Vor kurzem hat Dirk Altmann - seit mehr als dreißig Jahren Soloklarinettist im Stuttgarter SWR-Sinfonieorchester - seine Begegnung mit dem fanzösischen Klarinettensystem und seine wachsende Sympathie dafür auf diesen Seiten geschildert (s. "Rohrblatt" 2/2016 S. 85f). Nun präsentiert er dazu eine klingende Illustration, die noch spannender beschreibt, was alles an Erlebnissen einen angehenden Klarinettisten beim Musiklernen und -machen prägt. Er erzählt im Booklet von der erste Begegnung des Vierzehnjährigen mit Paris, seinem Duft und seinem Fair und mit der Musik, die in dieser Stadt entstand und erklingt, die mehr als woanders so dicht Kern und Wesen einer Nation erspüren läßt. Diese frühe Begegnung mit "dem Französischen", auch mit seinem Klarinettensystem, bestimmt auch heute noch Altmanns Spieltechnik und Klangvorstellung und seine Begeisterung für das, was in den Klarinettenwerken der französischen Romantik und deren Fortführung in die Moderne an Brillanz ins helle Licht geholt werden will.
Für den Hörer, der mit den technischen Unterschieden zweier konkurrierender Systeme weniger vertraut ist - Dirk Altmann wechselte auch in seiner Orchestertätigkeit gern zwischen ihnen und berichtet im erwähnten Interview von seinem heutigen Instrument, das endlich die Vorzüge beider Systeme und deren Klangphilosophien vereinige - ist das Pariser Musikbilderbuch dieser CD eine mit Klarinette und Klavier vermittelte Mischung köstlicher Delikatessen, eine Bonbonnière voller Pralinés, Fondants, Konfekt und anderer exquisiter Delikatessen. Man kann das genießen wie Mousse au Chocolat, das auf der Zunge zergeht und einen feinen Geschmack zurücklässt. Schon Rameaus Prélude stimmt darauf ein, die Petitessen von Chausson, Pierné, Dukas, und Satie bilden eine bunten Strauß mit vielen Blüten. Dazu gesellt sich aus Puccinis "Bohème" der hübsche Walzer-Ohrwurm, dem eine Akkordeon-Begleitung gut bekommt, und manch Gewichtigeres wie Ravels Habanera, die in einem originellen Quintett-Arrangement mit Geige, Kontrabass und Akkordeon launig dargeboten wird, dann Debussys bekannte Première Rhapsodie und Gershwins drei Jazz-Präludien, denen - vor allem im Blues-Teil - ausgerechnet der Kontrabass erotisches Kolorit verleiht.
Der immer noch wenig bekannte Charles Koechlin hatte ein Faible für den neuen Tonfilm; der britische Musikgelehrte Robert Orledge, der sich besonders um französische Komponisten des späten 19. Jahrhunderts Verdienste erwarb, hat acht Miniaturen aus Koechlins Œure liebevoll zu einem Zehn-Minuten-Portrait Daisy Hamiltons zusammengestellt, eigentlich eine Hommage für die Schauspielerin Lilian Harvey (1906-1969), für die Koechlin geschwärmt haben soll, köstliche musikalische Federzeichnungen, deren Titel man im Booklet nachlesen sollte... Den krönenden Sahnehäubchen-Abschluss bildet die anspruchsvolle Klarinettensonate von Francis Poulenc.
Das alles geht ins Ohr wie ein Chardonnay über die Zunge und wie Dirk Altmann mit seiner kongenial mitgestaltenden japanischen Pianistin diese Delikatessen vorträgt, macht die CD zu einem Fest der Sinne! Dabei leistet sich der Klarinettist neben perfekter melodischer Feinenzeichnung immer wieder erfrischend vehemente Ausbrüche ins Klezmer- und Jazz-Milieu. Für dieses phantassievolle Siebzig-Minuten-Klangbad französischer Klarainetten-Gourmet-Kunst gebührt Dirk Altmann und seinen Mitgestaltern großes Lob und aufrichtiger Dank!
Diether Steppuhn<< back