(zum Original-Artikel) "Die beiden CDs mit den Streichquartetten op. 130, 131, 135 und der gewaltigen großen Fuge op. 133 beschließen das Projekt "Auryns Beethoven" des labels TACET in Koproduktion mit dem DeutschlandRadio. Auf diese Einspielung können sowohl Akteure als auch Macher stolz sein, denn - um es gleich vorweg zu sagen - es ist eine wegweisende Aufnahme, die es mit den beinahe schon historischen Gesamtaufnahmen von erstklassigen Ensembles wie dem Amadeus-Quartett, dem Melos-Quartett oder dem Tokyo String Quartet getrost aufnehmen kann.
Denn gerade die letzten Streichquartette - die beiden op. 127 in Es-Dur und op. 132 in a-Moll nicht ausgenommen - sind gewichtige Marksteine, an denen schon so manches hoffnungsfrohe Quartett kläglich scheiterte. Sind nämlich die ersten sechs Streichquartette op. 18 noch in "braver" Manier - nach dem Vorbild Haydns und Mozarts geschrieben, so trifft bei den späten Quartetten Beethovens nicht einmal mehr Goethes Bonmot zu, der bekanntlich bei dieser Gattung den Eindruck hatte, als ob sich vier vernünftige Leute unterhalten würden. Zu tiefgründig, komplex, gar philosohpisch und zu weit in die Zu,unft weisend sind die letzten Quartette; für die Zeitgenossen unfassbar, die sie oft als zu bizarr ablehnten, einige dem Komponisten sogar lächerlicherweise vorwarfen, er habe, von der Taubheit beeinflusst, das Komponieren verlernt, da parellele Quinten und Oktaven vorkämen.
Geblieben ist die bewegende Tiefgründigkeit, wenn man mit hohem Genuss die vier Musiker die ergreifende, aber trotz Komplexität der kompositorischen Linien und musikalischen Aussagen kurzweilige und frisch wirkende Musik spielen hört. Selbst das fugierte Adagio - übrigens das einzige in Beethovens Oevre - im cis-Moll-Quartett wirkt nicht so schleppend, sondern durchdacht und überaus transparent, wenn auch das Presto im Gesamtkomplex zu sehr dahingehuscht wirkt. A propos Fuge: Die Große Fuge op. 133, vor deren unbändiger Gewalt und dem ungewöhnlichen Ausmaß von 741 Takten nicht nur der Beethoven-Biograf Walter Riezler erschrak, weil er sie wegen ihrer Entladungen als unheimlich, kühn und atemberaubend charakterisierte und sie ihn an eine Orgelfuge von Bach erinnerte, ist vom Auryn-Quartett wirklich meisterlich gespielt. Gerade hier zeigt es seine Flexibilität im Spiel: in der unisonen "Ouvertura", worin sich das Hauptthema kraftvoll vorstellt; in den vier Fugenteilen mit ihrer harten Polarisierung, ihren schroffen Gegensätzen; und dann in den empfindlichen pianissimo-Stellen, welche lyrisch, fast liebevoll-zärtlich herausgekitzelt werden. Danach mag der folgende alternative Schlusssatz dagegen fast blass erscheinen. Die übrigen beiden Streichquartette sind ähnlich stringent interpretiert, die musikalische Einheit trotz der sieben Sätze wird hier ebenso gewahrt wie auch die rückwärts gewandte Modernität des letzten Streichquartetts op. 135
Vorliegende Aufnahme ist nicht nur für den Beethoven-Kenner ein Gewinn und ein Muss, sondern auch für diejenigen, die bislang noch nicht in die Welt des "späten Beethoven" eingedrungen sind. Es bleibt zu hoffen, dass das Auryn Quartet mit Matthias Lingenfelder, Jens Oppermann, Stewart Eaton und Andreas Arndt noch viele weitere Werke aus der fast unüberschaubaren Quartettliteratur einspielen wird. Einige Marksteine - Haydn, Schubert, Debussy, Ravel, Britten, Bialas - wurden bereits für die Ewigkeit gesetzt."
Werner Bodendorff
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Denn gerade die letzten Streichquartette - die beiden op. 127 in Es-Dur und op. 132 in a-Moll nicht ausgenommen - sind gewichtige Marksteine, an denen schon so manches hoffnungsfrohe Quartett kläglich scheiterte. Sind nämlich die ersten sechs Streichquartette op. 18 noch in "braver" Manier - nach dem Vorbild Haydns und Mozarts geschrieben, so trifft bei den späten Quartetten Beethovens nicht einmal mehr Goethes Bonmot zu, der bekanntlich bei dieser Gattung den Eindruck hatte, als ob sich vier vernünftige Leute unterhalten würden. Zu tiefgründig, komplex, gar philosohpisch und zu weit in die Zu,unft weisend sind die letzten Quartette; für die Zeitgenossen unfassbar, die sie oft als zu bizarr ablehnten, einige dem Komponisten sogar lächerlicherweise vorwarfen, er habe, von der Taubheit beeinflusst, das Komponieren verlernt, da parellele Quinten und Oktaven vorkämen.
Geblieben ist die bewegende Tiefgründigkeit, wenn man mit hohem Genuss die vier Musiker die ergreifende, aber trotz Komplexität der kompositorischen Linien und musikalischen Aussagen kurzweilige und frisch wirkende Musik spielen hört. Selbst das fugierte Adagio - übrigens das einzige in Beethovens Oevre - im cis-Moll-Quartett wirkt nicht so schleppend, sondern durchdacht und überaus transparent, wenn auch das Presto im Gesamtkomplex zu sehr dahingehuscht wirkt. A propos Fuge: Die Große Fuge op. 133, vor deren unbändiger Gewalt und dem ungewöhnlichen Ausmaß von 741 Takten nicht nur der Beethoven-Biograf Walter Riezler erschrak, weil er sie wegen ihrer Entladungen als unheimlich, kühn und atemberaubend charakterisierte und sie ihn an eine Orgelfuge von Bach erinnerte, ist vom Auryn-Quartett wirklich meisterlich gespielt. Gerade hier zeigt es seine Flexibilität im Spiel: in der unisonen "Ouvertura", worin sich das Hauptthema kraftvoll vorstellt; in den vier Fugenteilen mit ihrer harten Polarisierung, ihren schroffen Gegensätzen; und dann in den empfindlichen pianissimo-Stellen, welche lyrisch, fast liebevoll-zärtlich herausgekitzelt werden. Danach mag der folgende alternative Schlusssatz dagegen fast blass erscheinen. Die übrigen beiden Streichquartette sind ähnlich stringent interpretiert, die musikalische Einheit trotz der sieben Sätze wird hier ebenso gewahrt wie auch die rückwärts gewandte Modernität des letzten Streichquartetts op. 135
Vorliegende Aufnahme ist nicht nur für den Beethoven-Kenner ein Gewinn und ein Muss, sondern auch für diejenigen, die bislang noch nicht in die Welt des "späten Beethoven" eingedrungen sind. Es bleibt zu hoffen, dass das Auryn Quartet mit Matthias Lingenfelder, Jens Oppermann, Stewart Eaton und Andreas Arndt noch viele weitere Werke aus der fast unüberschaubaren Quartettliteratur einspielen wird. Einige Marksteine - Haydn, Schubert, Debussy, Ravel, Britten, Bialas - wurden bereits für die Ewigkeit gesetzt."
Werner Bodendorff
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