„Hut ab, ihr Herrn, ein Genie!“ Mit diesen Worten hatte Schumann einst Chopins Debüt begrüßt. Ein Genie am Klavier muss auch Camille Saint-Saëns gewesen sein. Er war einer der wenigen, die der Klaviertitan Liszt neben sich gelten ließ. Wie viel Saint-Saëns von diesem Ruhm über die Zeit rettete, lässt sich an den Welte-Mignon-Aufnahmen nachprüfen, die der Siebzigjährige 1905 einspielte. Neben glitzernden Salonpetitessen und Orchestertranskriptionen wie dem unermüdlich wirbelnden „Spinnrad der Omphale“ befinden sich bekannte Klavierwerke. Das Adagio grazioso aus Beethovens Sonate G-Dur op. 31 Nr. 1 bewältigt er mit straffer Eleganz, Chopins Nocturne Fis-Dur op. 15 Nr. 2 sowie die berühmte E-Dur-Etude aus op. 10 mit Zartheit, Anmut und Präzision. Saint-Saëns’ Spiel lässt uns einen aufschlussreichen Blick auf das klassizistische Klavierideal des 19. Jahrhunderts werfen. Zügige Tempi, perlende Läufe und ein leichter Anschlag verbinden sich mit einem freizügigen Rubato und dem immer wieder als artikulatorisches Stilmittel eingesetzten Auseinanderdriften beider Hände – wohl ein Erbe Chopins, das man noch bei Alfred Cortot findet. (...) Eine veritable Entdeckung, die man ruhig als sensationell bezeichnen darf! usc
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