264 CD / Russian Music. Koroliov Series
Beschreibung
Kontinuität
Das Stück „Oktober“ aus den „Jahreszeiten“ op. 37 von Tschaikowsky stammt aus einer älteren Aufnahme von Evgeni Koroliov aus dem Jahr 1992 (TACET 25). Das war die Zeit der Jugoslawienkriege und des Zerfalls der Sowjetunion. Ich entsinne mich, dass damals der in Moskau geborene Evgeni Koroliov während einer Pause in seiner sanften Art davon sprach, wie diese Musik für ihn eine Erinnerung sei an unwiederbringliche Zeiten vor der russischen Revolution. 33 Jahre später spricht Koroliov wie damals, ist er sich und seinem Spiel treu geblieben, sind die Zeiten ebenso wirr und unsicher. Selbst der Klang ähnelt sich. Dementsprechend durchweht auch die neuen Aufnahmen auf dieser „russischen“ CD eine ähnliche Sehnsucht nach einer besseren Welt, die es so schön wie in dieser Musik nie gab. Ich bin froh und dankbar, diesen stillen und ausdrucksstarken Künstler, der die Musikwelt nachhaltig bereichert, dermaßen lange auf TACET begleiten zu dürfen. Dies ist bereits seine 26. Aufnahme auf TACET und die zweite CD in diesem Jahr, die zweite von drei!
Andreas Spreer
2 Bewertungen für 264 CD / Russian Music. Koroliov Series
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Klassik heute –
–> zur Originalkritik
Das russische Klavierrepertoire wird oft auf die großen virtuosen Brocken – etwa von Mussorgski oder Prokofiev – reduziert. Oft genug gehen dabei Zwischentöne oder ungewöhnliches Repertoire unter. Auch unter einem einen anderen Aspekt ist diese Einspielung von Evgeni Koroliov hochinteressant. Seine mittlerweile 26. Einspielung in seiner eigenen Serie bei dem Label Tacet widmet sich Werken von Scriabin, Medtner, Tchaikovsky und Prokofiev: kleinen Charakterstücken und selten gespielten Werken, die oft im Schatten des großen Virtuosenrepertoires stehen. Das alleine ist schon spannend, etwa die Auswahl aus den Preludes op. 11 von Alexander Scriabin oder die Sonata reminiscenza, der erste Satz aus dem Zyklus Vergessenen Weisen op. 38 von Nikolai Medtner.
Rausch und Klasse
Scriabins teilweise nur wenige Sekunden bis knapp zweiminütigen Miniaturen sind klanglich näher an Debussy als an der russischen Schule und Medtners Sonatensatz ist eine wirkliche Trouvaille. Auch die kleineren Stücke von Tchaikovsky und Prokofiev, die Koroliov spielt, darunter einige Auszüge aus Romeo und Julia op. 75, sind allesamt gewiss nicht überrepräsentiert. Aber diese Aufnahme punktet nicht nur mit dem Repertoire. Koroliov ist seit langem ein Garant für pianistische Klasse. Auch diese Aufnahme macht da keine Ausnahme. In den Scriabin-Preludes entfaltet Koroliov subtile und zarte Klanggespinste, Medtners Sonatensatz ist ein einziger Rausch und die Charakterstücke von Tchaikovsky sind ein Ausbund an pianistischer Subtilität und Feinarbeit. Das alles ist zudem in gewohnt brillanter tontechnischer Manier eingefangen. Fazit: ausgezeichnet!
Guido Krawinkel
Künstlerische Qualität: 10 von 10
Klangqualität: 10 von 10
Gesamteindruck: 10 von 10
Klassik Heute Empfehlung
Pizzicato –
–> Original-Rezension
Die « Sehnsucht nach einer besseren Welt » durchwehe dieses Album, heißt es im Ankündigungstext, und entsprechend ruhig geht es in dem Programm zu, manchmal wohl etwas fröhlicher, vor allem bei Prokofiev, oft nostalgisch, melancholisch, wenn nicht geradeheraus traurig.
Durch das ganze lyrische Programm hindurch herrscht ein Gefühl von Introspektion und emotionaler Wärme vor, so dass sich der Zuhörer völlig entspannen kann. Koroliov gibt jeder Note Zeit zum Atmen und Nachklingen.
Die Melodien sind oft sanft, fließend und gesanglich, fast so, als würde das Klavier eine leise Geschichte flüstern.
So entsteht eine friedliche Atmosphäre, die dem Hörer eine wohltuende Weltflucht ermöglicht, aus der ihn natürlich am Ende die bittere Realität umso schärfer herausreißen wird.
Remy Franck