(= "Welt der Musik", japanische private Zeitschrift von Musikern und Balletttänzern)
"Fromm-Michaels: ein stiller Widerständler
Eine CD von einer unbekannten Komponistin. ′Sämtliche Klavierwerke in einer einzigen CD? ... Sehr kompakt! 1888-1986, ach, hat sie so lang gelebt ... Aber wer ist sie eigentlich? Sicher habe ich einmal diesen Namen gehört ...′ Das war der Anlass, die Aufnahme der Klavierwerke von Ilse Fromm-Michaels (TACET 96, Klavier: Babette Dorn) in die Hand zu nehmen. Die gebürtige Hamburgerin studierte Komposition und Klavier in Berlin. Einer von ihren Lehrern war Pfitzner, und unter ihren Mitschülern kann man den Namen Otto Klemperer finden, mit dem sie später mehrmals spielte. Danach hatte Fromm eine glänzende Karriere vor sich. Sie musizierte mit Nikisch, Furtwängler und Schuricht. Auch der Komponist Max Reger schätzte ihre Aufführung seiner "Bach-Variationen". Während sie sehr aktiv die modernen Werke von Bartok, Strawinski und die der neuen Wiener Schulen spielte, komponierte sie auch weiter. Aber da fiel ein schweres Schicksal auf sie: da ihr Mann von jüdischer Abstammung war, wurde er von den Nazis aus seinem Amt entlassen. Fromm darf nicht mehr im Konzert auftreten. Wenn sie sich von ihrem Mann hätte scheiden lassen, hätte sie vielleicht ihre Tätigkeit fortsetzen können. Aber sie erträgt diesen schweren Zustand. Das Paar überlebte den Krieg, aber tragischerweise verstarb ihr Mann bald. Die Konzerttätigkeit, die sie nach dem Krieg wieder angefangen hatte, gab sie endlich auf. Danach konzentrierte sich Fromm auf die Lehrtätigkeit. Sie sagte einmal: "Nach jener Zeit hat man alle Basis verloren. Meine Freunde sind gestorben, ich habe keinen Kontakt mehr." Aber es dürfte noch weitere Gründe geben. Vielleicht schien ihr die Avantgarde-Musik fremd, unzugänglich. Beim Anblick auf Deutschland, wo man immer mehr nach der wirtschaftlichen Entwicklung strebte, mußte sie sich fragen: "Was waren zwei Weltkriege? Was für eine Bedeutung hat unser Leiden?" Es scheint, dass das tiefe Einsamkeitsgefühl ihr Schweigen veranlasste. Auf dieser CD sind 7 Stücke. Die frühen Werke wie "Vier Puppen" und "Acht Skizzen" stehen unter dem Einfluß der Charakterstücke Schumanns. "Variationen über ein eigenes Thema" sind eine gute Hommage an Schumann und ihren Landsmann, Brahms. Aber deren Harmonie bewegt sich in so moderner Weise, daß man sich an die Werke von Skriabin erinnert. Bei der "Sonate für Klavier"(1917) ist der Klang der Barkarole sehr auffällig. Der verzweifelte, schwere Rhythmus bringt das Gefühl der Ausgangslosigkeit zum Ausdruck. Der Hörer mag solch ein Bild haben: es steht eine undurchbrechbare kalte Mauer, den Weg sperrend. Kein Umweg. Man weiß wohl, dass man nie die Mauer übersteigen kann, trotzdem muss man sich ewig dieser Mauer entgegenstemmen... Beim Hören des "Langsamen Walzers" muss der Hörer von der stillen, klaren Traurigkeit dieser Musik hingerissen werden. Alle Werke hier sind eher schwermütig als dramatisch, sie warten auf einen teilnahmsvollen Zuhörer. Aber wenn man einmal lernt, dieser stillen Stimme Gehör zu schenken, wird man davon tief erschüttert werden."
Yutaka Oyamada
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"Fromm-Michaels: ein stiller Widerständler
Eine CD von einer unbekannten Komponistin. ′Sämtliche Klavierwerke in einer einzigen CD? ... Sehr kompakt! 1888-1986, ach, hat sie so lang gelebt ... Aber wer ist sie eigentlich? Sicher habe ich einmal diesen Namen gehört ...′ Das war der Anlass, die Aufnahme der Klavierwerke von Ilse Fromm-Michaels (TACET 96, Klavier: Babette Dorn) in die Hand zu nehmen. Die gebürtige Hamburgerin studierte Komposition und Klavier in Berlin. Einer von ihren Lehrern war Pfitzner, und unter ihren Mitschülern kann man den Namen Otto Klemperer finden, mit dem sie später mehrmals spielte. Danach hatte Fromm eine glänzende Karriere vor sich. Sie musizierte mit Nikisch, Furtwängler und Schuricht. Auch der Komponist Max Reger schätzte ihre Aufführung seiner "Bach-Variationen". Während sie sehr aktiv die modernen Werke von Bartok, Strawinski und die der neuen Wiener Schulen spielte, komponierte sie auch weiter. Aber da fiel ein schweres Schicksal auf sie: da ihr Mann von jüdischer Abstammung war, wurde er von den Nazis aus seinem Amt entlassen. Fromm darf nicht mehr im Konzert auftreten. Wenn sie sich von ihrem Mann hätte scheiden lassen, hätte sie vielleicht ihre Tätigkeit fortsetzen können. Aber sie erträgt diesen schweren Zustand. Das Paar überlebte den Krieg, aber tragischerweise verstarb ihr Mann bald. Die Konzerttätigkeit, die sie nach dem Krieg wieder angefangen hatte, gab sie endlich auf. Danach konzentrierte sich Fromm auf die Lehrtätigkeit. Sie sagte einmal: "Nach jener Zeit hat man alle Basis verloren. Meine Freunde sind gestorben, ich habe keinen Kontakt mehr." Aber es dürfte noch weitere Gründe geben. Vielleicht schien ihr die Avantgarde-Musik fremd, unzugänglich. Beim Anblick auf Deutschland, wo man immer mehr nach der wirtschaftlichen Entwicklung strebte, mußte sie sich fragen: "Was waren zwei Weltkriege? Was für eine Bedeutung hat unser Leiden?" Es scheint, dass das tiefe Einsamkeitsgefühl ihr Schweigen veranlasste. Auf dieser CD sind 7 Stücke. Die frühen Werke wie "Vier Puppen" und "Acht Skizzen" stehen unter dem Einfluß der Charakterstücke Schumanns. "Variationen über ein eigenes Thema" sind eine gute Hommage an Schumann und ihren Landsmann, Brahms. Aber deren Harmonie bewegt sich in so moderner Weise, daß man sich an die Werke von Skriabin erinnert. Bei der "Sonate für Klavier"(1917) ist der Klang der Barkarole sehr auffällig. Der verzweifelte, schwere Rhythmus bringt das Gefühl der Ausgangslosigkeit zum Ausdruck. Der Hörer mag solch ein Bild haben: es steht eine undurchbrechbare kalte Mauer, den Weg sperrend. Kein Umweg. Man weiß wohl, dass man nie die Mauer übersteigen kann, trotzdem muss man sich ewig dieser Mauer entgegenstemmen... Beim Hören des "Langsamen Walzers" muss der Hörer von der stillen, klaren Traurigkeit dieser Musik hingerissen werden. Alle Werke hier sind eher schwermütig als dramatisch, sie warten auf einen teilnahmsvollen Zuhörer. Aber wenn man einmal lernt, dieser stillen Stimme Gehör zu schenken, wird man davon tief erschüttert werden."
Yutaka Oyamada
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