Für ambitiöse Klavierduos ist Igor Strawinskys selber verfertigte Klavierfassung seines Sacre du printemps so etwas wie ein (gutgesatteltes) Schlachtross. Und keine geringe Herausforderung: mit vier Händen an einem einzigen Instrument soll die orchestrale Fülle dieser epochalen Ballettkreation eingefangen werden. Jetzt hat sich mit dem erfahrenen Duo Koroliov ein seit rund vier Jahrzehnten zusammenwirkendes Zweigespann der aufwühlenden Partitur angenommen. Beide Künstler stammen aus dem östlichem Raum, Evgeni Koroliov wurde in Russland geboren, seine Gattin Ljupka Hadzigeorgieva kommt aus Mazedonien. Kennengelernt haben sie sich während ihrer Studienzeit in Moskau; heute leben und wirken sie in Hamburg.
Es gibt zweifellos draufgängerischere, aggressivere Einspielungen des Klavier-Sacre, obwohl das Duo Koroliov das perkussive Element dieser rhythmisch so extravaganten Schöpfung keineswegs hintanstellt. Aber dann doch eher die klangmagischen Aspekte hervorhebt. Die übrigen kleineren Stücke Strawinskys für Klavier drei- und vierhändig erklingen jedenfalls klarer, pointierter. Die Pièces faciles sind – im Gegensatz zur Bearbeitung der Drei Stücke für Streichquartett – originale Miniaturen Strawinskys für diese Besetzung und trotz ihrer Betitelung laut dem Komponisten keineswegs für „Leute, die schlecht Klavier spielen“, gedacht. Evgeni Koroliov unterstreicht zudem ihren witzigen und tänzerischen Music-Hall-Stil, indem er zwei einschlägige flotte Solostücke (Tango, Piano-Rag-Music) dazufügt. Er, sonst meist als Bach-Interpret gepriesen, demonstriert damit bemerkenswerte Flexibilität.
Dass dieser Sacre du printemps quasi atmosphärische Qualitäten annimmt, hat aber auch mit der Technik zu tun, die in diesem Fall eigenwillige Wege geht. Während die erwähnten kleineren Stücke im Studio aufgenommen wurden, ist der Sacre ein Live-Mitschnitt aus dem Oldenburgischen Staatstheater. Allerdings stark nachbearbeitet – wohl nicht zuletzt in der Absicht, dem Klangfarbenrausch der exzessiven Partitur in der Klavierreduktion zumindest ansatzweise auf die Spur zu kommen. Produzent Andreas Spreer räumt freimütig ein, dass er damit gewissermaßen Strawinskys Musik von einer imaginären Bühne in die Natur versetzen wollte. Dank der Möglichkeit, „die Akustik an beliebigen Orten in Form von Impulsantworten einzufangen und über vorhandene Aufnahmen zu gießen“. Kurzum, in diesem Fall statt des Theaters eben der tiefe Wald… Man mag über solche (Klang-)Philosophien debattieren. Nicht bestreiten lässt sich immerhin, dass die lyrischen Partien – ich denke da besonders an die ersten Abschnitte zu Beginn des zweiten Teils – solcherart an delikatem Reiz gewinnen.
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