153 CD / Robert Schumann: Kreisleriana, Kinderszenen, Bunte Blätter
Beschreibung
„Verrufene Stelle gehört zu den stark verrätselten, beunruhigenden Stücken der Waldszenen op. 82 und wirkt als Eröffnung einer Schumann-CD ziemlich ungewöhnlich. Und doch führt diese Miniatur gleich mitten hinein in Koroliovs Schumann-Konzept, das sich radikal aller vordergründigen Virtuosität, allem oberflächlich Fließenden verweigert. Tief lotet Koroliov in den Kreisleriana, detailbesessen ist er auf der Suche nach Ecken, Widerhaken, Unvorhergesehenem. Dass ihm dabei der große Bogen niemals aus dem Blick gerät, gehört zu den Geheimnissen dieses bedeutenden Pianisten. Die Kinderszenen klingen wunderbar schlicht, ganz wie der träumerisch huschende Rückblick eines alternden Poeten. Nach dieser CD möchte man wieder einmal zu Schumannns Lieblingsdichter Jean Paul greifen.“ (Partituren)
7 Bewertungen für 153 CD / Robert Schumann: Kreisleriana, Kinderszenen, Bunte Blätter
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radio K1 –
Eine bewegende Einspielung (…): Überaus farbig und differenziert interpretiert, technisch makellos und auf höchstem Niveau und mit ausgeprägtem Sinn für die Widersprüche in der Zauberwelt des Robert Schumann.
Partituren –
Verrufene Stelle gehört zu den stark verrätselten, beunruhigenden Stücken der Waldszenen op. 82 und wirkt als Eröffnung einer Schumann-CD ziemlich ungewöhnlich. Und doch führt diese Miniatur gleich mitten hinein in Koroliovs Schumann-Konzept, das sich radikal aller vordergründigen Virtuosität, allem oberflächlich Fließenden verweigert. Tief lotet Koroliov in den Kreisleriana, detailbesessen ist er auf der Suche nach Ecken, Widerhaken, Unvorhergesehenem. Dass ihm dabei der große Bogen niemals aus dem Blick gerät, gehört zu den Geheimnissen dieses bedeutenden Pianisten. Die Kinderszenen klingen wunderbar schlicht, ganz wie der träumerisch huschende Rückblick eines alternden Poeten. Nach dieser CD möchte man wieder einmal zu Schumannns Lieblingsdichter Jean Paul greifen.
OB
Classica –
Hervorragender Klang, präzise, warm und klangreich – eine beachtenswerte Aufnahme
Der Pianist Evgeni Koroliov ist vor allem für seine legendären Bach-Einspielungen (bei Tacet und Hänssler) bekannt, von denen eine von Ligeti als „die“ Platte bezeichnet wurde, die er auf eine einsame Insel mitnehmen würde. Dieses Schumann-Rezital erweist sich als durchgehend atemberaubend und ergreifend. Das umfangreiche, auf originelle Weise zusammengestellte Programm wirkt auf den ersten Blick seltsam, entpuppt sich aber als tiefgründig durchdacht: Es beginnt und endet mit zwei der düstersten und beunruhigendsten Stücke aus den Waldszenen (Verfluchter Ort und Der prophetische Vogel) und fügt zwischen die Kreisleriana und die Kinderszenen die ersten acht Stücke aus den selten gespielten „Bunten Blättern“ op. 99 ein.
Es mag ungewöhnlich erscheinen, anerkannte Meisterwerke mit Auszügen aus einem späten Zyklus kleinerer, bescheiden betitelter Stücke (Drei Stücklein, Albumblätter) zu vermischen. Doch wie das Booklet betont, wählte Schumann die dreizehn Kinderszenen aus etwa dreißig zur gleichen Zeit entstandenen Stücken aus, von denen einige später, etwa in op. 99, veröffentlicht wurden. Vor allem aber zeigt dieses Programm – und Koroliovs inspirierte Interpretation – wie sehr sich bei Schumann „kleine“ und „große“ Werke in ihrer expressiven Kraft vereinen.
Seit Langem gelten Martha Argerichs (DG) atemberaubende Aufnahme der Kreisleriana und Kinderszenen sowie Katia Skanavis (Lyrinx) Einspielung desselben Couplings und Horowitz’ beiden Versionen (Sony und DG) von op. 16 als absolute Referenzen. Im Vergleich zu diesen Interpreten, die Schumanns Wahnsinn durch ihre halluzinatorische Fantasie einfangen, wirkt Koroliovs Spiel zurückhaltender, nüchterner, mit (relativ) weniger Farbexperimenten und weniger textlichen Freiheiten. Und doch entfaltet sich daraus eine unglaubliche emotionale Wucht. Sein Spiel wird mitunter zu einem Halbdunkel, das alle Risse der Seele offenbart. Die Kinderszenen sind noch intimer als bei Argerich, umhüllt von zarter Wehmut und der Melancholie der Erinnerung.
Dagegen haben wir in den Auszügen aus den Waldszenen und den Bunten Blättern noch nie so meditative Tempi, unendliche Zärtlichkeit und eine so ergreifende Expressivität gehört. Eine großartige Aufnahme!
Philippe van den Bosch
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französischer Originaltext:
Superbe sonorité, précise, chaude et riche Notice
Le pianiste Evgeni Koroliov est surtout connu pour ses fameux enregistrements con sacres à Bach (chez Tacet et Hänssler), l′un d′eux étant vante par Ligeti comme «le» disque qu′il emporterait sur l′île déserte. Ce récital Schumann s’avère aussi stupéfiant et bouleversant de bout en bout. Son copieux programme, compose d′une manière originale, semble bizarre de prime abord, mais se révèle profondément pense il s′ouvre et se ferme sur deux des pages les plus sombres et inquiétantes des Scènes de la forêt, Lieu maudit et L′Oiseau prophète, et glisse entre les Kreisleriana et les Scènes d′enfant les huit premières pièces des rares «Feuillets bigarrés» op 99. Il peut sembler étrange de mélanger chefs-d′œuvre consacres et extraits d′un recueil tardif de petites pages aux appellations modestes (Drei Stücklein et Albumblätter). Mais comme le rappelle la notice. Schumann a sélectionne les treize pièces des Scènes d′enfant parmi une trentaine écrites a la même période, certaines éditées plus tard, notamment dans l′Opus 99. Et surtout, ce programme, ainsi que l′interprétation inspirée de Koroliov, montre à quel point «petites» et «grandes» œuvres se rejoignent dans la même puissance expressive chez Schumann. Depuis longtemps, la référence absolue des Kreisleriana et des Scènes d′enfant est constituée par un disque fabuleux de Martha Argerich (DG), juste devant le même couplage par Katia Skanavi (Lyrinx), et les deux versions (Sony puis DG) de l′Opus 16 par Horowitz. Face à ces interprètes restituant la folie schumannienne par leur fantaisie hallucinée, Koroliov semble adopter un jeu plus sage, plus sobre, usant (relativement) de moins de recherches de couleurs et se permettant moins de libertés avec le texte. Pourtant une incroyable émotion s′en dégage. Son chant se fait parfois pénombre, pour manifester toutes les failles de l′âme. Les Kinderszenen se tiennent dans un registre encore plus intériorise que celui d′Argerich, nimbées d′attendrissement et de mélancolie du souvenir. En revanche, dans les extraits des Waldszenen et des Bunte Blätter, nous n′avions jamais entendu tempos aussi méditatifs, douceur aussi infinie et expressivité aussi poignante. Un grand disque
Philippe van den Bosch
Le monde de la musique –
„Choc du Monde de la Musique“
In den Kreisleriana op. 16 (1838) gelingt Schumann eines seiner subjektivsten Meisterwerke. Trotz ihrer düsteren Grundstimmung fehlen darin nicht lichte Momente – selten hat Schumann so widersprüchliche Stimmungen nebeneinander existieren lassen. Dennoch bleibt die psychologische Einheit gewahrt, sei es durch die Moll-Tonart oder die fast durchgehende tonale Zentrierung um B-Dur. Die Sammlung der Bunte Blätter op. 99 (1837–1849) bildet zwar keinen geschlossenen Zyklus, enthält aber viele unbekannte Juwelen. Die geheimnisvollen Waldszenen (1849) sind der einzige spät entstandene Klavierzyklus Schumanns, der den Lyrismus seiner Jugendwerke wiedererweckt. In den scheinbar einfachen Kinderszenen (1838) vollendet Schumann als erster Komponist das von Beethoven und Schubert angedeutete Genre der Miniatur.
Als strenger Architekt, der nie dekorativ oder oberflächlich wirkt, offenbart Evgeni Koroliov eine unfehlbare Intelligenz, eine außergewöhnliche Texttreue und ein Denken von absoluter Geschlossenheit. Er vertritt eine tief introspektive Auffassung, die an Sviatoslav Richter erinnert. In den Kinderszenen oder den Bunten Blättern mag eine solche Vertiefung zunächst befremden, doch dieser dynamische, mutige Stil schließt keineswegs farbige Vielfalt aus. Koroliov erfasst in den Kinderszenen die nächtliche Seite dieser nur scheinbar kindlichen Stücke und findet für jedes das ideale Licht. Auch wenn man flüssigere, romantischere oder glanzvollere Interpretationen bevorzugen mag, bewahrt sein nüchternes Spiel die Kontinuität und Logik der Kreisleriana, während es die steigende Tempodramaturgie betont.
Patrick Szersnovicz
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französischer Originaltext:
„Choc du Monde de la Musique“
Schumann réalise dans les Kreisleriana op. 16 (1838) le plus subjectif de ses chefs-d′œuvre. Malgré leur caractère sombre, les éclaircies n′y sont pas absentes, et Schumann luimême n′a que rarement fait coexister des humeurs aussi contradictoires. L′unité psychologique en est pourtant soutenue, soit à travers le mode mineur, soit à travers une quasí-permanence tonale autour de si bémol. Si le recueil des Bunte Blätter op. 99 (1837-1849) ne constitue pas un cycle unifié, il contient maints joyaux méconnus. Les mystérieuses Scènes de la forêt (1849) sont le seul cycle pour piano de la fin de la vie du compositeur qui retrouve le lyrisme de ses pages de jeunesse. Dans les Scènes d′enfants (1838), simples d′apparence, Schumann est le premier compositeur qui ait mené à son accomplissement le genre de la miniature tenté auparavant par Beethoven et Schubert. Architecte rigoureux, jamais décoratif ni extérieur, Evgeni Koroliov révèle une intelllgence infaillible, un respect du texte peu ordinaire, une pensée d′une totale homogénéité. Il défend une conmption très intériorisée, qui n′est pas sans rappeler celle de Sviatoslav Richter. Dans les Scènes d′enfants ou les BunteBlätter, une telle introspection peut effrayer, mais ce style dynamique et audacieux n′interdit pas la variété des couleurs. Saisissant dans les Scènes d′enfants l′aspect nocturne de ces pages faussement enfantines, le pianiste trouve la lumière idéale à chaque pièce. Même si l′on peut préférer des versions plus fluides, romantiques ou brillantes, ce jeu sobre préserve la continuité, la logique des Kreisleriana tout en privilégiant l′intensification ascendante des tempos. “
Patrick Szersnovicz
Pizzicato –
Schumann intim
Supersonic
Mit diesem Album legt Evgeni Koroliov den neunten Band seiner Einspielungsreihe vor – ein üppiges Bouquet poetischer Schumann-Stücke, das selbst die anspruchsvollsten Musikliebhaber begeistern wird. Der russische Pianist überzeugt mit einem einfachen, aber ausdrucksstarken Ansatz, der durch seine liebevolle Aufmerksamkeit für Details glänzt, die sich harmonisch in den Aufbau jeder Komposition einfügen. Eine reiche Palette an Nuancen und Klangfarben, kombiniert mit einem unerschütterlichen Rhythmusgefühl, wenn es die Musik erfordert, ermöglicht Koroliov eine meisterhafte Interpretation in der Welt der musikalischen Imagination.
itb
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französischer Originaltext:
Schumann intime
Supersonic
Koroliov signe ici le neuvième volume de sa série d′enregistrements. Un généreux bouquet de pages poétiques de Schumann qui ravira les mélomanes les plus exigeants. L′approche simple mais expressive du pianiste russe démonstre un souci du détail qui s′intègre avec bonheur dans la structure de chaque pièce. Une riche palette de nuances et de timbres, doublée d′un sens rythmique inébranlable lorsqu′il le juge nécessaire, permet à Koroliov une interprétation magistrale dans ce monde de l′imaginaire musical.
itb
Klassik heute –
Endlich wieder einmal ein wirklich „komponiertes“ Schumann-Programm im Sinne eines Recitals auf CD! Evgeni Koroliov umrahmt die Werkkomplexe op. 16, op. 99 und op. 15 mit zwei Stücken aus den Waldszenen op. 82, die es an indirekten Beleuchtungen, an Nachdenklichkeit, aber auch Bildhaftigkeit, ja sogar an verschiedenen Ebenen von Religiosität nicht fehlen lassen. In der einleitenden Verrufenen Stelle ist es eine bedrohte, leise schauerliche Gläubigkeit, im Mittelteil der Vogel als Prophet-Studie haben wir es mit einem Choral zu tun – wie in kleinformatiger Nachbarschaft zu Franz Liszts erster Legende in Verehrung des Heiligen Franz von Assisi. Koroliov ist nicht der Klaviercharakter, am Beginn der Kreisleriana – wie etwa vor vielen Jahren Viktoria Postnikova – verwegen über die Tastatur zu fegen. „Äußerst bewegt“ ist bei ihm eine Frage der überlegten Diktion, der momentanen, kontrollierten Erregtheit im Hinblick auf das Kommende. Auch in der folgenden, weit ausgreifenden zweiten Fantasie („Sehr innig und nicht zu rasch“) geht er ausdrucksmäßig nicht an Grenzen der klanglichen und deklamatorischen Verfeinerung, vielmehr führt er den Hörer mit der Umsicht eines Klaviersoziologen durch die weichen und die forscheren Passagen dieser eigentümlichen Musikideenwelt. Bei Koroliov – und das gilt meiner Ansicht nach für alle übrigen Stücke dieser Aufnahme – geht es nicht um gesonderte Wunder der Haupt-, Zwischen- und Nebencharakterisierung, sondern um die klare Ansichtigkeit von Einzelheiten, die sich wie natürlich zu einem Ganzen fügen. Er und seine Zuhörer verlieren sich nicht in liebenswerte Details; es bleibt ihnen im Rückblick aber die nachschwingende Wirkung, das Echo einer Interpretensprache, die über Silben, über Wörter hinaus den Sinn von zusammenhängenden Sätzen ins Bewusstsein gerückt hat.
Peter Cossé
Audiophile Audition –
Dies ist der neunte Band der bei Tacet erschienenen Reihe mit dem russischen Pianisten Evgeni Koroliov. Der 1949 in Moskau geborene Künstler hat sich seit der ersten Veröffentlichung auf diesem Label – nichts Geringeres als Bachs Kunst der Fuge im Jahr 1990 – zu einer Art Geheimtipp für Kenner entwickelt. Koroliov vereint eine feste, unnachgiebige Technik, ein stürmisches Temperament und eine seltene Klarheit der Linie und Form, die bei vielen der heutigen jungen Pianisten oft zu kurz kommt. Er scheut sich nicht, Schumann als den Schumann zu zeigen, mit all der Ungebärdigkeit, die dieser Name impliziert – und doch vermeidet er jede übertriebene Theatralik, die so oft den einzigartigen und unmissverständlichen Sinn für Form und Stil trübt, den Schumann mit so viel Mühe in seine Musik einarbeitete. Seine romantischen Ergüsse mögen zwar von Schweiß und fiebriger Inspiration durchdrungen sein, doch wir wissen auch, dass er hypersensibel für den Aufbau und die formale Struktur seiner oft so locker klingenden Fantasien war.
Hier werden uns drei seiner atemberaubendsten Werke präsentiert – und leider nur zwei Sätze eines vierten. Da die Waldszenen zu meinen Lieblingsstücken gehören, näherte ich mich dieser CD zunächst mit einigem Ärger, als ich sah, wie das Programm organisiert war: Die beiden Waldszenen rahmen das gesamte Album ein. Doch mein Ärger verflog schnell, als ich mich in den stürmischen Beginn der Kreisleriana fallen ließ – und der Rest der Aufnahme erwies sich als ebenso lohnend. Tatsächlich gehört diese Einspielung zu den besten Schumann-Alben, die derzeit erhältlich sind, und kann problemlos mit einigen der großen Aufnahmen der Vergangenheit mithalten.
Zum Vergleich spielte ich Radu Lupus durchsichtige Interpretation der Kreisleriana – eine großartige, weite und durchdachte Lesart. Meiner Meinung nach kommt Koroliov diesem Ansatz am nächsten, sodass man, wenn man die Decca-Aufnahme kennt, eine Vorstellung davon hat, was einen hier erwartet. Martha Argerich, stets die Poetin, wechselt fast von einem Moment zum anderen zwischen Extremen. Ihre Interpretation ist spektakulär – eine Aufnahme, die Schumann auf die Landkarte setzen würde, falls er das jemals nötig hätte, und der Klang der DGG-Einspielung ist hervorragend. Selbst der außergewöhnliche Horowitz auf seiner CBS-Aufnahme aus den späten 1960er-Jahren glänzt mit wunderbarem Klang und der erstaunlichen Fähigkeit, Schumanns Linien mit halb so viel Pedal zu klären wie fast alle anderen. Für die Schönheit des Tons und eine erhabene Schärfe, die die anderen in den Schatten stellt, ist er der Richtige.
Doch Koroliov kennt den Komponisten zweifellos tiefgreifend, und ich glaube nicht, dass selbst die Vorzüge dieser anderen großen Pianisten – so beeindruckend sie auch sein mögen – die vielen facettenreichen und wahren Aussagen schmälern, die er uns über eine Musik zu machen hat, die so zerrissen und auseinandergezogen wurde wie die eines jeden Romantikers. Seine Stimme ist die eines engen Vertrauten, eines Insiders, eines trusten Freundes. Dass er dies in einer herausragenden Klangqualität tut, erhöht nur noch den Reiz dieser absolut empfehlenswerten Veröffentlichung.
Steven Ritter