Ganz im Gegensatz zu den mir bekannten Einspielungen der 24 Préludes – von denen einige in der Vergleichsrubrik angeführt sind – konzentriert, verbohrt sich Koroliov in fast allen Einzelstücken in eine Klang- und Bewegungsphilosophie der verlangsamten, der schier zeitlupenhaften Zeichnung und Intonation. Es ist aus der Perspektive des Hörers, als ob man diese Stücke wie unter dem Mikroskop erlebt, als ob man sie wie auf einer riesigen Leinwand abgebildet erfährt, also gleichsam zur Schau gestellt bekommt. In manchen folkloristisch, etwa spanisch angehauchten Passagen hat das etwas Lähmendes, sofern man vergleichsweise jazzige Versionen wie beispielsweise von Gulda im Ohr hat. Selbst der verhalten "lesende" Benedetti Michelangi benimmt sich in den motorischen Aufgaben unbekümmerter als Koroliov! Doch welche Einsichten in die Chemie, in die Bau- und Aufbauwunder dieser Préludes erlauben Koroliovs musikpathologische Sezierungen? Sie führen in das Innere dieser Gewebe, setzen für beängstigende und dann auch wieder beglückende Momente das Denken und Fühlen, alles je schon Erlebte außer Kraft. Sie zwingen auf friedfertige Weise, sich einem fremden, im nächsten Moment schon wieder familiären Erleben vorurteilslos auszusetzen. Gemeint ist aus meiner Sicht: die Intensität dieser Debussy-Enthüllung ist so stark, so krass, dass man sich getrost für mehr als 80 Minuten diesem fast schon als musikalisch-autistisch zu bezeichnendem Abenteuer anvertrauen sollte.
Peter Cossé
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