281 CD / György Kurtág: Complete Flute Music
Beschreibung
Schon der Wunsch, bereits zu Lebzeiten dessen sämtliche Werke für ein Instrument aufzunehmen, lässt die Bedeutung eines Komponisten erkennen. Trotz der Unsicherheit – vielleicht schreibt er ja noch was dazu? So war das damals auch bei TACET 129, nachdem Erika Haase (1935 – 2013) sich die Lebensaufgabe gestellt hatte, alle Stücke für Klavier eines anderen „Großen“ der zeitgenössischen ungarischen Musik, György Ligeti, einzuspielen. Nun also György Kurtág, ein Meister der Miniatur beinahe wie Anton Webern. Alle seine Werke für Flöte, initiiert und kongenial gespielt von Markus Brönnimann und seinen Freunden. Gleich der erste Ton soll, nein muss die ganze Welt enthalten. Das wissen viel von Kurtágs Schülern nur zu gut, die im Unterricht oft nicht über die ersten Takte hinauskamen. Weil ihm diese Konzentration, diese Eindampfung auf das Wesentliche gelingt, reichen Kurtág wenige Noten für ein vollständiges kleines Universum, in dem es an nichts fehlt. Davon zeugen 36 Tracks reichlich!
3 Bewertungen für 281 CD / György Kurtág: Complete Flute Music
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Klassik heute –
–> zur Originalkritik
„Jetzt, im Sommer 2024, ist meine Beschäftigung mit György Kurtags Flötenmusik vorerst abgeschlossen. Ich habe jede Note dreimal umgedreht und versucht, mich in seine Denkweise und Welt hineinzuversetzen. Ich habe versucht, eins zu werden mit dieser Musik, so wie Kurtág dies von seinen Studenten immer verlangt hat. Alle diese Stücke zu lernen, war nicht nur eine Herausforderung, Kurtágs Musik hat mir auch sehr viel zurückgegeben und mich glücklich gemacht. Möge es dem Hörer gleich ergehen“ – schreibt der auf diesem Album agierende Schweizer Flötist Markus Brönnimann im Booklet. Um es gleich vorweg zusagen: Ja, das Hören dieser Musik und die Beschäftigung mit der CD haben mich glücklich gemacht, sehr sogar. Dies umso mehr, als ich das bei dem – in der Musikwelt nicht überall beliebten – Instrument Flöte in dieser Intensität nicht erwartet habe. Den hervorragenden und sehr ausführlichen Booklet-Text sollte man vor dem Anhören des Albums unbedingt lesen; das Herzblut des Solisten spürt man darin genauso wie in den Lesarten, die er und seine (auf dem Front-Cover ausdrücklich „Friends“ genannten) Mitmusiker hier abliefern und die Rezeption der Werke zu einer Reise zum Mittelpunkt von Kurtágs klingendem Miniatur-Kosmos‘ werden lassen.
Klingende Konzentrate
„Meine Muttersprache ist das Stammeln“, soll Kurtág einmal gesagt haben. Tatsächlich ist das Wesen seiner Musik damit adäquat umschrieben. Stammeln meint hier allerdings nicht ein zusammenhangloses staccatohaftes Sprechen, sondern im Gegenteil die Artikulation von substanziellen, auf das Wesentliche konzentrierten (musikalischen) „Sachverhalten“, frei von Redundanzen und ohne schmückendes Beiwerk. Anton Webern und überhaupt die Zweite Wiener Schule werden hier gerne als Galionsfiguren genannt, und selbstverständlich ist auch Kurtág in deren Schule gegangen. Da er aber keinen wesensmäßigen Unterschied zwischen tonaler und atonaler Musiksprache macht und darüber hinaus einer der ganz wenigen wirklich originalen Komponisten der Gegenwart ist, dem es gelingt, das gesamte Erbe der Musiktradition – sozusagen von Bach bis Bartók, um zwei seiner wichtigsten Bezugsgrößen zu nennen – in sein eigenes „System“ zu überführen, hat er sich auf seine ureigene Weise von allen Schulen emanzipiert. Auch wenn Kurtág im wahrsten Sinne des Wortes mit den großen Vorbildern spielt – Játékok (Spiele) lautet der Titel einer seiner wichtigen Klavierzyklen –, so ist seine Musik bei allem Anspielungsreichtum nie postmodernistisch. Begriffe wie Collage, Zitat, Travestie, Stilmix oder irgendwas mit „Neo-“ (-Klassik, -Romantik, -Impressionismus) gehen komplett am Kern von Kurtágs Kunst vorbei. Brönnimann spricht in Bezug auf den Komponisten und sein Verfahren von der „Fähigkeit des Aushorchens“ und der „Kunst des Verdichtens“, und er trifft damit ins Schwarze, zumal die Wörter „Zuhören“ und „Dichten“ darin impliziert sind. Denn Kurtágs Werke sind immer auch dialoghaft, sie führen ein dem eigenen Schaffen stets schon vorausliegendes (musikalisches) „Gespräch“ weiter, da sie, wie Brönnimann zeigt, die ganz grundsätzliche Frage stellen: „Mit welchem Ton beantworte ich die erste Note?“ In diesem Sinne erschaffen Kurtágs Kompositionen Resonanz-Räume, um es mit dem Soziologen Hartmut Rosa zu sagen, die den Rezipienten einladen. Er darf und soll sich auf das „Gesagte“ einlassen und (im ursprünglichen Sinne des Wortes von „resonare“) mitschwingen.
Bagatellen und Botschaften
Insgesamt fünf Zyklen sind auf dem Album zu hören. In der Reihenfolge ihrer Entstehung sind das: Die kleine Klemme (1978) für Piccoloflöte, Posaune und Gitarre; Herdecker Eurythmie (1979) für Flöte und (moderne) Leier, ein der antiken Lyra nachempfundenes Zupfinstrument; Bagatellen (1982) für Flöte, Kontrabass und Klavier und Szenen (1997) für Flöte solo. Die Sammlung Signs, Games and Messages für Flöte solo und Flöte mit diversen Begleitinstrumenten (z.B. zweiter Flöte, Alt- und Bassflöte, Klavier und Bariton) entstand über einen längeren Zeitraum und erklingt auf der CD nicht am Stück, sondern in zwei Teilen, was ich für einen genialen Schachzug halte. Dass die Werke nicht in chronologischer, sondern (scheinbar) zufälliger Abfolge erklingen, beginnend mit dem frühen Opus 14/d (Bagatellen) und endend mit dem Opus 15b (Die kleine Klemme), entpuppt sich beim Hören ebenfalls als intuitiv einleuchtend. Besser als mit den verröchelnden Posaunenklängen am Schluss von Nachtstück, dem letzten Satz der Kleinen Klemme, hätte das Album kaum enden können.
Fast alle Sätze der Werke tragen mehr oder weniger „sprechende“ Titel wie z.B. A Faltering Confession, Blumen die Menschen oder Joli oiseau; einige beziehen sich direkt auf Vorbilder wie etwa Hommage à J. S. B., Fanfare in the Manner of Mussorgsky oder Hymn in the Manner of Stravinsky. Immer geht es im Sinne des oben Gesagten darum, auf kleinstem Raum eine Bühne zu erschaffen, auf der sich das Instrument bzw. die Instrumente in „Scene“ setzen, um in zugleich hochkonzentrierter und spielerischer Form „Signs“ und „Messages“ an den Hörer zu senden, die dieser interpretieren, in seiner Vorstellungskraft ergänzen und zu (s)einem Konzept formen soll.
Es ist den ausgezeichneten Musikern, allen voran dem Flötisten Markus Brönnimann, zu verdanken, dass sowohl die Botschaften, die Kurtágs Musik aussendet, als auch das Konzept des Albums auf eine geradezu beglückende Art und Weise aufgehen. Die tiefe Vertrautheit Brönnimanns mit dieser Musik ist jedem Ton abzulauschen, intensiver geht es kaum. Ein weiteres Plus dieser CD ist ihre fantastische Akustik, die dazu beiträgt, dass auch allerkleinste Nuancen dieser unaufgeregt-aufregenden Musik intensiv erfahrbar werden.
Dr. Burkhard Schäfer
High Fidelity Poland –
–> Originalkritik
György Kurtág, geboren im Jahr 1926, ist ein ungarischer Komponist, Pianist und Pädagoge.
Er ist Mitglied der bedeutendsten musikalischen Gremien Europas und wurde mehrfach für seine Verdienste um die Musik ausgezeichnet. Wie auf dem Portal Grove Music Online zu lesen ist, wird sein Stil mit dem von Bartók, Webern und – in gewissem Maße – Strawinsky verglichen. Die CD Complete Flute Music enthält sämtliche Kompositionen für Flöte von Kurtág.
Sie wurde vom Gründer des Labels Tacet innerhalb weniger Tage im Februar und Juli 2024 aufgenommen. Im Booklet, das eine hervorragende Beschreibung der Musik bietet, fehlen jedoch Informationen zur eigentlichen Aufnahme – ein Mangel, der bei Veröffentlichungen dieser Art eigentlich nicht passieren sollte. Wichtiger ist jedoch, dass die von Tacet präsentierte Musik von Kurtág äußerst erfrischend wirkt. Verstehen Sie mich nicht falsch: Bach, Barock, Renaissance und Romantik – in genau dieser Reihenfolge – sind meine bevorzugten Gattungen und Epochen der klassischen Musik. Und doch, wenn ich Musik von solcher Qualität höre, wie sie auf der besprochenen CD enthalten ist, erfahre ich eine Art inneren „Reset“.
Ein ähnliches Erlebnis hatte ich während des Konzerts am 9. Mai in der Krakauer Philharmonie, bei dem Ivo Pogorelich als besonderer Gast auftrat. Zusammen mit dem lokalen Orchester spielte er im zweiten Teil Chopins Klavierkonzert Nr. 2 f-Moll op. 21 – und das war großartig. Doch die stärksten Emotionen, so sehe ich es heute, löste Exodus für Orchester und Tonband von Krystyna Moszumańska-Nazar in mir aus, dem die Uraufführung des kurzen Gloria von Joanna Wnuk-Nazarowa voranging – beides zeitgenössische Kompositionen. Beim Hören der Werke auf der besprochenen CD hatte ich ein ähnliches Gefühl, einem Mysterium beizuwohnen. Kein einfaches, es bringt einen aus dem Gleichgewicht – aber es reinigt.
Der Klang auf dieser CD wurde aus gewissem Abstand eingefangen. Die Flöte ist kein lautes Instrument, und man hätte sich vorstellen können, dass der Tontechniker sie näher und größer wirken lässt. Das ist jedoch nicht geschehen. Alle Instrumente haben daher die gleiche Chance, zur Geltung zu kommen. Dadurch werden Nachklänge deutlicher hörbar, und die Akustik des Kammermusiksaals der Philharmonie Luxemburg ist klarer wahrnehmbar als bei vielen anderen Aufnahmen dieser Art.
Es ist ein reiner, klarer Klang – und dennoch auf gewisse Weise „patiniert“. Ob dies durch den Einsatz von Röhrenmikrofonen oder andere Verfahren erreicht wurde, weiß ich nicht. Ich weiß jedoch: Der Klang ist hervorragend.
Wojtek Pacula
[automatische Übersetzung aus dem Polnischen]
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Polnischer Originaltext:
URODZONY W 1926 ROKU GYÖRGY KURTÁG jest węgierskim kompozytorem, pianistą i pedagogiem, członkiem najważniejszych gremiów muzycznych Europy, wielokrotnie odznaczany za zasługi dla muzyki. Jak czytamy na portal Grove Music Online, jego styl porównuje się do Bartóka, Weberna i, w pewnej mierze, Stravinsky’ego. Płyta Complete Flute Music zawiera komplet jego kompozycji na flet.
Została ona nagrana przez założyciela wytwórni Tacet w ciągu kilku dni, w lutym i lipcu 2024 roku. W książeczce, doskonałej jeśli chodzi o opis muzyki, zabrakło informacji o samym nagraniu, co nie powinno się tego typu wydawnictwom przydarzać. Ważniejsze jednak jest to, że muzyka Kurtága zaproponowana przez wytwórnię Tacet, jest niezwykle odświeżająca. Proszę mnie nie zrozumieć, Bach, barok, renesans i romantyzm – w tej kolejności – to moje ulubione rodzaje i okresy w muzyce klasycznej. A jednak, kiedy słyszę muzykę tej klasy, co zawarta na płycie o której mowa, resetuję się.
Podobnie miałem podczas koncertu 9 maja w krakowskiej Filharmonii, podczas którego gościem specjalnym był Ivo Pogorelich. Wraz miejscową orkiestrą zagrał w drugiej części II Koncert fortepianowy f-moll op. 21 Fryderyka Chopina – i było wspaniale. Ale największe emocje, tak to dziś widzę, wzbudził we mnie Exodus na orkiestrę i taśmę Krystyny Moszumańskiej-Nazar, poprzedzony prawykonaniem krótkiego Gloria Joanny Wnuk-Nazarowej, czyli kompozycje współczesne. Słuchając utworów z recenzowanej płyty miałem podobne poczucie uczestnictwa w misterium. Niełatwym, wytrącającym ze stanu równowagi, ale oczyszczającym.
Dźwięk na tej płycie został uchwycony z pewnej odległości. Flet nie jest głośnym instrumentem i można by sobie wyobrazić, że realizator będzie go chciał przybliżyć i powiększyć. Tak się nie stało. Wszystkie instrumenty mają więc równą szansę do zaistnienia. Mocniej są przez to pokazywane wybrzmienia, a akustyka wnętrza Chamber Music Hall Filharmonii w Luksemburgu jest znacznie wyraźniejsza niż na wielu innych nagraniach tego typu.
To brzmienie czyste i klarowne, a jednak w jakiś sposób „spatynowane”. Czy to przez użycie mikrofonów lampowych, czy inne zabiegi – nie wiem. Wiem jednak, że brzmienie jest doskonałe.
Pizzicato –
–> Originalkritik
Der 1926 geborene Ungare György Kurtag, ein freier Geist, ist keiner Schule und keiner Richtung zuzuordnen. Der Flötist Markus Brönnimann hat auf einem Tacet-Album alle Werke mit Flöte vereint.
Das war sicherlich kein leichtes Unterfangen, verlangt doch Kurtags assoziative Musiksprache vom Solisten wie auch von denen, die ihn begleiten, höchste technische Präzision und musikalische Konzentration. Andererseits lässt der Komponist den Interpreten einen gewissen Freiraum, denn seine Musik soll immer offen sein für neue Gedanken und für Anpassung. Sammlungen bilden bei ihm nicht immer einen zusammenhängenden Zyklus; die Stücke können in verschiedenen Reihenfolgen gespielt werden. Andererseits enthalten die auf diesem Album vertretenen Stücke ein Labyrinth von Verbindungsfäden, weil sie entweder anderen Instrumenten zugeordnet werden können oder aus dem Korpus anderer Werke überarbeitet wurden. All das wird in dem sehr ausführlichen und hervorragend erklärenden Booklet-Text von Markus Brönnimann deutlich.
Dass die Musik eine Fülle oft gegensätzlicher musikalischer Botschaften zum Ausdruck bringt, dass das, was technisch anmuten könnte, auch eine poetische Sprache spricht, äußert sich in Brönnimanns Spiel und dem seiner Freunde, mit denen er das Album eingespielt hat. Zustande kam so eine wirklich spannende Auseinandersetzung, gepaart mit einer Darbietung auf sehr hohem Niveau.
Norbert Tischer