229 CD / Tube Only Favourites
Beschreibung
„… Man hat eiskalte Fürsten und Hofdamen weinen gesehen, wenn er ein Adagio spielte. Ihm selbst tropften oft unter dem Spielen, Thränen auf die Geige … Sein Strich war langsam und feierlich; doch riß er nicht, wie Tartini, die Noten mit der Wurzel heraus, sondern küsste nur ihre Spitzen. Er stackierte ganz langsam, und jede Note schien ein Blutstropfen zu seyn, der aus der gefühlvollsten Seele floß.“
Solcherlei Zitate hat Wolfgang Wendel für den Booklet-Text dieser CD ausgegraben. Dieses hier handelt von Pietro Nardini, doch trifft es irgendwie auch auf Daniel Gaede, einfühlsam begleitet von Wolfgang Kühnl, zu. Na gut, das mit den Tränen vielleicht nicht… Aber die Empfindsamkeit von Gaedes Geigenspiel lässt sich kaum beschreiben. Darüberhinaus gibt es einige ungewöhnliche Zugabenstücke zu entdecken, etwa von Schostakowitsch, Korngold oder Josef Suk. Eine Platte zum Genießen für Musikkenner und -liebhaber, nicht zuletzt auch für die Freunde des warmen, nostalgischen Röhrenklangs.
5 Bewertungen für 229 CD / Tube Only Favourites
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American Record Guide –
„Tubes Only Favorites“? Was ist das, RCA-Röhren, Socken, Reifen, Kaufhaus-Vakuumröhrensysteme? Nein, es geht darum, Aufnahmen nur mit Geräten zu machen, die mit guten, altmodischen Röhren hergestellt sind – Mikrofone, Verstärker, Vorverstärker, Fader, Aufnahmegeräte. Ja, ich war auch skeptisch, da ich wusste, dass gute Aufnahmen auch von vielen anderen Faktoren abhängen – Hallen, Mikrofonplatzierung und allen Produktionsschritten, die sich darauf auswirken, was wir tatsächlich in unsere Player einbauen. Aber als ich anfing zuzuhören, verschwand jegliche Skepsis. Das ist ohne Frage das am sanftesten klingende Album, das ich seit Jahren gehört habe. Und die Platzierung des Mikrofons ist perfekt, mit einem warmen, ausgewogenen Klang, den man einfach einstellen und vergessen kann.
Zusätzlich dazu sagte meine Frau, die gerade bügelte, nachdem ich mit dem Zuhören fertig war, einfach: „Der hier ist definitiv etwas Besonderes, oder?“ Gaede ist der ehemalige Konzertmeister der Wiener Philharmoniker, Kühnl ist Pianist für Orchester in Berlin, und hier bilden sie ein beeindruckendes Team.
Sibelius‘ Novelle, Op. 120:1, und Faurés „Apres un Reve“ sind langgezogen und lyrisch fließend mit reichem Klangfarben und subtilem Rubato. Das Duo verwandelt Vittorio Montis berühmte Czardas in einen altmodischen „My Darling Babushka“-Fußstampf mit Momenten von Rezitativ und Portamento. Ihre straffen Rhythmen und ihr vollendeter Stil sind einzigartig. Diese Bearbeitungen von Debussys „Valse Romantique“ und insbesondere „Clair de Lune“ sind exquisit gespielt; Ich hörte aufmerksam zu, wie sich beide Künstler um die Melodieführung des anderen wickeln.
Fallas „Jota“ wechselt von einem Schimmern über ein leichtes Glissando zu einer Tour de Force mit einigen Geigenstücken, die gespenstisch auf dem Steg gespielt werden. Schuberts Serenade „Leise Flehen Meine Lieder“ hat ein solches Potenzial für Schwermut, aber hier bewegt sie sich aufmerksam und elegant. Im Prelude, Op. 34:1 von Shostakovich holt die Violine die Melancholie mit Doppelgriffen wunderschön heraus. Faurés „Berceuse“ ist die perfekte Fortsetzung zu „Pierrots Tanzlied“ aus Korngolds Tote Stadt – dieselbe Tonart, aber im Kontrast zwischen Helligkeit und Dunkelheit. Und Paganinis „Cantabile“ ist die perfekte Fortsetzung zu Rachmaninoffs Romanze, Op. 6:1. Gaede und Kühnl hüllen den Rachmaninoff in Melancholie, Rubato und tiefe Emotionen und machen ihn zu einer Aussage. Beim Paganini hören Sie Kühnls obligates Spiel – unendliche Vielfalt, keine Monotonie, und was für eine wunderbar einfallsreiche, geschmeidige (improvisierte?) Coda.
Arenskys Serenade, Op. 30:2 ist wie aus Sardis, während alle nach und nach ihr Besteck ablegen und nicht anders können, als zuzuhören. Und hören Sie die Bandbreite der Violinschattierungen und des Ausdrucks in Schumanns Fantasiestücken, Op. 73:1 – „Hör sie dir wieder zum ersten Mal an“!
Ich habe Kreislers Bearbeitung von Dvoraks „Slawischer Fantasie“ hundertmal gehört, aber noch nie so schön wie hier, in beiden Instrumenten. Clara Schumanns Romanze, Op. 22:1, ist nicht besonders herausragend. Die einzige wirkliche Enttäuschung ist die letzte Auswahl, Rachmaninoffs „Vocalise“. Sie wurde getrennt von den anderen 18 Stücken aufgenommen; der Klang ist nicht so resonant – mehr Luft ist um beide Instrumente herum erforderlich. Auch die Aufführung ist nicht so inspiriert: keine Portamenti in der Violine, die Transkription wirkt dünn, und bei 5:20 wird die volle Länge verkürzt.
Vergiss diese letzten beiden Stücke, 9 Minuten von 66. Wie meine Frau sagte: „Dieses hier bleibt.“
FRENCH, American Record Guide
Badische Neueste Nachrichten –
(…) Hohe Geigenkunst und musikalischer Geschmack verbinden sich hier.
Claus Walters
Pizzicato –
–> zur Originalkritik
Kurze Werke werden gern einfach als Zugaben und damit als leicht abgetan. Und wenn man denn etwas erwartet, dann das Virtuosenhafte. Dass es sich um werthaltige, künstlerisch (und teilweise auch technisch) anspruchsvolle Werke handelt, eröffnet sich nur dem, der sich die Mühe macht, sich diese Welt mit Geduld und Liebe zu erschließen.
Dabei geht das Phänomen über diese ‘Petitessen’ hinaus. Wer Musik nur technisch und ohne Herz und Verstand spielt, ist austauschbar und wird auch so wahrgenommen. Das ist leider im Musikbetrieb (allein das Wort ‘Betrieb’ ist ja schon bezeichnend) heute die große Mehrheit.
Diese Zusammenstellung von 19 Stücken ist dagegen ein Ereignis, dass sich möglicherweise nicht unmittelbar erschließt. Beim ersten Hören mag der Konsument genau das Auftrumpfende, herausgeputzt Plakative vermissen. Wenn er sich aber selber die Zeit nimmt, zum Zuhörer zu werden und seine eigene innere Ruhe zu entwickeln und die Musik auf sich wirken zu lassen, wird er die Schönheit und den Reichtum dieser Aufnahme genießen.
Mit dem ehemaligen Konzertmeister der Wiener Philharmoniker und Geiger des Gaede Streichtrios hat hier ein Künstler sein Herz geöffnet und abseits des Eventglimmers, aber auch weit entfernt vom anrührendem Gestus, eine schlanke und doch so kraftvolle Interpretation dieser Kleinoden präsentiert, die einfach höchstes Lob verdient.
Unterstützt wird Daniel Gaede mustergültig in zweifacher Hinsicht: Da ist zunächst sein Partner am Piano, Wolfgang Kühnl. Diesem gelingt die Balance zwischen Begleiter und gleichwertigem Künstler, der ein intensives Gespräch zweier Partner mitgestaltet. Zum anderen ist es die Technik der Röhrenaufnahmen. Die vom Label Tacet produzierte Reihe mit transistorfreien Aufnahmen hat hier ein mustergültiges Klangbild hervorgebracht.
Uwe Krusch
Klassik heute –
–> zur Originalkritik
Bei Tacet hat man für diese musikalisch äußerst unterhaltsame Zusammenstellung wieder einmal „noch tiefer in den Bestand an historischen Geräten gegriffen“. Für den Kenner sei hier die Aufnahmekette zitiert: „6 Röhrenmikrofone (2 Neumann U 47, 2 Neumann U 67, 2 Neumann M 49) – Mischpult mit 10 Röhrenvorverstärkern V 72 und 10 passiven Reglern W 68 für die einzelnen Spuren sowie 2 weiteren W 68 und V 72 für die Summenverstärkung – Aufzeichnung (Röhrentonbandmaschine Telefunken M 10 für die LP und parellel dazu A/D-Wandlung für den digitalen Tonträger),“ Soweit der technische Hinter- oder auch Vordergrund für Daniel Gaedes zweite mir bekannte Tacet-Veröffentlichung mit virtuosen, elegischen und tänzerischen, vor allem aber sehr beliebten Stücken für Violine und Klavier (siehe und höre Tacet 117!). Sein Spiel ist von der Aufnahmeregie tatsächlich prägnant eingefangen, räumlich von intimer Großzügigkeit, farbenreich und bestens abgestimmt in der Balance mit dem assistierenden oder auch kammermusikalisch gleichberechtigten Klavier.
Als Interpret der insgesamt 19 Kleinformate erweist sich Daniel Gaede als gewandter Kommunikator in den verschiedensten musikalischen Umgangs- und Spezialsprachen. Für die technisch brillanteren, motorisch auffälligeren Themen (Monti, de Falla) hat er genügend Reserven, sauber und dennoch animierend Tempo zu machen. Im Bereich des geigerischen Sentiments auf Liebeslied-Ebene (Suk) oder in Richtung Wiegenlied (Fauré) gelingt es ihm mühelos, mit rundem, gesundem, niemals tränigem Ton den Hörer auf die je aktuelle Situation einzustimmen. In Verbindung mit dem erfahrenen Kammermusik- und Orchesterpianisten Wolfgang Kühnl sind unter diesen Umständen Aufnahmen von ernsthafter Elastizität und großer Anschaulichkeit in der Themendefinition entstanden. Und von Vorteil für diese Produktion ist es auch, dass hier neben den Schlagern des geigerischen Zugaben- und Gefälligkeitsgewerbes auch Raritäten riskiert wurden. So etwa Korngolds „Tanzlied des Pierrot“ aus der Oper Die tote Stadt, Rachmaninoffs Romanze op. 6,1, Arenskys Serenade op. 30,2 oder die Herrmann-Bearbeitung des Schubertschen Ständchen. Mithin: nicht nur ein transistorfreies sondern ein ebenso lehrreiches wie hörfühliges Vergnügen!
Peter Cossé
Audio –
Kleine Stücke ganz groß!