Auryns Beethoven: Die Vollendung des Zyklus
"Wir tun immer so, als könnten wir uns die Gefühle eines Komponisten vorstellen, der hilflos mit ansehen muss, wie sein Gehör unaufhaltsam, unrettbar dahingeht - und der nicht weiß, ob morgen vielleicht schon alles vorbei ist. Welche Ängste, Verzweiflungen, sicher auch sinnlose Hoffnungen, welche Wut und Resignation da, vermutlich in rascher Folge, einander abwechselten, das lässt sich auch dann nicht erahnen, wenn man das Heiligenstätter Testament und die erhaltenen Konversationshefte in- und auswendig kennt.
Die nicht zu beantwortende Frage, was sich zwischen dem gerade noch Hörbaren und dem völligen Verstummen der Außenwelt abgespielt haben könnte, stellt sich freilich jedem Musiker und Ensemble, der oder das so leichtsinnig war, sich auf Ludwig van Beethovens Klaviersonaten oder Steichquartette einzulassen. Da geht plötzlich nach dem konzentrierten, klassisch abgemessenen Quartetto serioso op. 59 für alle Welt sichtbar die klassische Welt aus dem Leim - und niemand wird je sagen können, wie das im musikalischen Innenohr des Komponisten geklungen hat. Man kann aber zumindest versuchen den gewaltigen Bruch hörbar zu machen und die miniaturhaften Augenblicke, die riesigen Adagio-Sätze, die mächtigen, völlig neuen Fugen in Regionen zu rücken, wo herkömmliche Schönheitsbegriffe auch hörbar einer harten Prüfung ausgesetzt sind.
Und genau das tut das Auryn Quartett zum Abschluss seiner Beethoven-Gesamtaufnahme. Die vielgelobte, mitunter als "klassisch" bezeichnete Politur der bisherigen Einspielungen gerät jetzt, nachdem sie im Opus 95 bereits gehörig unter Beschuss genommen worden war, tatsächlich in Grenzbereiche, in denen jeder Parameter gewissermaßen bis zum Extrem gesteigert und aufgebogen ist: Pianissimi als subtil angerauhte Randerscheinungen zwischen Haar und Saite, melodische Bögen, die sich schier endlos wölben, dann wieder Tempi von solch gespentischem Furioso, als seien sie von Dämonen diktiert - wer bis heute nicht wüsste, was Beethoven außer Schuppanzighs Geige nicht interessiert hat, der könnte es hier erfahren. Und wer es schon gewusst hat, lernt recht radikale Facetten kennen, die Lichtjahre von dem klassischen Beginn des Zyklus entfernt sind, weil sie da noch in den Sternen standen."
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"Wir tun immer so, als könnten wir uns die Gefühle eines Komponisten vorstellen, der hilflos mit ansehen muss, wie sein Gehör unaufhaltsam, unrettbar dahingeht - und der nicht weiß, ob morgen vielleicht schon alles vorbei ist. Welche Ängste, Verzweiflungen, sicher auch sinnlose Hoffnungen, welche Wut und Resignation da, vermutlich in rascher Folge, einander abwechselten, das lässt sich auch dann nicht erahnen, wenn man das Heiligenstätter Testament und die erhaltenen Konversationshefte in- und auswendig kennt.
Die nicht zu beantwortende Frage, was sich zwischen dem gerade noch Hörbaren und dem völligen Verstummen der Außenwelt abgespielt haben könnte, stellt sich freilich jedem Musiker und Ensemble, der oder das so leichtsinnig war, sich auf Ludwig van Beethovens Klaviersonaten oder Steichquartette einzulassen. Da geht plötzlich nach dem konzentrierten, klassisch abgemessenen Quartetto serioso op. 59 für alle Welt sichtbar die klassische Welt aus dem Leim - und niemand wird je sagen können, wie das im musikalischen Innenohr des Komponisten geklungen hat. Man kann aber zumindest versuchen den gewaltigen Bruch hörbar zu machen und die miniaturhaften Augenblicke, die riesigen Adagio-Sätze, die mächtigen, völlig neuen Fugen in Regionen zu rücken, wo herkömmliche Schönheitsbegriffe auch hörbar einer harten Prüfung ausgesetzt sind.
Und genau das tut das Auryn Quartett zum Abschluss seiner Beethoven-Gesamtaufnahme. Die vielgelobte, mitunter als "klassisch" bezeichnete Politur der bisherigen Einspielungen gerät jetzt, nachdem sie im Opus 95 bereits gehörig unter Beschuss genommen worden war, tatsächlich in Grenzbereiche, in denen jeder Parameter gewissermaßen bis zum Extrem gesteigert und aufgebogen ist: Pianissimi als subtil angerauhte Randerscheinungen zwischen Haar und Saite, melodische Bögen, die sich schier endlos wölben, dann wieder Tempi von solch gespentischem Furioso, als seien sie von Dämonen diktiert - wer bis heute nicht wüsste, was Beethoven außer Schuppanzighs Geige nicht interessiert hat, der könnte es hier erfahren. Und wer es schon gewusst hat, lernt recht radikale Facetten kennen, die Lichtjahre von dem klassischen Beginn des Zyklus entfernt sind, weil sie da noch in den Sternen standen."
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