119 Blu-ray / Wilhelm Furtwängler: Piano Quintet in C major
Beschreibung
„Stets wollte der legendäre Dirigent vor allem Komponist sein. Was andere Werke oft nur schemenhaft zeigen, offenbart der riesenhafte Dreisätzer, Schmerzenskind aus über zwanzig Jahren, bekennerisch: Furtwängler war ein Sehnsuchtsmensch, der in Tonalität und Gefühlsbogen Wagner und Bruckner überbieten wollte. Das Clarens Quintet macht das Dokument zum Erlebnis.“ (Kultur-Spiegel)
3 Bewertungen für 119 Blu-ray / Wilhelm Furtwängler: Piano Quintet in C major
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klassik.com –
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Das Label Tacet legt die Einspielung von Wilhelm Furtwänglers Klavierquintett mit dem Clarens Quintett in einer Real-Surround-Sound-Blu-ray neu auf und spricht damit insbesondere Neukunden und Besitzer einer leistungsstarken Sound-Anlage an.
Pizzicato –
–> zur Original-Rezension
Es wird gerne vergessen, dass Wilhelm Furtwängler ein enthusiastischer Komponist war und sich im Laufe seiner Dirigentenkarriere immer wieder zurückgezogen hat, um eigene Musik zu komponieren. Er tat das ganz in der Linie Beethoven-Brahms und in kolossalen Dimensionen.
Sein Klavierquintett hat die Länge einer Bruckner-Symphonie. Furtwängler hat mehr als zwanzig Jahre lang, von 1912 bis 1935, an dem 80 Minuten langen Werk gearbeitet, und dennoch kann man dem Stück seine innere Geschlossenheit und seine ausgereifte Architektur nicht absprechen. Es ist eine spätromantische und symphonisch angelegte Kammermusik von großer Ausdrucksdichte: ein gewichtiges und pathetisches Werk mit drei etwa gleichlangen Sätzen.
Furtwängler bezeichnete sich selber als Tragiker und entsprechend expressiv ist seine Musik. Das Molto Allegro rauscht manchmal gewaltig auf, enthält aber ruhigere Teile. Das ‘Clarens Quintett’ spielt den Satz sehr kraftvoll und i1ntensiv und man hört ihn mit Interesse, aber dieser erste Satz ist noch nichts im Vergleich zu dem nachfolgenden Adagio, in dem die Musik eine ergreifende Tiefe erlangt.
Den dritten Satz hat er Komponist mit Ruhig gemächlich und heiter überschrieben. Das ‘Clarens Quintett’ gibt sich damit freilich nicht zufrieden. Es geht auch hier sehr tiefschürfend an die Musik heran und macht bei aller Ruhe auch noch Unruhe in der Musik aus, die spannungsvoll gespielt wird und deren mysteriöse Seite ebenfalls noch eine Rolle spielt.
Kein einfaches Werk also, aber eine Musik, mit der man sich auseinandersetzen kann und soll, umso mehr als die 2003 auf 2 CDs veröffentlichte Aufnahme nun auf einer Blu-ray Audio im ‘Real Surround’ verfügbar ist und ein komplettes Eintauchen in Furtwänglers Klangwelt erlaubt.
Remy Franck
Klassik heute –
–> zur Original-Kritik
Während vielfach die Krise der CD betrauert wird und die Industrie den Musikkonsumenten immer mehr dazu erziehen will, sich von Internet und Bildschirmgeräten abhängig zu machen, geht Andreas Spreer den umgekehrten Weg. Sein Credo: Musikerlebnisse auf klassischem Wege im Rahmen einer konzentrierten Hörsitzung vor der heimischen Anlage sind nach wie vor zeitgemäß, wenn man nur das ganze Potenzial eines physischen Tonträgers auszureizen weiß. Vor Jahrzehnten unternahm Spreer mit seinem Tacet Label schon solche Vorstöße mit der DVD – jetzt sollen die viel größeren Datenressourcen der Blueray einem umfassenden Musikerlebnis dienen.
Dies geschieht aktuell mit einer Neuauflage der bereits als CD vorliegenden Einspielung von Wilhelm Furtwänglers eigenwilligem C-Dur-Klavierquintett. Auf einer Blueray wird jetzt nicht nur per surround-Verfahren eine möglichst räumliche Konzertsaal-Situation simuliert – vielmehr gehen aus der dreidimensionalen Abbildung der Instrumente eigenständige künstlerische Prozesse hervor!
Wählt man beim Hören die Option „moving surround“, bleiben die einzelnen Instrumente nicht länger statisch an einer Stelle. Sie umkreisen manchmal sogar den Hörer, fast wie imaginäre Himmelkörper auf einer Umlaufbahn. Das Hörerlebnis wird also im wahrsten Sinne des Wortes bewegter.
Im Falle von Wilhelm Furtwänglers Klavierquintett hilft dieser raffinierte Kunstgriff zur besseren Durchdringung eines ganz und gar labyrinthischen Stückes Musik. Furtwängler war im Jahre 1911, als er diese Komposition begann, noch nicht auf eine klare Bahn eingeschworen. Aber dann erfolgte der sprunghafter Karrierestart – der Rest ist Geschichte bei diesem Jahrhundert-Dirigenten. Die eigene kompositorische Arbeit fristete seitdem eher ein Schattendasein. Er hat entworfen, verworfen, weitergedacht. Nicht weniger als eine Lebensaufgabe sollte hier gestemmt werden – entsprechend schwer wiegt jeder einzelne Takt dieses gewaltigen viersätzigen Quintetts, in dem sich der Geist der Spätromantik aufbäumt, ohne wirklich die Schwelle zur Moderne zu übertreten. Mal klingt es in den langen Sätzen dieser riesigen Komposition nach Mahler, Reger oder auch Pfitzner – und wo Furtwängler deren Niveau nicht erreicht, setzt er überzeugend eine ureigene Ästhetik entgegen, welche die Ausdehnung von Räumen und Zeitmaßen favorisiert. Wie in einem Hochgebirge türmt es sich von einem Höhepunkt zum nächsten auf – und überhaupt wähnt man sich oft in einem breitwandigen sinfonischen Satz oder auch in einem polternd expressiven virtuosen Klavierkonzert.
Das Clarens Quintett hat auf jeden Fall sämtliche „kolossalen“ Ansprüche erfasst – und schlägt sich darüber hinaus sehr tapfer, wenn es um plausible Strukturierungen des Materials geht. Und man hat durchaus das Gefühl, als wolle hier Furtwänglers Klangideal widerspiegelt werden, wie es aus seinen Aufnahmen überliefert ist.
Die Moving-Surround-Technik des Tacet-Labels macht etwas neues daraus: Betrachtet man Furtwänglers musikalisches Unterfangen als rastloses Streben von faustischer Dimension, wird dieser unstete Prozess hautnäher erfahrbar, je mehr alles in Bewegung und Rotation gerät.
Wem das zu wenig realistisch erscheint und wer eben doch lieber die leibhaftigen Musiker in ihren realen Standorten verorten möchte, schaltet einfach auf die „normale“ 5.1-Surround-Wiedergabe um oder hört ganz klassisch im Stereoformat. Es sind viele andere musikalische Unterfangen denkbar, bei denen diese moving surround-Technik sinnvoll und „musik-vermittelnd“ zum Einsatz kommen kann. Man denke etwa ans Musiktheater. Und natürlich an die vielgestaltigen Sujets in der neuen und neuesten Musik, wo die wirklichen Zukunftspotenziale für diese Technik schlummern.
Stefan Pieper