"′Note für Note′ sei ihm ′glühend in die Feder gefallen′, berichtete der fast 70 jährige Janácek, als er im Herbst 1923 binnen einer Woche sein erstes Streichquartett komponierte. Dabei hatte er, wie er seiner späteren Muse Kamilla Stösslová verriet, "die arme, gequälte Frau im Sinne, über die der russische Schriftsteller Tolstoi in dem Werk ′Die Kreutzersonate′ schrieb". Bereits 1909 hatte die düstere Novelle, ihrerseits wiederum angeregt durch Beethovens "Kreutzersonate", den Komponisten zu einem Klaviertrio inspiriert, das bei einem Konzert zu Tolstois 80. Geburtstag aufgeführt werden sollte. Kurz darauf überarbeitete Janácek das Trio noch einmal. Doch sowohl die Urfassung als auch die revidierte Fassung sind verschollen, wobei nicht klar ist, wann das Manuskript verlorenging. Sicher ist, daß sein Streichquartett "aus einigen Gedanken" des Trios entstand. Einige kürzlich aufgetauchte Fragmente des Trios belegen allerdings die Vermutung, daß Janäcek seine "Kreutzersonate" 1923 nur neu instrumentiert hat. Der tschechische Musikwissenschaftler Michal Häjku wagte deshalb den Versuch, die Quartett-Partitur wieder zu einem Klaviertrio zu rekonstruieren. Das Resultat ist nun erstmals auf einer CD zu begutachten, gespielt vom renommierten Abegg Trio aus Göttingen. Das Ergebnis ist faszinierend und klingt absolut überzeugend. Die späte Schallplattenpremiere macht den dramatischen Gestus und die plastische Diktion der "Kreutzersonate" sogar noch deutlicher als die bekannte Version. Daran hat die mustergültige Interpretation der Abeggs natürlich einen gewichtigen Anteil, die vor allem durch ein weites Spektrum verschiedenster Klangfarben und die enorme dynamische Bandbreite überzeugt. Auch die Koppelung mit dem gut 50 Jahre zuvor komponierten Klaviertrio von Smetana ist eine gute Idee und rückt das Werk, dessen Progressivität immer noch allzu oft unterschätzt wird, ins rechte Licht. Die Klangtechnik wirkt ausgewogen und tranparent. Das Booklet ist lesenswert, allerdings kommt die Information über Hájkus Rekonstruktion etwas zu kurz."
Peter Kerbusk
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