132 Blu-ray / Pictures & Reflections
Beschreibung
Ein kleines Schiffchen schaukelt hilflos auf den Wellen, dem Ozean ausgeliefert; der Hörer hält sich am Rand fest, um nicht hinauszufallen. Ungeborene Küken tanzen im Ei; der Hörer erlebt die Enge mitten unter ihnen. Die Illusion ist manchmal beinah perfekt, seien es die Glocken weit unten im Tal oder die Gruft, in der die Toten liegen. Und der Tanz der Hütte auf Hühnerfüßen lässt die Phantasie dann vollends von der Leine, schon der Titel! Alles ist möglich – im Kopf. Das liegt beileibe nicht nur am TACET Real Surround Sound. Das kommt von den 3 Ms, den Herren Modest Mussorgski, Maurice Ravel und Markus Schirmer. Alte Werke in neuem Gewand. Die Aufnahme erschien bereits auf DVD-Audio. Da vergriffen wird sie nun auf Blu-ray Disc neu aufgelegt.
5 Bewertungen für 132 Blu-ray / Pictures & Reflections
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Classical CD Review –
–> Original-Rezension
(…) Diese vorzügliche Aufnahme von Ravel/Mussorgsky mit dem Pianisten Markus Schirmer erschien ursprünglich vor über einem Jahrzehnt bei Tacet. Nun liegen die Einspielungen in hochwertiger Digitaltechnik neu vor. Diese Blu-ray-Disc enthält drei Audio-Versionen der „Bilder einer Ausstellung“, zwischen denen man wählen kann: Tacet Real Surround Sound (5.1), Tacet Moving Real Surround Sound (5.1) und Stereo (2.0). Durchgehend ein beeindruckendes Klangerlebnis, und ich vermute, dass die meisten Hörer die erste Variante bevorzugen werden. Ravels Werk liegt nur in einer Audiofassung vor (5.1). Eine faszinierende Veröffentlichung, ohne Zweifel. (…)
Robert Benson
Klassik heute –
–> Original-Rezension
Die Pictures & Reflections Zusammenstellung des österreichischen Pianisten Markus Schirmer mit zwei dem CD-Motto entsprechenden Werken von Ravel und Mussorgsky hat bereits ein gutes Jahrzehnt auf dem diskographischen Buckel. 2004 war es, als Schirmer im „Studio“ der damals neuen Grazer Helmut List-Halle die russischen Bilder einer Ausstellung und die französischen Miroirs gekonnt und durchaus eigenwillig unter die klavieristische Lupe nahm, ohne dabei die satz- und themenübergreifende Übersicht außer Acht zu lassen. Seine eher unrussische, vielleicht unter dem Eindruck der Miroirs gleichsam französisierend-elegant gehandhabten Bilder wurden damals via handelsüblicher Compact Disc angeboten. Eine Veröffentlichung auf DVD Audio nach dem bewährten „Tacet Real Surround Sound“-Verfahren folgte etwas später (D 132). Seit Neuestem nun werden Schirmers Interpretationen auch in Blu-ray Disc-Qualität im Katalog geführt. Mit 65 Minuten Spieldauer war das Programm schon für die DVD-Kapazität ein wenig mager, aber Schirmer und seine Produzenten hatten sich seinerzeit nicht für die Möglichkeit entschieden, auf literarische Resourcen der Grazer Konzertwiedergabe zurückzugreifen. Denn bei dieser Gelegenheit – der Österreichische Rundfunk (ORF) sendete das komplette Programm – trug der Schauspieler Wolfram Berger mit klug gewählten russischen Texten entscheidend zur Wirkung, ja zum Verständnis des Mussorgsky-Zyklus‘ bei.
Musikalisch bietet Schirmer – ich erlaube mir auf meine Rezension vom 24.5.2005 zurückzugreifen – einen in den wesentlichen Charakter-Definitionen sicher orientierten und damit auch orientierenden „Ausstellungs“-Besuch. Mit einigen Kräften, wenn der Ochsenkarren rumpelt, mit gebannter Wucht im Finale, aber eben nicht mit jenen akkordischen Karate-Schlägen, wie sie in der jugendlichen Wettbewerbs- und Verdrängungspianistik Mode geworden sind. Schirmers Ausdeutung und Ausleuchtung der Miroirs bewegt sich für mein Empfinden eher auf der sanften, der nachdenklichen, der Disc-Überschrift also entsprechend reflektierenden Seite.
Peter Cossé
Pizzicato –
–> Original-Rezension
Sehr recherchiert und konstruiert, streckenweise stark zerdehnt, so präsentiert Markus Schirmer das Programm dieser Blu-ray im Tacet Real Surround. 2004, als die CD im Stereoklang erschien schrieb ich: « Diese exzentrische Vorgehensweise könnte man noch nachvollziehen, wäre da nicht der Umstand, dass der melodische Fluss der Musik zerbricht! » Diesen Eindruck habe ich immer noch, wenn ich auf dieser Platte mit mehreren Klangversionen die Stereofassung wähle. Er ist aber im ‘Real Surround’ deutlich vermindert, weil allein der Klang so viel an Stimmung „nachhilft“, dass man, im Klang sitzend, ganz anders hört als vor dem Klang sitzend. Eine interessante Erfahrung!
Die „Bilder einer Ausstellung“ gibt es zusätzlich im „Moving Surround“, wobei der Tonmeister mit seinen Reglern das Klavier um des Hörers Kopf schwirren lässt. Zugegeben, es ist eine Spielerei, aber, dass der Gnomus so zum Dämon wird, die Baba Yaga wirklich um einen fliegt, das alte Schloss noch gespenstischer wirkt, die Kinder in den Tuilerien und die Küken einen Reigen um einen tanzen, ist doch eine tolle klangliche Erfahrung. Genau so verspielt wird das Geschehen auf dem Marktplatz in Limoges, und die Katakomben lassen einen frösteln.
Zurück zum rein Musikalischen: diese sehr nachdenklichen und impressionistischen „Miroirs“ bleiben sehr speziell im Interpretationsspektrum des Ravel-Werks, und Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“ könnten m.E. mehr Spontaneität und mehr Dramatik ertragen als hier zu hören sind.
Remy Franck
theaterbyte.com –
–> Original-Rezension
TACET ist ein vielseitiges deutsches Plattenlabel, das hochauflösende Surround-Aufnahmen sowohl bekannter als auch weniger bekannter klassischer Musik bietet. Im vorliegenden Fall, Pictures & Reflections, präsentiert der international renommierte österreichische Pianist Markus Schirmer ein Programm mit zwei großen Klavierwerken: Maurice Ravels Miroirs (Spiegel) und Modest Mussorgskys Bilder einer Ausstellung. Schirmers Begründung für diese Kopplung wird im Booklet erklärt: „Die Idee, Ravels brillanten Zyklus neben Mussorgskys Bilder zu stellen, habe ich schon lange als eine spannende Konfrontation empfunden.“
Ravels Miroirs besteht aus fünf Stücken:
Noctuelles (Nachtfalter)
Oiseaux tristes (Traurige Vögel)
Une Barque sur l’Océan (Ein Boot auf dem Ozean)
Alborada del grazioso (Morgengesang des Spaßmachers)
La Vallée des cloches (Das Tal der Glocken)
Mussorgsky ließ sich von einer Gemäldeausstellung seines Freundes Victor Hartmann inspirieren; die Bilder einer Ausstellung umfassen zehn Sätze, die jeweils ein Bild darstellen, eingeführt und voneinander getrennt durch „Promenaden“:
Gnomus (Der Gnom)
Das alte Schloss
Tuilerien (der berühmte französische Garten)
Bydlo (Ochsenkarren)
Ballett der Küchlein in ihren Eierschalen
Samuel Goldberg und Schmuyle
Der Marktplatz von Limoges
Katakomben / Cum mortuis in lingua morta (Mit den Toten in toter Sprache)
Baba Yaga – Die Hütte auf Hühnerfüßen
Das große Tor von Kiew
Zwischen diesen beiden Klavierzyklen liegen 30 Jahre, und doch überwiegen die Gemeinsamkeiten, wenn man sie im selben Programm hört. Beide sind impressionistische Tongedichte, die lebendige Bilder heraufbeschwören, wie sie ein Maler auf die Leinwand setzen würde. Pianist Schirmer dringt in den Kern jedes Werks ein und bringt Details zum Vorschein, die unter der Oberfläche liegen und von weniger großen Künstlern oft übergangen werden.
Der Klang
Miroirs* wird mit zwei Audio-Optionen angeboten (LPCM 2.0 und LPCM 5.1 Surround), während die Bilder eine dritte Variante hinzufügen: das sogenannte „Moving Surround“. In dieser Fassung bewegt sich das Klavier während der Stücke um den Hörer herum. Für mich bot der „Standard“-Surround-Modus bei beiden Werken die beste Klaviererfahrung, als säßen meine Ohren direkt im Instrument. Dass Schirmers Klavier in der großzügigen Grazer Helmut-List-Halle aufgenommen wurde, schadet der Sache gewiss nicht. Wer eine traditionellere Klavierwiedergabe bevorzugt, wird die Zweikanal-Version mit ihrer makellosen Klangtreue zu schätzen wissen.
Die Beigaben
Ein dreisprachiges Booklet bietet Produktionsangaben, Tracklisten sowie Essays zum Programm, zum Interpreten und zum TACET-Aufnahmeverfahren.
Das Fazit
Zur Offenlegung: Für beide Werke habe ich meine Standardreferenzen – wenn auch in deutlich niedrigerer Klangauflösung: Swjatoslaw Richter für die Bilder und Pascal Rogé für die Miroirs. Doch in vieler Hinsicht ist diese Neuveröffentlichung mit weit besserem Klavierklang und, man darf sagen, sorgfältiger kontrollierten Interpretationen dieser beiden Meisterwerke überaus befriedigend.
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Lawrence D. Devoe, MD
Audiophile Impression –
Pictures at an Exhibition von Modest Mussorgsky gehört zu den Leuchttürmen der klassischen Musik und ist ein Werk, das ursprünglich 1874 für Klavier geschrieben wurde. Der Hintergrund dieser Komposition war eine Ausstellung zum Gedenken an seinen Freund, den Künstler Viktor Hartmann, der im Jahr zuvor gestorben war.
Vielleicht wird Mussorgskys ursprüngliche Klavierfassung sogar noch häufiger gespielt in der Orchestrierung von Ravel aus dem Jahr 1922. Doch war dies keineswegs die erste Orchestrierung dieses Werkes – sowohl Mikhail Tushmalov als auch Henry Wood hatten bereits zuvor Teile des Werkes orchestriert. Dennoch ist es Ravels Orchestrierung, die als Meilenstein geblieben ist.
Neuinterpretationen und Neubearbeitungen
Doch wir haben noch nicht die aufregendsten Fassungen von Pictures at an Exhibition erwähnt. Zunächst die Prog-Rock-Band Emerson, Lake and Palmer, die eine völlig andere – und in vielen Ohren auch sehr gelungene – Version schuf. Dies war auch meine erste Begegnung mit dem Werk in den frühen 70er Jahren. Eine weitere Version, die ich Mitte der 70er kennenlernte, ist die Synthesizer-Bearbeitung des japanischen Musikers Isao Tomita. Diese Neuinterpretation bewegt sich eher in Richtung Neue Musik oder irgendwo an der Schnittstelle von Neuer Musik und Pop/Rock.
Zurück zu dieser Aufnahme bei TACET, mit dem österreichischen Pianisten Markus Schirmer. Hier befinden wir uns natürlich sicher innerhalb der klassischen Tradition, basierend auf den Originalnoten von Modest Mussorgsky. Oder etwa doch nicht ganz? Grundlage ist ein Konzert in der List-Halle in der österreichischen Stadt Graz. Es handelt sich um eine sehr lebendige Interpretation, die stellenweise fast schon als flamboyant bezeichnet werden könnte – und doch bleibt sie ganz im Rahmen einer klassischen Deutung.
Extremes Surround
Doch das ist, bevor Andreas Spreer seine ganz eigenen Surround-Mischungen einführt. Schon die „gewöhnliche“ 5.1-Abmischung entfernt sich weit von dem, was selbst wir, die an radikale Mehrkanal-Mischungen gewöhnt sind, erwarten würden. Spreer hat sich dafür entschieden, die tiefsten Basstöne des Klaviers im linken Surroundkanal zu platzieren und die höchsten Töne im rechten Surroundkanal. Alles dazwischen wird nach und nach auf die drei Frontkanäle verteilt.
Eine derart radikale Abmischung ist an sich nichts Ungewöhnliches – wir erleben sie oft bei TACET oder auch bei Labels wie dem norwegischen 2L. Doch dann handelt es sich um mehrere Instrumente oder gar ein ganzes Orchester. Hier jedoch ist es ein einzelnes Klavier – und ein solcher Ansatz ist einzigartig. Das Ergebnis ist, dass man sich beim Hören mitten im Klavier wiederfindet. Mir kommt dabei Frank Zappas spätes Album The Yellow Shark in den Sinn, wo man sich sowohl sprachlich als auch musikalisch „im Klavier“ befindet. Für Ravels Miroirs und Mussorgskys Pictures at an Exhibition ergibt dies ein Erlebnis, das viele sicher als unnatürlich abtun würden – das aber zweifellos eine einzigartige Erfahrung dieser Kompositionen vermittelt.
Doch diese Blu-ray Audio bietet sogar noch eine zweite Surround-Abmischung. „Moving Surround“ ist eine Spezialität von TACET und Andreas Spreer, und wie der Name andeutet, handelt es sich um eine dynamische Mischung, bei der sich der Hörer in Bewegung zum Instrument befindet – oder umgekehrt …
In diesem Fall werden extreme Effekte eingesetzt, doch sehr präzise und gekonnt. Sie dienen dazu, bestimmten Themen dieses Klavierwerks eine Art geometrische Unterstützung zu verleihen. Wenn dies dann noch durch gelegentliche Soundeffekte ergänzt wird, entfernt sich das gesamte künstlerische Erlebnis ein Stück weit von der traditionellen klassischen Interpretation.
Pictures & Reflections
Damit zurück zu der Frage, ob diese Interpretation nun in einer klassischen Tradition verankert bleibt. Und natürlich: das ist sie. Dennoch ist es verlockend, die Moving Surround-Tracks in eine ähnliche Kategorie zu stellen wie Emerson, Lake and Palmer oder Tomita. Diese Tracks bieten ein vollkommen anderes Erlebnis als konventionelle Klavieraufnahmen dieses Werkes.
Es tut mir leid, dass ich Ravels Suite Miroirs hier fast völlig in den Schatten von Pictures at an Exhibition gestellt habe, obwohl Ravel fast die Hälfte der Spielzeit der Disc ausfüllt. Aber ich komme nicht umhin, Mussorgsky besonders hervorzuheben – diese Veröffentlichung ist ein Muss für alle, die dieses Werk lieben. Hier bekommen wir wirklich ganz andere Bilder einer Ausstellung!
Karl Erik Sylthe