Klassik-heute-Höchstbewertung: 10-10-10
Diese Einspielung der Klaviertrios op. 114 (mit Klarinette) und A-Dur op.posth. ist in vieler Hinsicht mehr als nur die hochwertige Reproduktion von überlieferten Kostbarkeiten aus dem offiziellen und halboffiziellen Nachlass eines bedeutenden Komponisten. Zuerst darf man dem Abegg Trio mit Ulrich Beetz, Birgit Erichson und Gerrit Zitterbart gratulieren, seit nun 30 Jahren in unveränderter Besetzung zusammen gespielt, zusammen gehalten zu haben. 2006 feierte das Kammermusikensemble dieses seltene Bestandsjubiläum – und man muss schon an Allianzen wie das Quartetto italiano, das Beaux Arts Trio oder das Trio di Trieste denken, um ähnlich "haltbare" Zusammenkünfte von – wie man weiß – nicht unbedingt pflegeleichten Charakteren namhaft zu machen. Glückwunsch von dieser Stelle aus! Ein zweiter Punkt, der diese Edition interessant gestaltet – und über den Durchschnitt der besetzungstechnisch standardisierten Brahms-Publikationen hinaushebt – ist die Wahl der Instrumente. Gesucht, geforscht wurde (ähnlich wie bei der Aufnahme des Horntrios und der Sextettbearbeitung) nach geeigneten, aufführungspraktisch verbürgten Instrumenten aus der Entstehungszeit der Werke. Unterstützt von Gert Hecher, konnten zwei Flügel aus der Wiener Werkstatt Johann Baptist Streicher aus den Jahren 1851 und 1876 verwendet werden. Zwei Instrumente mit Wiener Mechanik, mit Leder auf den Hammerköpfen. Brahms selber besaß einen Streicher-Flügel, dürfte also bei der kompositorischen Arbeit von den Klangeigenschaften beeinflusst gewesen sein. Die Streichinstrumente stammen von Lupot (1821) und Castagnieri (1747), die Klarinette ist die Kopie eines von Mühlfeld – dem "Hausklarinettisten" Brahms’ – verwendeten Instruments. Wie Gerrit Zitterbart im Begleittext abschließend ausführt, handelt es sich um eine Ottensteiner nachgebaute Klarinette, die „eine andere Klappenmechanik und andere Klangeigenschaften als spätere Klarinettensysteme hat." Beste, hervorragende Voraussetzungen also für Interpretationen mit hohem, farbigem Duft- und Aromagehalt. Virtuos im Sinne von verantwortungsvoller Belebtheit, wachsam im wechselseitigen Fordern und Gewähren, im Dialogischen wie im vorübergehend Solistischen, so wie es die internen Vitalgeschichten der beiden Werke im Kraftvollen wie im Elegischen nahe legen (Werke, die am Anfang und am Ende von Brahms’ Kammermusikbemühens stehen!). Peter Cossé<< back