertflügel plausibel klingt, sondern von den Möglichkeiten des Instruments in Sachen Farbvielfalt, Dynamik und Artikulation profitiert. Tatsächlich liegt die beeindruckendste Qualität dieser Aufnahme darin, wie Koroljow jedes Präludium und jede Fuge so kompromisslos klavieristisch gestaltet, ohne dabei stilistische Brüche zu erzeugen. Sein Klang mag zwar nicht den außergewöhnlich prismatischen Schimmer von Sviatoslav Richter besitzen, doch er ist von der Tiefe bis zur Höhe durchweg zentriert.
    Darüber hinaus verzichtet Koroljow auf Richters großzügigen Gebrauch des Sustain-Pedals und erreicht dennoch eine nuancierte Kontinuität – etwa in den ersten vier Präludien – allein durch Fingertechnik und Handbalance. Zwar ist er in seiner Verzierung nicht so experimentierfreudig wie András Schiff oder Sergei Schepkin, doch seine Lebendigkeit erschließt eine Dimension, die über Glenn Goulds röntgenhafte Dekonstruktionen oder Rosalyn Turecks ausgearbeitete Stimmenführung hinausgeht.
    TACETs exzellente Tonaufnahme zieht den Hörer unmittelbar in Koroljows beeindruckende Kunst hinein.
    Jed Distler

  13. Classics Today

    Referenzaufnahme – „This one“

    WERTUNG: INTERPRETATION: 10 / KLANGQUALITÄT: 10
    Evgeni Koroljows Aufnahmen von Die Kunst der Fuge (bei Tacet) und den Goldberg-Variationen (bei Hänssler) haben ihn in die erste Reihe der heutigen Bach-Pianisten katapultiert. Diese neue Einspielung des ersten Bandes des Wohltemperierten Klaviers bestätigt seinen Rang in diesem Repertoire zweifelsfrei. Koroljow spielt diese Musik mit einer solchen Poesie, Finesse und wahren Freude, dass Fragen nach „Authentizität“ oder Instrumentenwahl in den Hintergrund treten.
    Bach vermied in seinem Titel bewusst die Nennung eines bestimmten Tasteninstruments, und es ist bekannt, dass diese Musik auf allem gespielt worden wäre – vom Cembalo über das Clavichord, die Orgel bis hin zum frühen Klavier. Bachs Musik ist eine Feier der Tastenvirtuosität, und Koroljows Interpretation bietet eine echte Demonstration der Kunst des Pianisten. Seine Wiedergabe der G-Dur-Fuge etwa vereint die spröde Klarheit des Cembalos mit einer geistreichen Brillanz, die ganz ihm eigen ist. Andererseits gestaltet er die lange Cis-Dur-Fuge mit einem faszinierenden, allmählichen Crescendo und Diminuendo – eine Lehrstunde darin, wie man die dynamischen Schattierungen des Klaviers nutzt, um die Klarheit und harmonische Spannung von Bachs kontrapunktischen Linien zu verstärken. Selbst die vertrauteren Fugen – etwa die beiden Eröffnungsstücke in C-Dur und c-Moll – klingen durch eine unwiderstehliche Vorwärtsbewegung und einen klugen, ohrenfälligen Umgang mit der Stimmenführung erfrischend lebendig und interessant.
    Nicht weniger beeindruckend ist Koroljows Interpretation der Präludien: Er fängt die gedämpfte, elegische Qualität der Stücke in g-Moll und gis-Moll perfekt ein – sein Spiel hat die zarte Intimität des Clavichords. Andererseits scheut er sich nicht, das fis-Moll-Präludium mit echter Wut und fast liszt’scher Bravour anzugehen, und er streicht die einfachen, arpeggierten Präludien (wie das allererste in C-Dur) mit einer träumenden Sinnlichkeit, die uns ratlos lässt, ob wir nun Chopin oder Bach hören – und ehrlich gesagt, ist uns das auch egal. Kurzum: Eine Interpretation, die es mit Gould, Tureck, Schiff, Fischer oder jeder anderen Konkurrenzaufnahme aufnehmen kann. Und sie ist besser aufgenommen als alle anderen. Der einzige Nachteil: wirklich anmaßende Booklet-Texte, die – wie so oft bei deutschen Produktionen – nichts Intelligentes über die Musik aussagen, sondern nur beweisen sollen, dass der Autor sich für klüger hält als der Komponist. Wen will er eigentlich täuschen? Egal. Her mit Band Zwei!
    David Hurwitz

  14. Classica

    Die Wahl Robert Levins besticht durch ihre Originalität: Jeden der vierundzwanzig Präludien und Fugen des ersten Bandes des Wohltemperierten Klaviers auf dem Instrument zu spielen, das seinem Charakter am besten entspricht – Cembalo mit ein oder zwei Manualen, Orgel oder Clavichord. Hat nicht André Isoir kürzlich in Classica erklärt, dass Bach, der Meister aller Tasteninstrumente seiner Zeit, sich für manche Stücke der Sammlung wohl ein anderes Instrument als das Cembalo gewünscht habe? Der ganze Reiz von Levins Version liegt in dieser instrumentalen Vielfalt und ihren gelungenen Realisierungen. Manche Entscheidungen mögen diskutabel sein, doch der Interpret verteidigt sie stets überzeugend.
    Evgeni Koroliov hingegen berührt uns erneut, indem er seinem wunderschönen Klavier mit dem so feinen Klang treu bleibt. Die Werke scheinen dann kein anderes Instrument als das Klavier zu verlangen. Koroliov versucht jedoch, die Diptychen individuell zu gestalten, indem er widersteht, sie als großen Zyklus darzustellen (wie Glenn Gould es in gewisser Weise tut). Er spielt mit Meisterschaft und Intelligenz, betont die lyrische Poesie jedes Stücks, ohne sich darin zu verlieren. Die Fugen, oft in eher langsamen Tempi genommen, heben weniger die Linearität der Polyphonie hervor, als dass sie das Spiel von Antworten und Dialogen zwischen den Stimmen auskosten. Indem er bestimmte motorische Aspekte von Goulds Interpretation mit einem subjektiveren, empfindsameren Spiel verbindet, reiht sich diese hervorragende Version an die Spitze der Diskografie ein – neben der des kanadischen Pianisten, die in puncto polyphoner Klarheit (und Swing, der mitunter stören kann) unübertroffen bleibt. Keine der schönen Einspielungen von Fischer, Gulda oder Tureck profitiert von einer vergleichbaren Aufnahmequalität. Koroliov wird so zu einer echten Alternative zur gouldschen Vorherrschaft.
    Stéphan Vincent-Lancrin

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    französischer Originaltext:

    Le choix de Robert Levin séduit par son originalité: jouer chacun des vingt-quatre Préludes et Fugues du Premier Livre du Clavier bien tempéré sur l′instrument qui, à son sens, sied le mieux à leur caractère: clavecin à un ou deux claviers, orgue, clavicorde. André Isoir ne déclarait-it pas récemment dans Classica que Bach, maître de tous les instruments à clavier de son époque, désirait sans doute un autre instruments que le clavecin dans certains pièces de recueil? Tout l′intérèt de la version de Levine vient de cette variété instrumentale et de belles réalisations. Certains choix peuvent prêter à discussion, mais l′interprète les defends toujours avec conviction. Quant à Evgeni Koroliov, il nous touche une fois encore en restant fidèle à son beau piano à la sonorité si fine. Les oeuvres ne semblent alors pas appeler d′autre instrument que le piano. Koroliov tente cependant de singulariser les diptyques, en résistant à la tentative de les présenter comme un grand cycle (comme le fait Glenn Gould, dans une certaine mesure), il joue avec maîtrise et intelligence, soulignant la poésie lyrique de chaque pièce, sans pourtant s′y appesantir. Les Fugues, prise dans des tempi souvent assez lents, éclairent moins la linéarité de la polyphonie qu′elles ne jouent sur les réponses et dialogues entre voix. Alliant certains aspects motoriques de la vision de Glenn Gould à un jeu plus subjectiv, plus sensible, cette très belle version rejoint au sommet de la discographie celle du pianiste canadien, imbattable du point de vue de la clarté polyphonic (et du swing, lequel peut gèner) – aucune des belles versions de Fischer, Gulda ou Tureck ne bénéficiant d′une qualité d′enregistrement comparable. Koroliov devient ainsi une véritable alternative à l′hégémonie gouldienne.
    Stéphan Vincent-Lancain

  15. Répertoire

    Die Auswahl der besten Aufnahmen – Eine weitere Meisterleistung des deutschen Toningenieurs Andreas Spreer, der uns hier in besonders warmem Klang ein Traumklavier präsentiert. Die Aufnahme ist perfekt, denn sie gibt das Instrument in seiner Ganzheit und Homogenität nur wenige Schritte hinter den Lautsprechern wieder. Die Wiedergabe ist lebensgroß, sowohl in der Breite als auch in der Höhe. Die Feinheiten von Anschlag und Saitenschwingung werden in ihrer ganzen Fülle und Vollständigkeit vermittelt. Ein klangliches Meisterwerk.

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    französischer Originaltext:

    La sélection des meilleures prises de son – Une nouvelle prouesse de l′ingénieur du son allemand Andreas Spreer, qui nous détaille ici, dans un son particulièrement chaleureux, un piano de rêve. L′enregistrement est parfait, car il nous livre l′instrument dans son ensemble et son homogénéité à quelques pas derrière les enceintes. La restitution est à dimension réelle, tant en largeur qu′en hauteur. Les subtilités du toucher et de la vibration des cordes nous sont transmises dans leur intégralité et plénitude. Un chef-d′oeuvre sonore.

  16. Le monde de la musique

    … Nach einem solchen Schatz an Erfindungsreichtum und Großzügigkeit wirken die Interpretationen von Gould, Gulda und Nikolajewa weitaus vorhersehbarer und eindeutiger. Poetisch wie Edwin Fischer, aber strenger, bietet Koroljow eine der bewegendsten und strahlendsten Versionen dieses Ersten Hefts.
    Philippe Venturini

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    französischer Originaltext:

    … Après un tel trésor d′invention et de générosité, les interprétations de Gould, Gulda et Nikolaiewa semblent bien plus prévisible et univoques. Poétique comme Edwin Fischer, mais plus rigoureux, Koroliov offre une des plus émouvantes et rayonnantes versions de ce Premier Cahier.
    Philippe Venturin

  17. Stuttgarter Zeitung

    Verschwenderisch im Vermeiden
    Evgeni Koroliov spielt Bach wie sonst keiner
    Unaufwendiger sitzt kein Pianist am Klavier. Sein Oberkörper, seine Arme, die Art, wie er den Kopf hält (man sieht sie vor sich, die Klaviergenies, wie sie den Kopf in den Nacken legen und im Unendlichen des Konzertsaals das Göttliche erschauen), seine Mimik – nichts verrät, was in ihm vorgeht, und sollte er leiden, lässt er uns nicht daran teilhaben. Auf den Klavierpodien der Welt setzt man sich allenthalben in Szene. Doch auch Bescheidenheit kann inszeniert sein. Bei Evgeni Koroliov, 50, ist sie das nicht. Sein Haarschnitt stammt aus den siebziger Jahren. 1976 war er von Moskau nach Jugoslawien übergesiedelt. 1978 nahm er, 29-jährig, das Angebot einer Klavierprofessur an der Hamburger Musikhochschule an. Schon das Staatliche Tschaikowsky-Konservatorium in Moskau, wo er noch selbst vor kurzem studiert hatte, bat ihn zu unterrichten. Als er dann in Hamburg ankam, hatte er bereits bei einigen Wettbewerben Preise geholt. Er trägt eine große Brille, die Brille eines belesenen Mannes. Er könnte Bibliothekar sein im höheren Dienst oder ein Uhrmacher, der es gewohnt ist, ein Stück in seine Einzelheiten zu zerlegen und wieder in ein großes Ganzes zusammen zu fügen. Koroliov ist ein Meister in seiner Werkstatt, nicht der Künstler im Salon. Am allerwenigsten entspricht er dem Mythos vom Pianisten, obwohl ihn, wenn es denn sein muss, der Geist eines Klaviertitanen überkommt, der aus Pianistenhänden Pranken macht. Heute ein nicht mehr junger, noch nicht alter Klavierprofessor, der Konzerte im ln- und Ausland gibt, und vor allem bei Bach, doch nicht nur bei Bach, viel zu sagen hat – ein Pianist, dem nicht der Ruf des Spektakulären vorauseilt und somit nicht der Vorstellung von Marketingleuten entspricht, wie Schallplattenkünstler zu sein hätten. Koroliovs erste CD erscheint denn auch erst 1990, bezeichnender Weise mit einer der rätseihaftesten Erfindungen, Bachs „Kunst der Fuge“ – bei Koroliov eine Einübung in die Isolation. Natürlich nicht bei einem internationalen Label, sondern als 13. Veröffentlichung von Tacet (der kleinen, damals kaum bekannten Firma in Stuttgart). Der Komponist Györgi Ligeti hat gesagt, auf die berühmte Insel nähme er Koroliovs Bach mit, „denn diese Platte würde ich, einsam verhungernd und verdurstend, bis zum letzten Atemzug immer wieder hören“. Zwei Jahre später geht Koroliov wieder ins Studio und entdeckt Tschaikowskys „Jahreszeiten“ (Tacet 25). Er spielt Prokofiews Sarkasmen, einige Visions fugitives etc. (Tacet 32) und sorgt mit perkussivem Elan für stahlhelle Momente. 1995 folgen Schuberts B-Dur-Sonate und die Moments musicaux Op. 94 (Tacet 46).
    Koroliov kann warten. Selbst Koroliov-Fan und -Produzent Andreas Spreer konnte ihn jahrelang nicht dazu bewegen, mit dem „Wohltemperierten Klavier“ im Studio zu verschwinden, obwohl schon der 17-Jährige in Moskau den gesamten Zyklus gespielt hat. Teil eins liegt jetzt vor (Tacet 93), Teil zwei ist geplant.
    Zum Bachjahr hat der scheue Koroliov einen Schub bekommen. In der Edition Bachakademie bei Haussier liegen die „Goldberg-Variationen“vor (Vol.112), denen er Inventionen und Sinfonien (Vol. 106), den zweiten Teil der „Clavierübung“ und die „Chromatische Fantasie und Fuge“ BWV 903 (Vol. 108) vorausgeschickt hat. Koroliov erscheint als die Inkarnation eines Musterschülers, der eine wenig glamouröse Kindheit in sich trägt. Er ist sparsam im Pedal, verschwenderisch allein im Vermeiden luxuriöser Zustände. Demonstriert die absolute Gleichzeitigkeit zweier voneinander unabhängiger Hände, die erste Voraussetzung, um Bach spielen zu können. Sein Bachspiel sucht sich einen eigenen Weg zwischen Swing und Romantik, zwischen Gulda und Svjatoslav Richter. Wer Bach so spielt, dient nicht der Zerstreuung, sondern der Konzentration. Das ist, jenseits technischer Fragen, wesentlich eine Sache des Denkens. Wie aber spielt er Liszt?
    Jürgen Holwein

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