213 CD / Miracula. Medieval Music for Saint Nicholas

Miracula

Medieval Music for Saint Nicholas
Ensemble Peregrina
Agnieszka Budzińska-Bennett

EAN/barcode: 4009850021308

High Fidelity.pl, Best Recording 2015

Beschreibung

Anders als heute blieb im Mittelalter die Verehrung für den heiligen Nikolaus nicht auf die Weihnachtszeit reduziert. Sonst hätte er es wohl kaum zum Schutzheiligen der Seefahrer und anderer Berufsgruppen gebracht. Die vorgelegte neue CD von TACET erscheint rechtzeitig vor dem 6. Dezember, soll aber nicht auf diesen beschränkt bleiben. So verwundert es auch nicht, dass dem Ensemble Peregrina auf der Suche nach dem Nikolaus eine große Zahl von Liedern in die Hände fiel. Bei der Zusammenstellung des Programms erwies es sich einmal mehr als große Hilfe, dass es in diesem u. a. mit dem Echo preisgekrönten Ensemble und in seinem Umkreis Musikwissenschaftler gibt, die wissen, wo und wie sie suchen müssen, wie sie Quellen lesen und redigieren müssen und wie die Musik auszuführen ist.
Die Musik des Mittelalters übt eine eigenartige Faszination aus. Oft oder auch nur scheinbar einfach gewirkt, einstimmig oder auf grundlegende Regeln der Mehrstimmigkeit reduziert, vermag sie eine Ruhe im Hörer hervorzurufen, die heute fast nirgendwo mehr zu finden ist. Kompliziertes wirkt auf einmal sinnlos. Sicherlich kann man versuchen nebenher seine Whats App Korrespondenz zu erledigen. Aber das hektische Tippen wird wahrscheinlich langsamer werden und irgendwann ganz aufhören angesichts des Sogs, der von diesen Urklängen und gewaltigen Zeiträumen ausgeht. Wieviele Generationen sind seit dem Entstehen dieser Melodien wohl vergangen? Bleibt die Hoffnung, dass möglichst viele diese Musik erst einmal einschalten. Ausschalten geht sowieso nicht.

6 Bewertungen für 213 CD / Miracula. Medieval Music for Saint Nicholas

  1. www.highfidelity.pl/

    –> Original-Kritik

    Im Mittelalter beschränkte sich die Verehrung des heiligen Nikolaus nicht nur auf die Weihnachtszeit, wie es heute der Fall ist. Tacet entschied sich, diese vergessene Tradition zu nutzen und veröffentlichte dieses Album vor dem 6. Dezember 2014.

    Der heutige Weihnachtsmann basiert auf dem Heiligen Nikolaus, auch Nikolaos von Myra genannt, ein historischer christlicher Heiliger des 4. Jahrhunderts und griechischer Bischof von Myra. Die ältesten historischen Aufzeichnungen über ihn stammen aus dem 6. Jahrhundert. Sein Name wurde erst vom Zweiten Vatikanischen Konzil aus der offiziellen Liste der katholischen Kirche gestrichen.

    Viele Musikstücke aus England, Frankreich und der Schweiz beziehen sich auf diesen Heiligen. Das Ensemble Peregrina wählte fast 30 der interessantesten Stücke aus, die zwischen dem 11. und 15. Jahrhundert entstanden sind, und Andreas Spreer nahm sie während einer puristischen Session in Basel im November 2013 auf. Das Ensemble wurde von Frau Agnieszka Budzińska-Bennett geleitet, seiner Gründerin – einer Polin, die derzeit in der Schweiz lebt. Frau Agnieszka absolvierte in Basel die Schola Cantorum Basiliensis und entschied sich, dauerhaft in der Stadt zu bleiben.

    Wir kennen das Ensemble und seine Leiterin von ihren Aufführungen, zum Beispiel beim Misteria Paschalia Festival in Krakau. Wir wissen, dass sie sich auf die Aufnahme selten aufgeführter Musik spezialisiert haben – eine Aufnahme, an die ich mich sehr gut erinnere, ist „Filia Praeclara“, aufgenommen für Divox Antiqua mit Musik aus den Clarisse-Klöstern des 13. und 14. Jahrhunderts (2008). Sie diente mir als Referenzpunkt. Als zweite wählte ich „Legends of St Nicholas“ (1999) von Anonymous 4 mit ähnlicher Musik, aufgenommen für Harmonia Mundi France.

    Die Musik auf der neuesten Ensemble-Aufnahme begeistert mit wunderbarer Leichtigkeit und Kohärenz. Obwohl die Musik von Anonymous 4 bereits sehr gut klingt, klingt Tacet noch besser. Ein etwas höheres Tempo dieser Musik verbessert ihre Kohärenz.

    Auch klanglich ist dies eine sehr interessante Aufnahme. Die Stimmen, aus derselben Perspektive wie auf der Harmonia Mundi-Aufnahme, scheinen aufgelöster zu sein, und die Akustik der Aufnahme wird besser und genauer dargestellt. Die Klangdefinition ist ebenfalls definitiv besser. Der Klang von Anonymous 4 konzentriert sich mehr auf den Mitteltonbereich und klingt daher wärmer. Es fehlt jedoch die Offenheit der Aufnahme von Herrn Spreer. Im Vergleich zeigt die Divox-Aufnahme, dass die Mikrofone während der Aufnahme sehr nah am Ensemble platziert wurden. Dies erzeugt den Eindruck eines sehr engen, direkten Kontakts zwischen den Ausführenden und dem Zuhörer, verändert jedoch auch die Klangfarbe der Aufnahme und macht sie etwas zu hell. „Miracula…“ ist eine wunderbare Aufnahme, die Tacets verdiente Reputation schön „aufrechterhält“.
    Wojciech Pacuła, http://www.highfidelity.pl/

  2. Revue Musicale Suisse

    –> zur Original-Kritik

    Für Hörerinnen und Hörer, die des Mittelalter-Kitschs überdrüssig sind und finden, die Musik aus jener Zeit bedürfe, um genossen zu werden, nicht der Beigabe entfernt verwandter Instrumente und Stilmittel aus anderen Kulturen oder Zeiten; für diese Hörerinnen und Hörer ist das Basler Ensemble Peregrina unter der Leitung von Agnieszka Budziñska-Bennett seit seiner Gründung 1997 ein sicherer Hafen.

    Ihre CD Miracula, welche Musik zu Ehren des heiligen Nikolaus aus verschiedenen Jahrhunderten sammelt, steht in der besten Tradition dieses Ensembles. Der Klang der Frauenstimmen und der Instrumente ist nah, warm, nicht zu hallig; das Programm sorgfältig ausgewählt und arrangiert. Die Besetzungen sind abwechslungsreich: Einmal wird eine Stimme von den Instrumenten begleitet, einmal erklingt ein Gesangssolo, einmal ein Frage- und Antwortspiel zwischen Vorsängerin und Tutti (bei einem Ensemble mit drei Sängerinnen darf wohl nicht von «Chor» geredet werden). In den ersten einstimmigen Stücken wird das Gehör so eingestimmt und beginnt so feine Unterschiede wahrzunehmen, dass die erst bei Track 8 eintretende Zweistimmigkeit (im wunderschönen Conductus Gaudens in domino / Iube domne silencium) geradezu überwältigend erscheint. Tanzsätze (wie die Estampite Nicholaus inclitus, Track 11) sind neben den Gesangsstücken auch vertreten.

    Weil der heilige Nikolaus damals wie heute weite Verehrung genoss, stammen die Stücke aus ganz Europa. Aus der Schweiz ist der Sankt Galler Benedicamus-Tropus Nicholai sollempnia zu hören (Track 21). Kurzum, bei 27 Nummern gibt es Musik für jeden Geschmack. Die letzten drei Stücke auf einen annähernd gleichen Tropus-Text (Benedicamus devotis mentibus) sorgen noch für eine kleine Überraschung: Der letzte ist erst um 1500 in Verona entstanden und beweist, dass der Geschmack für «einfache» Polyfonie weit über die zeitlichen Grenzen des Mittelalters erhalten blieb.

    Kleine Unachtsamkeiten bei der Redaktion des Booklets führen zu den einzigen nachteiligen Bemerkungen dieser Rezension: Ein Tippfehler ist ausgerechnet auf dem Rückentitel passiert (Miralula), und die Abfolge der Stücke im Booklet entspricht nicht ganz der Abfolge auf der CD (Tracks 11 und 12 sind vertauscht), was eine leichte Verwirrung verursachen kann.
    Claudio Bacciagaluppi

  3. American Record Guide

    –> Original-Kritik

    Diese vielseitige Sammlung mittelalterlicher Musik zu Ehren des Heiligen Nikolaus umfasst einstimmige Rondelli aus Notre Dame in Paris, mehrstimmige Conductus und liturgischen Gesang von seinem Festtag. Bei der Zusammenstellung dieses Programms hat Budzińska-Bennett auch einige Stücke umgetextet, um zum Thema der Aufnahme zu passen, jedoch nur, wenn sie feststellen konnte, dass sie auf früheren Gesängen für St. Nikolaus basieren.

    Wie auch bei den früheren Aufnahmen des Ensemble Peregrina (M/J & J/A 2011, N/D 2012, J/A 2013, M/J 2014) sind die Aufführungen ausgezeichnet. Viele der Stücke enthalten improvisierte Vielle-Begleitungen, die sehr einfallsreich, aber oft sehr aufwendig sind – sie können von der Eleganz und Klarheit des Gesangs ablenken. Das Booklet ist sowohl über die Musik als auch über die Gründe hinter der Aufführung sehr informativ und enthält vollständige Texte und Übersetzungen.

    © 2015 American Record Guide
    Charles Brewer

  4. TOCCATA-ALTE MUSIK AKTUELL, Nummer 75

    (…) Die Gestaltung der diversen Vorlagen ist erneut ohne Fehl und Tadel geraten. Schließlich zählt dieses Ensemble inzwischen zu den führenden Mittelaterensembles und als Spitzenvertreter des Sujets, was (Er-)Forschung, Entdeckung und Interpretation anbelangt. Auch mit den Wundern des Heiligen Nikolaus ist ihnen erneut ein großer Wurf gelungen.
    Robert Strobl

  5. Klassik heute

    –> zum Original-Artikel

    Nikolaus von Myra, laut Ökumenischem Heiligenlexikon zwischen 280 und 286 geboren und zwischen 345 und 351 in seiner Bischofsstadt Myra (heute Demre/Türkei) gestorben, ist einer der wenigen konfessionsübergreifenden Heiligen, denen auch die Ablehnung der Heiligenverehrung durch die Reformation nichts anhaben konnte – zu sehr hatte er schon seinen Platz in der Volksfrömmigkeit gefunden. Durch sein Fest am 6. Dezember ist er heute im Brauchtum der Vorweihnachtszeit verankert, im Mittelalter stand seine Verehrung allerdings auf einer sehr viel breiteren Basis: Viele Legenden erzählen von seinem wundertätigen Wirken und so versammelt er als Schutzheiliger (beispielsweise der Prostituierten, der Seefahrer, aber auch der Rechtsanwälte und Apotheker) eine vielschichtige Gemeinde um sich.

    Das Ensemble Peregrina, 1997 von der polnischen Sängerin und Musikwissenschaftlerin Agnieszka Budziñska-Bennett in Basel gegründet, erforscht und interpretiert geistliche und weltliche Musik aus dem Europa des 12. bis 14. Jahrhunderts. Neben Agnieszka Budziñska-Bennett, die auch noch mittelalterliche Harfen spielt, besteht die Gruppe noch aus den Sängerinnen Kelly Landerkin und Hanna Järveläinen sowie Baptiste Roman an der Fidel. „Interpretation und Stil von Peregrina orientieren sich an den originalen Quellenmaterialien und Traktaten, sowie an jüngster musikwissenschaftlicher und historischer Forschung. Das Ensemble strebt in seiner Aufführungspraxis größtmögliche Nähe zu den Quellen an, ohne dabei stimmliche Balance und Klangschönheit zu opfern“, so die Selbstdarstellung von Peregrina im Internetauftritt des Ensembles.

    Mit einer reichen Auswahl von liturgisch gebundener und volkstümlicher Musik, die zum größten Teil von Agnieszka Budziñska-Bennett aus mittelalterlichen Codices transkribiert worden ist, macht Peregrina seinem Namen alle Ehre – dazu wieder das Ensemble selbst: „Der Name Peregrina, die Umherziehende, spielt auf den Musik- und Ideentransfer im mittelalterlichen Europa an, gleichzeitig aber reflektiert er auch die persönlichen Reisen der Sängerinnen selbst.“

    Der Hörer kann sich mit dieser Musik zu Ehren des heiligen Nikolaus auf eine Reise ins 12. bis zum 14. Jahrhundert begeben, die dank des überaus klaren und tonreinen Gesangs der drei Damen nicht nur einen intellektuellen Genuss an der so andersartigen, jedoch überaus kunstfertigen Mehrstimmigkeit des Mittelalters bereitet, sondern auch eine Stimmung der meditativen Ruhe durch Versenkung in die verschlungenen musikalischen Linien vermitteln kann. Besondere Erwähnung verdient auch die überragende Tontechnik, mit der diese Musik vom Label Tacet eingefangen worden ist.
    Detmar Huchting

  6. Südkurier Nr. 264

    Von ganz weit weg wehen diese Klänge zu uns. Mittelalterliche Musik, einst geschrieben zu Ehren des heiligen Nikolaus, der heutzutage als rotbemützter Santa Claus der Kommerzialisierung anheimgefallen ist. Auch wenn wir diese Musik nicht wirklich mehr verstehen – die konzentrierte Ruhe der Melodien, ihre karge Kontrapunktik vermitteln etwas von einer fernen Zeit, in der es noch keine Weihnachtsmärkte gab. Wunderschön gesungen und gespielt wird sie hier dazu.
    Frank Armbruster

Füge deine Bewertung hinzu