Der Gesamtklang des Ensembles wirkt ausgewogen, harmonisch in den verhaltenen Schönheiten der langsamen Sätze. Man atmet, gibt sich wechselseitig Raum, respektiert Solistisches des Partners, aber man arbeitet, kämpft in den aggressiveren Passagen auch - mit Achtung freilich - gegeneinander. Kammermusik auf hohem Niveau ist ja alles andere als ein feiertäglicher Betriebsausflug, sondern das Ergebnis von oft schmerzhafter, langwieriger Meinungsbildung. Dieser Prozess sollte im Stadium einer gewachsenen - dabei keineswegs endgültigen - Interpretation auch weiterhin zu spüren sein. Dadurch vibriert es, lebt es, wenn eine Musikerformation im Studio auf das Vorbereitete zurückgreift. Im Rückgriff aber auf das Geprobte sollte sich das Terrain der gestalterischen Freiheit öffnen, sollte das Überraschende, das Unerwartete wie in einer ersten, keuschen und zugleich erotischen Begegnung zum Wegweiser werden.
Dies und manches mehr vermitteln diese Einspielungen der sechs von Graf Joseph Erdödy bestellten, 1799 und 1780 in Druck erschienenen Quartette, deren musikalische Außerordentlichkeiten auch im Zusammenhang mit dem freieren Dienstverhältnis des Komponisten, aber auch als Resonanz auf seine großen Erfolge während seiner zwei England-Reisen zu verstehen sind. Haydn emanzipierte sich auf paradoxe Weise von sich selbst. Die Menuette mutierten in diesen Quartetten fast durchweg in Richtung Scherzo! "Presto" fliegt das menuat des G-Dur-Quartetts (op. 76,1) vorüber - und ebenso atemlos gibt sich das Menuett des Quartetts op. 76.6.
"Gott erhalte Franz den Kaiser" tönt es fürbittlich im "Poco Adagio. Cantabile" des C-Dur-Quartetts (op. 76,3). Haydn hatte sein monarchietreues Lied zur Absolutheit von Quartett-Variationen erhoben und somit in die kammermusikalische Praxis eingespeist. Man erhalte uns auch das Auryn Quartett! Seit nunmehr 28 Jahren konzertieren Matthias Lingenfelder, Jens Oppermann, Stewart Eaton und Andreas Arndt in der Urbesetzung von 1981. Eine Wegstrecke, auf die nur wenige Streichquartette zurückblicken können.
Peter Cossé
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